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„Den Schuldenstand kann die Stadt stemmen“

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Von: Andreas Burger

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Steffen Wernard: „Wir haben 2021 viele Weichen gestellt, 2022 die Folgebeschlüsse gefasst und bekommen auch einen entsprechenden Gegenwert für die umfassenden Investitionen.“
Steffen Wernard: „Wir haben 2021 viele Weichen gestellt, 2022 die Folgebeschlüsse gefasst und bekommen auch einen entsprechenden Gegenwert für die umfassenden Investitionen.“ © fms

Interview mit dem Usinger Bürgermeister Steffen Wernard über Geld, Bautätigkeit und Personal Das Jahresende nähert sich. Und wie stets baten wir Bürgermeister Steffen Wernard zum Interview für einen Rückblick und eine Vorschau. Und für ein paar Sätze über die Schuldenstände. Mit ihm sprach Redakteur Andreas Burger.

Üblicherweise beginnt das Jahresinterview mit einem Rückblick. Aber nachdem der Haushalt nun beschlossen ist und fest steht, dass der Schuldenstand in zwei Jahren um 20 Millionen Euro steigt, frage ich mal: Schläft der Bürgermeister damit noch gut?

Wenn ich nicht erkältet wäre, ja. Wir haben 2021 viele Weichen gestellt, 2022 die Folgebeschlüsse gefasst und bekommen auch einen entsprechenden Gegenwert für die umfassenden Investitionen. Vorweg: Eine Kommune ist kein Wirtschaftsbetrieb, wir müssen sicher wirtschaftlich agieren, aber haben Pflichtaufgaben. Und diese sind Infrastruktur, die Kitas und den Erhalt unseres Eigentums wie Gebäude . . .

. . .aber alles auf einmal?

Unsere ursprüngliche Planung wird, wie eigentlich seit Jahren, immer durch Überraschungen ergänzt. Der Neubau der Kita in Kransberg wurde durch die nun erst entdeckten Bauschäden fällig. Die entsprechenden Aufsichtsbehörden achten darauf, das die Einrichtungen sicher sind, das ist beim Gebäude nicht mehr gegeben. Und was andere Vorhaben betrifft: Wenn wir verschieben, wird alles noch teurer. Die Feuerwehr können wir nicht noch länger hinhalten, der Neubau muss begonnen werden. Mit dem (Das) Technikzentrum entsteht eine weitere IKZ mit drei anderen Kommunen, die Bahnhofstraße muss alleine wegen der maroden Wasserleitungen und Kanäle gemacht werden.

Nicht zu vergessen die geplanten Baugebiete in den Stadtteilen, die zunächst ordentlich kosten.

Aber wenn wir eine Weiterentwicklung wollen, kommen wir auch an solchen Ausgaben nicht vorbei. Merzhausen und Eschbach sind notwendige Erweiterungen, die jetzt kosten, aber später Geld bringen. In der Debatte ums Geld darf man auch nicht vergessen: Unser Jahresabschluss war deutlich positiver als angenommen, wir sind werden mit fast drei Millionen plus aus 2022 heraus gehen gegangen. Und für viele alle Maßnahmen bekommen wir Förderungen vom Land, meist über 60 Prozent.

Und doch bleiben 40 Prozent bei der Stadt hängen. Ist das solide Haushaltsführung?

Wir wissen nicht, wie sich Baupreise und Zinsen entwickeln. Wir wissen aber schon, dass die Zinsen historisch niedrig waren und viele ihre Häuser in der Vergangenheit auch mit Zinsen bis zu 6 oder gar 8 % finanziert haben. Mit der jetzigen Planungen und Lage kann die Stadt die Maßnahmen stemmen, wer weiß wie es in einigen Jahren aussieht. In drei Jahren, wenn wir auch Obergasse und Schlossplatz saniert haben, ist das große Maßnahmenpaket abgeschlossen.

Gibt es einen Punkt, an dem sie die Reißleine ziehen, wenn sich trotz vorliegender Planungen die Maßnahmen verteuern?

Bei allen Investitionen wird nun erst einmal eine Detailplanung erstellt. Und diese geht wieder ins Parlament. Erst nach der Ausschreibung wissen wir fast auf den Euro genau, was alles kostet. Ob es dann zu teuer ist, ob wir wieder etwas schieben, das entscheidet die Politik. Klar, wenn plötzlich ein Bau 50 Prozent mehr kostet als ursprünglich geplant, werden wir die Lage neu bewerten. Derzeit aber kann ich ruhigen Gewissens sagen: Das schafft die Stadt.

2025 mit Hilfe einer Anhebung der Grundsteuer.

Ja, das ist nach jetziger Lage geplant. Nur: Selbst wenn wir anheben, sind wir im Vergleich im unteren Drittel bei den Kommunen. Und nach dann sieben Jahren in Folge ohne Anhebung ist diese Maßnahme, zumal moderat, vertretbar. Da haben andere Kommunen längst an den Steuerschrauben gedreht.

Geld soll auch mit Hilfe des Verkaufs vom Tafelsilber reinkommen, sprich städtischen Liegenschaften. . .

. . . von Silber zu reden wäre geprahlt. Die betreffenden Gebäude haben alle einen Investitionsstau. Da müssten in den kommenden Jahren Millionen in die Hand genommen werden. Nein. Der Verkauf bringt uns Geld und erspart Folgekosten. Sollen wir dort viel Geld reinstecken und die Liegenschaften dann vermieten? Das wäre von den Kosten her eine Milchmädchenrechnung. Mit dem Verkauf werden wir Sorgen los.

Was in Eschbach bei einem Projekt nur bedingt zutrifft, denn dort sollen Feuerwehr und Kita neu gebaut werden, eine Arztpraxis gleich mit entstehen.

Die Wehr entspricht überhaupt nicht mehr geltenden Gesetzen, eine dringend notwendige Erweiterung an der Stelle ist nicht möglich. Das Haus mit dem Arzt müsste ebenfalls teuer saniert werden um dann trotzdem nur ein Kompromiss ohne ausreichend Parkplätze und ohne eine vollständige Barrierefreiheit zu sein. Gleiches gilt für die Kita. Da ist es doch logisch, dass man alles zusammenfasst und an anderer Stelle neu plant. Mit dem Verkauf des großen Areals kommt dann ein Teil für die Gegenfinanzierung zustande. Und egal was wir in 2023 und 2024 neu bauen: Es werden keine goldenen Wasserhähne eingebaut. Die Wehren wissen, dass eine solide Planung entsteht, die Straßen werden gründlich, aber nicht mit unnötigem Schnickschnack saniert. Feuerwehr, und das ist das Hauptargument, ist eine Pflichtaufgabe der Stadt. Die Wehren sind 24/7/365 Tage im Jahr aktiv. Wir können nicht einfach sagen: Der Zustand der Gebäude geht uns nichts an.

Spielen die Folgekosten der ganzen Maßnahmen eine Rolle?

Sicher, die sind immer mit einzurechnen. Bei Straßen ist das untergeordnet, da wissen wir, die halten jetzt 30 Jahre. Und bei den Gebäuden kommt uns ein Neubau gelegen, denn mit den modernsten Maßnahmen senken wir die Betriebskosten bei Strom und Heizung um einen großen Prozentanteil.

Energetische Maßnahmen, ökologischer Umbau: gute Stichwörter. Da könnte die Stadt noch einiges tun. Die Grünen haben hier bei der Haushaltsrede den Finger in die Wunde gelegt.

Da hat sich schon einiges getan und es wird sich noch einiges tun. Wir sind mit der Syna im Gespräch, wo Solaranlagen oder Fotovoltaik Sinn machen. Das geht nicht überall, denn die Sonnenzeiten und Dachflächen müssen schon beachtet werden. Wir bekommen Anfang 2023 das Nahmobilitätskonzept auf den Tisch, in dem umfangreiche Maßnahmen stehen. An der Bahnhofstraße ist eine Radspur eingeplant. Und nicht zuletzt startet 2023 der Klimamanager seinen Dienst. Und wir prüfen, ob der Solarpark in Merzhausen ausgeweitet werden kann.

Gleich zwei neue Stellen: Klimamanager und Umweltranger. Wieder Kosten. . .

. . . die der Stadt gut tun werden. Mit dem Klimamanager erstellen wir eine Klimabilanz, werden daraus konkrete Ziele und Möglichkeiten ableiten, wollen die Energiebilanzen der städtischen Liegenschaften verbessern (abgehen wir die städtischen Liegenschaften an), schauen, wo wir Energie selbst produzieren können, wollen mit Beratungen den Bürgern Service bieten. Und: Das Land finanziert die Stelle mit. Was auch bedeutet, dass es Förderrichtlinien gibt. Was den Umweltranger betrifft, hat er einen Berg Arbeit. Der Missbrauch bei Grünecken, der illegale Müll in Wald und Flur, die Überwachung von Freizeitflächen und verhindern von Vandalismus. Er wird, was aber nicht an erster Stelle steht, auch über Strafen bei illegalen Vorgängen, Geld bringen. Aber ganz oben steht die Prävention. Deshalb sind seine Arbeitszeiten auch variabel, abends, an Wochenenden. Wie es eben nötig wird.

Das war alles eine Ausgabenseite. Schauen wir auf die Einnahmeseite. Dank Berliner Beschlüsse, Corona und Krieg kann der Bürger kaum noch die Kosten decken, Energiepreise fressen bei vielen die letzten Finanzpuffer auf, gerade mittelständische Unternehmen kommen bei Kosten an die Grenzen. Und: Derzeit beginnt vor allem bei Handwerkern sich abzuzeichnen, dass die gute Auftragslage sind dreht, weil potenzielle Bauherrn mangels Geld durch gestiegene Kosten zurückziehen. Das könnte bei Einkommenssteueranteil und Gewerbesteuer ordentliche Lücken reißen.

Da kann man dann nur hoffen, dass die Hessen im kommenden Jahr vernünftig wählen (lacht). Nein, natürlich sehen wir die Lage auch. Aber wir hoffen auch, dass der Krieg bald endet und die Preise sich wieder einpendeln. Dass die Berliner Koalition gerade im Energiesektor nicht immer sinnvoll handelt, das zeigt sich jetzt deutlich. Gerade der Mittelstand stützt das Land. Aber wir befinden uns jetzt seit fast sechs Jahren im Krisenmodus. Nach den Flüchtlingen kam Corona und dann der Krieg - und alle Negativprognosen haben sich nicht oder reduziert eingestellt. In regelmäßigen Gesprächen tauschen wir uns mit unseren Top-Gewerbesteuerzahlern über die zukünftige Entwicklung aus. Ich sehe die Zukunft nicht so dunkel, wie sie derzeit gemalt wird. Vielleicht sollte man auch erwähnen, dass von jedem Euro an Gewerbesteuereinnahmen uns nur 25 Cent bleiben. Der Rest geht an Umlagen wie Kreisumlage wieder raus. Aber wir bekommen ja auch den Zuschuss als Mittelzentrum und Schlüsselzuweisungen.

Schauen wir kurz zurück aufs ablaufende Jahr. Was waren die prägenden Eckpunkt?

Nun, für mich zuerst mal die Wiederwahl, was schon gar nicht mehr präsent ist, weil direkt danach der Krieg begann. Immer noch unfassbar: Krieg in Europa. Aber die Stadt hat viele wichtige Beschlüsse gefasst wie eben Feuerwehrumbau, die Bahnhofstraße mit Kreisel, Wohngebiet und Sanierungen. Die Scheunengasse ist ein Schmuckstück geworden, der Kreisel an der B 456 bewährt sich. Das Nahmobilitätskonzept wird uns voran bringen, das Betreuungszentrum mit Zweifeld-Sporthalle wurde begonnen - es ist eine Menge passiert. Am beeindruckensten war, wie die Menschen mit den Ukraine-Flüchtlingen umgingen. Vor allem die ehrenamtlichen Rettungskräfte: Keine Diskussion, anpacken und in der Sporthalle Platz für 200 Menschen schaffen. Das war eine starke Leistung.

Und mit Blick auf 2023?

Da haben wir vieles schon erwähnt. Der Feuerwehrneubau wird starten, das interkommunale Technikzentrum kommt, in der Bahnhofstraße starten wir die Sanierung in drei Bauabschnitten, dank ISEK LEADER kann der Multifunktionsplatz in Merzhausen entstehen, die Kita Merzhausen wird, wenn alles klappt, erweitert und saniert. Hinzu kommen einige notwendigen Sanierungen von Straßen und Gebäuden, um den Erhalt zu sichern. Nicht zuletzt hoffen wir auf ein Baufortschritt an der neuen Sporthalle mit Betreuungszentrum. Und: Derzeit sieht es so aus als könnten wir im ersten Quartal mit der weiteren Erörterung der Planungen für die Nordostumgehung rechnen. Ja, wir haben viel vor. Und ja, Usingen stemmt das. (Lacht) Und ich bin sicher, dass die Frankfurter Eintracht den Pokal wieder holt.

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