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Förster: "Wir haben nicht den Hauch einer Chance"

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Von: Alexander Schneider

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Bange Blicke nach oben: Thomas Götz und seine junge Kollegin Nora Walbrun (von links) haben keine besonders guten Nachrichten für die Teilnehmer der rund zweieinhalbstündigen Exkursion durch den Taunuswald.
Bange Blicke nach oben: Thomas Götz und seine junge Kollegin Nora Walbrun (von links) haben keine besonders guten Nachrichten für die Teilnehmer der rund zweieinhalbstündigen Exkursion durch den Taunuswald. © Schneider

Der Borkenkäfer killt inzwischen nicht nur Fichten, sondern auch andere Bäume, da er sich so rasant ausbreitet, dass seine eigentlichen Baumarten nicht mehr genug Platz bieten. Zudem befällt nun ein Pilz auch noch die Buchen.

"Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen." Dieser Satz wird dem Inder Rabindranath Tagore zugeschrieben. Der war Philosoph, hätte aber auch Förster sein können, hat er doch dessen Auftrag ziemlich genau beschrieben.

Auch Nora Walbrun, Assistenzförsterin im Forstamt Butzbach, weiß, worauf sie sich eingelassen hat, würde sich dieser Herausforderung aber jeder Zeit wieder stellen. Sie erkennt die sich der jungen Förstergeneration bietende Chance, einen Wald der Zukunft gestalten zu können, wohlwissend, dass sie das Endergebnis kaum selbst erleben wird.

Gemeinsam mit dem stellvertretenden Leiter des Hessischen Forstamtes Weilrod, Thomas Götz, lenkte sie am Samstag beim "Tag des Waldes" den Blick von 20 Interessierten auf einen Wald, der in Teilen schon keiner mehr ist und in den nächsten Jahrzehnten auch nicht mehr so aussehen wird, wie er das bisher getan hat. Besonders dramatisch ist das Waldsterben oberhalb des Hessenparks am Hang unterhalb der Saalburg hin.

Die Zahlen sind schockierend

Den meisten Teilnehmern war die Borkenkäferplage zwar bereits bekannt. Die Zahlen, die Götz und Walbrun nannten, schockierten die Gäste dann aber doch. "200 Borkenkäfer killen eine Fichte, ein Weibchen bringt 10 000 Käfer hervor, "dagegen haben wir nicht den Hauch einer Chance", sagt Götz während Walbrun nachlegt: Unter der Borke werde es eng, die Käfer fänden kaum noch Platz, die von ihnen angelegten Mutter- und Brutgänge, die an ein aufgeschlagenes Buch erinnern - deshalb der Name Buchdrucker - rückten immer näher zusammen. Inzwischen weiche der eigentlich auf Fichten spezialisierte Borkenkäfer schon auf andere Baumarten aus, "in der Not frisst der Teufel Fliegen und der Borkenkäfer Lärchen", so Nora Walbrun etwas sarkastisch.

Drei Hitzesommer in Folge habe es zuletzt im 18. Jahrhundert gegeben, sagte Götz. Grund ist der Klimawandel. Inzwischen wandele sich das mediterrane Klima in Mitteleuropa immer mehr ins kontinentale, bei steigenden Durchschnittstemperaturen und schwindenden Niederschlägen. Ob das mittelfristige Ziel, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu beschränken, gehalten werden könne, sei fraglich, dreieinhalb bis vier Grad seien möglich, "dafür haben wir noch kein Modell".

Götz ist aber auch zuversichtlich: "Die Kahlflächen bieten Blickachsen wie man sie noch nie hatte. In zehn Jahren ist das aber vorbei, dann wird wieder eine kleine Waldkulisse nachgewachsen sein."

Ein Ende der Borkenkäferkalamität ist noch nicht in Sicht, da droht mit dem Buchensterben schon die nächste Katastrophe, die für weitere Kahlflächen sorgen wird. Der Grund: Wassernot führt zur vorzeitigen Entlaubung, die Spätsommersonne lässt die ungeschützte Buchenrinde reißen, es entstehen Eintrittspforten für Pilze - der Baum stirbt. Einmal infiziert, gibt es für ihn keine Rettung. Oft fehlt durch die gerodeten Fichten auch seitlicher Lichtschutz, was den Prozess noch beschleunigt.

Die fetten Jahre sind vorbei

Um so mehr müsse man jetzt an die Wiederbewaldung denken, erläutern Götz und Walbrun das weitere Vorgehen. Es komme es darauf an, welche Baumarten gepflanzt würden. Auf die wegen schwindender Erträge bald mit Defiziten kämpfenden Waldbesitzer kämen Kosten in Millionenhöhe zu (Lesen Sie bitte auch "Zum Thema"): "Die fetten Jahre, in denen der Wald den Kommunen große Überschüsse beschert hat, sind für die nächsten 15 Jahre vorbei", warnt Götz davor, das Problem kleinzureden.

Bei Fichtenrodungen einfach auf die kostenlose Naturverjüngung zu setzen, sei der falsche Weg, erklärt Nora Walbrun, "es würden doch wieder nur Fichten nachwachsen". Man wolle sie nicht ausrotten, aber auf einen kleinen Anteil reduzieren. Man könne auch auf heimische Arten setzen, müsse die aber aus Osteuropa beziehen, wo sie sich über Jahrtausende ans Kontinentalklima angepasst haben. Geeignet seien schnellwüchsige Esskastanien, aber auch Lärche, Kiefer, Bergahorn, Tanne, Eiche und Wildkirsche. "Mindestens vier Sorten pro Fläche" ist die Vorgabe des Landesbetriebs Hessen Forst für seine Staatswaldflächen. Die Wiederbewaldungsstrategie kann so aussehen, dass man zunächst einen Vorwald aus Pionierbäumen, etwa Birken, aufwachsen lässt, in dessen Schutz sich die Baumarten, die die neue Waldgesellschaft bilden sollen, entwickeln können. Fichtenfreiflächen sofort neu zu bepflanzen, empfehle sich dagegen nicht, weil sich in den Baumstubben zunächst der junge Triebe liebende Rüsselkäfer für drei bis vier Jahre einnistet. as

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