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Hitzige Diskussion über Religion

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Der Islam gerät auf religiöser, gesellschaftlicher und politischer Ebene immer mehr in den Fokus. Bei einer Veranstaltung in Obernhain sollten nun die Grundlagen dieser Weltreligion vorgestellt werden – nach dem Vortrag wurde aber auch heftig diskutiert – über Gott und die Welt.

Von Felix Burghardt

Am Ende gaben sich alle Anwesenden dann doch die Hand. Referent und Zuhörer standen einige Minuten zusammen, um die Eindrücke des Meinungsaustausches gemeinsam Revue passieren zu lassen. Dieser versöhnliche Abschluss war nicht zwingend zu vermuten gewesen, nachdem es in der vorangegangenen Diskussion viel Gesprächsbedarf und durchaus verhärtete Fronten zur Frage der Rolle des Islam gegeben hatte.

Ausgangspunkt für die Kontroverse war ein Vortrag des Pfarrers und Erwachsenenbildners Carsten Koch, der zum Thema „Was wissen wir über den Islam?“ im Gemeindehaus der evangelischen Kirche Obernhain referierte. Der Oberhesse, der mittlerweile eine Gemeinde in Frankfurt-Höchst betreut, konnte auf mehreren Reisen in die islamisch geprägte Welt zahlreiche Eindrücke von der Religion selbst und ihrer heutigen Situation und praktischen Auslegung sammeln. Auf Einladung des Obernhainer Elternforums kam Koch nun in den Ortsteil.

14 Leute waren zu dem Vortrag erschienen, der nacheinander „Kult“, Gemeinschaft und Lehre im Islam beleuchten und begreifbar machen sollte. Koch wandte sich gleich zu Beginn an die Zuschauer: „Ich hoffe, dass Sie neue Kontakte knüpfen können und dass unsere muslimischen Mitbürger sagen werden: ,Wir fühlen uns verstanden’.“ In einer von zunehmend unterschiedlichen kulturellen Einflüssen geprägten Gesellschaft, wie in Deutschland, müsse auf gegenseitiges Verständnis und Toleranz hingearbeitet werden. „Ich nenne das die ,sich selbst integrierende Gesellschaft’: Das heißt, man lernt sich und andere besser kennen und bemüht sich, Verständnis füreinander aufzubringen“, so Koch.

Theorie und Praxis

Nach dieser Einleitung folgte ein durchaus interessanter Einblick in die Religion Mohammeds, der sowohl eine neue Sicht auf Grundlagen von Sitten und Geboten ermöglichte (etwa die sogenannten „Fünf Säulen des Islam“: Fasten, Pilgerfahrt, Gebet, Almosengabe und Glaubensbekenntnis), sich aber auch durchaus streitbarer Themen – wie zum Beispiel der Rolle der Frau und ihrer „Gleichheit“ im Islam – annahm. „Die Frau ist von der religiösen Praxis her im Islam nicht weniger geachtet als der Mann. Allerdings wird es in einigen Ländern durchaus so praktiziert, dass etwa vor Gericht die Stimme Mannes so viel wert ist wie die Stimme zweier Frauen, etwa bei Zeugenaussagen“, weiß Koch.

Ein Reizthema stellte die in einigen Teilen der islamischen Welt zu beobachtende Radikalisierung dar. Koch, der selbst 2008, 2011 (am Vorabend des „Arabischen Frühlings“) und 2015 in Ägypten war, sieht zwar – nach der gescheiterten Revolution – eine Verschlechterung der Situation in manchen von Muslimen dominierten Ländern, „aber wenn wir etwa das Christentum nur nach seinen radikalen Gruppierungen beurteilen würden und dadurch Rückschlüsse auf alle Christen zögen, müssten wir ja alle Fundamentalisten sein“.

Den von Einzelnen aus dem Publikum vorgebrachten Vorwurf, er lege den Islam und den Koran nach seinem Gutdünken aus, wies Koch zurück. „Sich Wort für Wort auf den Koran zu beziehen und dadurch, etwa über die Passagen, in denen zu Gewalt gegen Andersgläubige aufgerufen wird, auf den Islam insgesamt zu schließen, ist nicht möglich. In ebenso vielen Passagen werden Toleranz und Nächstenliebe gepredigt. Und auch in der Bibel finden sich Passagen, die an sich nicht besonders friedfertig sind, aber eben der Interpretation bedürfen.“

Nach etwas über zwei Stunden kam die Diskussion schließlich doch zum Ende. Trotz der doch teils recht großen Meinungsverschiedenheiten zeigten sich die Zuhörer und Carsten Koch mit der Diskussion zufrieden. „Ich würde auf jeden Fall sagen, dass das sehr gewinnbringend war“, meinte der Wehrheimer Pfarrer Matthias Laux. Und Koch ergänzte: „Eigentlich ist es ja schön, wenn man lebhaft diskutiert und sich nicht immer nur alle einig sind.“

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