Jagd verängstigt Spaziergänger
Jagen an einem Sonntag und dann noch unweit des Usinger Friedhofs? Eigentlich nicht üblich, aber am Sonntag passiert. Zum Ärger von Spaziergängern, aber nicht zur Verwunderung des für das bejagte Gebiet zuständigen Jagdpächters.
Mit Unverständnis und Wut haben Usinger Spaziergängerinnen auf eine Jagd hinter dem Friedhof Usingen in Richtung Wernborn reagiert. „Was geht wohl in den Köpfen der Menschen vor, die am Sonntagmittag, kurz nach 12 Uhr, mit ihren Vans eines der wenigen, nicht von belebten Autostraßen durchschnittenen Usinger Ortsrand-Erholungsgebiete befahren, ihre Fahrzeuge in der Gemarkung abstellen und ihre Jagdgewehre zücken?“, schreibt etwa Gabriele Frickenschmidt aus Usingen gestern. „Der beliebte Wanderweg zwischen Usingen-Friedhof und Wernborn war zu dieser Zeit von Spaziergängern mit Kinderwagen oder Hund, von Joggern, Radfahrern und anderen Erholungssuchenden bevölkert. Ohne Vorwarnung bewegten sich die selbst durch Warnwesten geschützten Jäger über die Felder und trieben das flüchtende Wild in Richtung Bundesstraße im Usatal. Vielleicht habe ich etwas missverstanden hinsichtlich jagdlichen Ethos’ und Jägerehre, aber muss man diesen Sport am Sonntagmittag in dieser Weise ausüben?“, fragt die Usingerin Gabriele Frickenschmidt.
Auch TZ-Leserin Nicole Beyeler war mittags auf dem Feldweg unterwegs, um einen Sonntagsspaziergang zu machen. „Man hörte Schüsse, Rufe, Gebelle und sah die zielgerichteten Gewehre“, schreibt Beyeler.
Sie habe eigentlich nach Entspannung gesucht auf dem Feld, die sei dann schnell dahin gewesen. „Ich bin oberhalb der Senke stehengeblieben und drehte aufgrund der Jagd wieder um.“
Eine junge Frau mit Hund habe es ihr gleich getan. Der Hund habe große Angst vor den lauten Schüssen gezeigt, hat Beyeler beobachtet.
„Auch weitere Spaziergänger drehten um und zeigten sich sehr erbost und mit Unverständnis über das besagte Jagdvorgehen.“
Keine kritischen Fragen
Ganz anders schildert wiederum Jagdpächter Jens Wohlfahrt den Sonntagmittag. Er war zwar selbst nicht dabei bei der Jagd, ist aber zuständig für das 560 Hektar große Revier Eschbach II, das am Bremthaler Quarzitwerk endet.
„Es war alles sehr friedlich und es wurden den Jägern auch keine kritischen Fragen gestellt“, so Wohlfahrt, der in Frankfurt-Eschborn lebt und in Usingen jagt. Angemeldet gewesen sei allerdings eine Ansitzjagd, da sitzt der Jäger eigentlich auf einem Hochsitz. Das hätten die drei Jäger und zwei Jagdscheinwärter zwar auch getan, aber zuvor noch drei Füchse auf dem Feld erschossen. „Es sind vielleicht fünf, sechs Schrotschüsse gefallen“, sagt Wohlfahrt. Die beiden Jagdscheinanwärter in orangefarbenen Westen hätten wiederum für die Absicherung gesorgt und auch Nachfragen beantwortet – wenn es welche gegeben hätte, so Wohlfahrt.
Klaus Pöhlmann, Vorsitzender der Jägervereinigung Usingen, hört am Montagvormittag zum ersten Mal von der Jagd zwischen Usingen-Friedhof und Wernborn. „An einem Sonntag und dann auch noch bei dem schönen Wetter zu jagen, war vielleicht ein bisschen ungeschickt“, sagt Pöhlmann. „An einem Sonntag zu jagen ist generell unüblich, aber nicht verboten, man sollte allerdings nicht unbedingt Spaziergängern in die Quere kommen“, so der Merzhäuser. Dem pflichtet auch Jagdpächter Wohlfahrt bei: Es ist unüblich, aber nicht verboten.
Und warum wurde überhaupt gejagt? „Weil die Jäger wochentags keine Zeit dazu hatten. Dazu kommt, dass noch Schnee lag, das ist für die Optik wichtig“, sagt Wohlfahrt.
Nicht glücklich findet es Pöhlmann, wenn keine Warnschilder aufgestellt würden. „Man sollte die Jagd kenntlich machen, es aber nicht zu machen ist kein Vergehen“, sagt Pöhlmann. Andererseits seien die Jäger an ihren Warnwesten deutlich zu erkennen, die Spaziergänger also durchaus gewarnt gewesen, so Pöhlmann und Wohlfahrt.
Allerdings nimmt der Jägervereinigungsvorsitzende die Jäger auch in Schutz. Morgen endet die Jagdsaison, dann beginnt die Schonzeit für das Wild. „Die Abschusspläne beinhalten amtlich vorgegebene Zahlen, wie viel Wild bis zum Beginn der Schonzeit gejagt werden sollte, diese versuchen die Jäger so gut es geht zu erfüllen“, so Pöhlmann, um die schwierige Balance zwischen gesetzlichen Vorgaben und Erholungsbedürfnis der Sonntagsspaziergänger zu verdeutlichen. „Schwarzwild etwa muss wegen der von Polen näher an Deutschland gerückten Schweinepest scharf bejagt werden.“