Mobilität heißt Teilhabe

Kommunen setzen auf unterschiedliche Angebote und hoffen auf einen Bürgerbus
Usinger Land -Wer im Usinger Land kein Auto besitzt und nicht in der Nähe einer Taunusbahn-Station wohnt, hat Probleme, wenn er zum Arzt muss oder etwas einkaufen will. Und das gilt nicht nur für Menschen, die in einem abgelegenen Weilroder Ortsteil oder in der Schmittener Hegewiese leben, sondern auch für Bürger, die in Stadtteilen von Usingen und Neu-Anspach wohnen.
Zwar sind überall Busse im Auftrag des Verkehrsverbandes Hochtaunus (VHT) unterwegs, aber auf die muss man mitunter lange warten. Taxi und Mini-Car gibt es auch, aber das kostet. Wer zum Beispiel von Neu-Anspach nach Usingen möchte, zahlt mit einem Taxi rund 17 Euro, mit einem Mini-Car wird ein Festpreis von 14 Euro erhoben - wie die Rückfrage bei einem Anbieter aus Usingen ergab. Bleibt noch das Anruf-Sammel-Taxi (AST), das vor allem in kleineren Kommunen im Usinger Land in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) integriert ist und auf manchen Linien und zu manchen Zeiten - zum Beispiel in den späten Abendstunden - die Busse ergänzt.
Betroffen von einer eingeschränkten Mobilität sind aber nicht nur Senioren, wie viele meinen, sondern auch junge Leute und Familien, in denen nicht mehr wie früher zwei oder drei Autos zur Verfügung stehen, sondern nur noch eins.
In der nördlichsten Usinger-Land-Kommune Grävenwiesbach, die immerhin über zwei Taunusbahn-Stationen - in Grävenwiesbach und Hundstadt - verfügt, gibt es außerhalb des ÖPNV lediglich ein Transport-Angebot für ältere Menschen mit dem Bus des Fördervereins der Seniorenarbeit. Außerdem existiert dort der vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken gesponserte Boni-Bus der katholischen Kirchengemeinde St. Konrad, mit dem Menschen zu Veranstaltungen und Gottesdiensten gebracht werden.
Mitfahrbänke in Weilrod und Wehrheim
In Wehrheim (zwei Taunusbahn-Stationen im Kernort) gibt es die sogenannten Mitfahrbänke, bei denen Menschen auf Autofahrer hoffen, die sie mitnehmen. Außerdem existiert im Apfeldorf ein Kindergarten-Bus, der Mädchen und Jungen aus Friedrichsthal in ihre Kita bringt.
Mitfahrbänke gibt es auch in Weilrod, wo es genauso wie in Schmitten keinen Anschluss an die Taunusbahn gibt und die Entfernungen zwischen den einzelnen Ortsteilen bekanntlich besonders groß sind. Im Weiltal nutzt der Seniorenbeirat bei seinen Veranstaltungen für Ältere, die nicht mehr mobil sind, ein Busunternehmen. Außerdem bekommt er Unterstützung vom Diakonischen Werk, das einen Bus für bis zu acht Personen zur Verfügung stellt.
Kein Wunder also, dass so manche Kommune neidisch auf den Nachbarn blickt, bei dem bereits ein Bürgerbus unterwegs ist. Hierbei handelt es sich um ein vom Land Hessen („Miteinander in Hessen“) gefördertes Angebot. Dieses zeichnet sich dadurch aus, „dass ehrenamtliche Fahrer ein Fahrzeug auf Strecken lenken, die für eine regelmäßige Bedienung im ÖPNV wirtschaftlich nicht vertretbar sind“. Bürgerbusse sollen „bereits bestehende Mobilitätsangebote ergänzen und die Lebensqualität steigern“, heißt es.
Das ist im Usinger Land bereits in Schmitten und in Usingen, wo in der Kernstadt und in Wilhelmsdorf außerdem die Taunusbahn hält, der Fall. In der Feldberggemeinde hat - initiiert von der Bürgerstiftung Schmitten - im Dezember 2021 der Bürgerbus den Seniorenbus ersetzt. Hier wird das Angebot mit steigender Zahl der Fahrer, die über einen Beförderungsschein verfügen, sukzessive ausgeweitet. In Usingen fährt der Bürgerbus, der seit Ende vergangenen Jahres im Einsatz ist, dank sieben freiwilliger Fahrer dienstags und donnerstags durch die Kernstadt und die Stadtteile.
Auch in Neu-Anspach, wo in Anspach und in Hausen die Taunusbahn hält, träumt man inzwischen von einem Bürgerbus. In der Kleeblattstadt gibt es bislang nur das Amina-Taxi (Aktiv mobil in Neu-Anspach). Dieses Angebot wurde zwar kürzlich probeweise um einen Tag erweitert, allerdings richtet es sich ausschließlich an Senioren ab dem 65. Lebensjahr. Der Fahrpreis im Stadtgebiet von Neu-Anspach beträgt 2 Euro pro Person. Wer nach Usingen möchte, zahlt 3 Euro.
Das Taxi sei zwar notwendig, aber nicht hinreichend, findet Raphael Eckhard, der Vorsitzende des Seniorenbeirates, und fordert eine Verbesserung der innerörtlichen Mobilität. Denn: „Mobilität heißt Teilhabe.“ Er hat deshalb bereits angekündigt, sich gemeinsam mit seinen Kollegen für die Anschaffung stark machen zu wollen. „Wir wären bereit, so etwas mit zu organisieren.“ Und auch die Stadt ist bereits tätig geworden, wie Bürgermeister Thomas Pauli (SPD) kürzlich im Sozialausschuss berichtet hat. So habe sich der Leistungsbereich Familie, Sport und Kultur mit der Stadt Usingen in Verbindung gesetzt. „Um in das Förderprogramm aufgenommen zu werden, ist eine Konzeptentwicklung notwendig“, erläuterte der Rathauschef.
85 Fahrzeuge übergeben
Das stimmt. Und so, wie es derzeit aussieht, ist das Interesse an dem Angebot des Landes groß. Wie Martina Kocksch vom Bürgerbus-Projektteam auf Anfrage mitteilt, wurden von 2018 bis 2022 insgesamt 85 Fahrzeuge übergeben. Sie hat eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Das Programm wird bis 2026 weitergeführt, und es gibt eine neue Ausschreibung. Die Schlechte: Es gibt bereits eine Warteliste. „Man kann sich aber trotzdem bewerben“, informiert Kocksch. Wie viele Busse es geben wird, kann sie derzeit noch nicht genau mitteilen. Sie schätzt aber, dass es zwischen 20 und 30 sein werden, und sie rät allen Kommunen, die Interesse haben, ein gutes Konzept vorzulegen.
Dazu gehört zum Beispiel, dass Vereine, Initiativen und Kommunen ihr Interesse bekunden und ein entsprechendes Formular ausfüllen. Sie müssen hier unter anderem genau darlegen, warum sie einen Bürgerbus brauchen, wer diesen fahren wird, ob es Sponsoren gibt und welche Einrichtungen damit angefahren werden sollen. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.miteinander-in-hessen.de und dann unter den Reitern Bürgerbus und Förderprogramm.
Mobilität im Usinger Land
In den nächsten Ausgaben lesen Sie, wie es im Einzelnen um die Mobilität in den sechs Kommunen des Usinger Landes bestellt ist. VON ANJA PETTER