Nur noch Namen erinnern oft an die Wohnstätten

Durch Pest, Missernte und Kriege sind Orte wüst gefallen
Usinger Land. Das dauerhafte Vorhandensein von guten Lebensbedingungen war eine Voraussetzung für das sesshaft werden von Menschen. Ortsgebundener Ackerbau förderte die Entwicklung, und das wird für die hiesige Region für die Zeit ab 5000 vor Christus angenommen. Die Archäologen sprechen von Kulturstufen. Die ersten Siedler gehörten zur Linearbandkultur, die in Weilern eine soziale Gemeinschaft bildeten. Die Kelten bildeten feste stadtähnlich Siedlungsstrukturen, und die Hallstatt-Kultur hat hierzulande ebenfalls Zeugnisse hinterlassen, die auf langfristig angelegte Siedlungsstellen schließen lassen.
Zu städtischen Strukturen kam es erst in der Römerzeit und der ihnen nachfolgenden Zeit der Landnahme und Ausbauzeit im Frühmittelalter. Phasenweise wurde das Land erschlossen - günstige Siedlungslandschaften zuerst, ungünstige, zumeist höher gelegene später.
Dorfweil und Usingen sind am ältesten
Jetzt wurden Siedlungen neu gegründet, individuell benannt, womit sie den Gegenstand der Ortsnamenforschung begründeten. Urkundlichen Erstnennungen belegen ihren Bestand, sagen allerdings nichts über ihr exaktes Alter aus. Viele der heute bekannten Ortschaften gehen in das 8. Jahrhundert nach Christus zurück. Ältere reichen bis in die Zeit der Franken zurück, in der sich die germanischen Stämme zu großräumigen und politisch agierenden Verbänden zusammenschlossen.
Zu den noch bestehenden älteren Orten im Usinger Land gehören Dorfweil (772 n. Chr.) und Usingen selbst (802 n. Chr.).
Daneben finden sich in Dokumenten nur dem Namen nach, aber nicht mehr real existierende Orte. Die Historiker sprechen von Wüstungen beziehungsweise Ortswüstungen im Gegensatz zu Flurwüstungen, worunter aufgegebene agrarische Nutzflächen verstanden werden. Den Ortswüstungen soll an dieser Stelle in einer Serie einmal nachgespürt werden. Die Wüstungsforschung deckt sich methodisch weitgehend mit der Ortsnamenforschung, der Flurnamenforschung und schließlich prospektierenden Disziplinen wie der Archäologie.
"Kleinhausen" wurde nicht gefunden
Nicht immer führen Grabungen allerdings zum Erfolg, beziehungsweise bestätigen eine Vermutung. Beispielsweise ist für den Neu-Anspacher Ortsteil Hausen eine ältere Siedlung "Kleinhausen" bekannt. Bei den archäologischen Untersuchungen der Heisterbachtrasse nördlich des bestehenden Hausens konnten allerdings keine entsprechenden Belege gefunden werden.
Besonders häufig aufgegeben wurden während der Ausbauphase des ausgehenden 8. bis 10. Jahrhunderts entstandene Orte des Namenstyps "-hausen". Von diesen haben sich weitere im Usinger Land erhalten (Emmershausen, Merzhausen), mehr noch sind allerdings ausgegangen.
Ein wesentlicher Grund für das Verfallen, das oft in Wellen ablief, waren die Pestepidemie oder Phasen von Missernten verbunden mit ungünstigen Wetterereignissen, nicht zuletzt Kriegsverwüstungen, nach denen Siedlungen als solche nicht mehr lebensfähig waren.
Außerdem hatten größere Orte oder Städte eine Sogwirkung, die zum Bevölkerungsrückgang im Umland führten. Die Entstehung von Flurwüstungen ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Nicht zuletzt verschmolzen Orte wurden verlegt, aus infrastrukturellen Gründen beispielsweise.
Flurbezeichnungen geben Hinweise
Die Existenz von Wüstungen ist neben der Erwähnung in Urkunden auch durch ihre Angabe auf Karten belegt. Die Karten sind allerdings nicht mit heutigen Karten zu vergleichen, so dass eine genaue Lokalisierung ihre Grenzen hat.
Auch in Flurbezeichnungen haben ausgegangene Orte Spuren hinterlassen, wobei verschiedene Schreibweisen die Identifikation noch erschweren. Möglicherweise wurden länger brachliegende Orte auch revitalisiert. Darauf lässt besonders der Name Wüstems schließen, ein Ort im Emsbachtal, der mit weiteren Nachbarorten einst zum Kreis Usingen zählte. Wo also lag Dutmannshausen, Pardebach oder Hunengesäß? Nicht alles lässt sich noch klären, doch waren, nebenbei bemerkt, die ausgegangenen Siedlungen damals nicht viel größer, wenn nicht sogar kleiner als ein heutiges mittelgroßes Baugebiet am Rande eines bestehenden Ortes. Aufgegeben werden heutzutage Orte aber so gut wie nie, es sei denn sie sind Braunkohlebaggern im Weg oder werden von Fluten weggeschwemmt. Frank Saltenberger