Schwere Zeiten für Meister Lampe

Population der Feldhasen wächst, langfristig sieht es aber schlecht aus
Usinger Land -Meister Lampe, wie der Feldhase in der Fabelwelt genannt wird, läuft dem Spaziergänger nur selten über den Weg. Denn er ist meist nachts und in der Dämmerung unterwegs. In den Weilroder Revieren zieht er sich tagsüber gerne in den Wald zurück. Da kann der Waldbesucher dann schon mal die Blume, die weiße Unterseite des Schwanzes, aufleuchten sehen, wenn der Hase sich in seiner Sasse gestört fühlt und davon hoppelt.
Wolf Liebhold, ehemals Revierförster in Rod an der Weil und früher auch Vorsitzender der Niederwildhegegemeinschaft Weilrod/Grävenwiesbach, berichtet von den Hasenzählungen in diesem Revier. Denn Jagdpächter und Jagdaufseher als Mitglieder der Hegegemeinschaften zählen im Frühjahr und im Herbst die Hasenbestände. Dazu fahren sie nachts übers das Feld und leuchten mit Scheinwerfern über Wiesen und Äcker. „Das sollten im Herbst immer ein paar Hasen mehr sein als im Frühjahr“, sagt Liebhold, denn hier in Weilrod werden Hasen kaum bejagt, bis auf den einen oder anderen Sonntagsbraten.
Grüne Äcker helfen den Tieren im Winter
Die Hasenpopulation habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Waren es 2016 noch 10 bis 15 Hasen, die sich blicken ließen, waren es fünf Jahre später schon 30 und mehr Hasen. Aber die Zahl hänge von vielen Faktoren ab, so der ehemalige Förster. Einerseits habe die Fruchtfolge auf den Äckern Einfluss. Wenn der Acker im Winter grün sei, gebe es genug Futter und Deckung für Hasen. Sei der Acker braun, fehle dies.
Die Populationsstärke von Beutegreifern wie Fuchs und Marder, aber auch von Waschbären spiele zudem eine Rolle. Zurzeit seien die Füchse aufgrund der Räude etwas weniger geworden, das komme den Hasen zugute. Jetzt im zeitigen Frühjahr beginne wieder die Hochzeit der Hasen, das sei die richtige Zeit für die nächste Hasenzählung, so Liebhold.
Auch in der Wetterau, einem deutlich besseren Hasenbiotop, werden regelmäßig Zählungen vorgenommen. Auf Grundlage dieser werden dort die Abschussquoten festgelegt.
Die kleineren Verwandten des Feldhasen, die Kaninchen, gebe es nur dort, wo sie ihre Baue graben können. Bei Emmershausen habe es eine kleine Population gegeben. Diese sei jedoch aufgrund einer Seuche erloschen. „Einige regionale Vorkommen sind erloschen, eine Neubesiedlung hat bisher nicht stattgefunden“, sagt auch Dr. Katharina Westekemper, Dezernatsleitung N4 Wildbiologische Forschungsstelle im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. „Der Wildkaninchenbestand wird immer wieder durch auftretende Krankheiten wie die Myxomatose und das als Chinaseuche bezeichnete RHD-Virus dezimiert.“
Wildkaninchen stammen übrigens aus Südeuropa und Nordafrika und wurden von den Römern, aber auch in der frühen Neuzeit aus jagdlichen Gründen in Deutschland eingeführt. Der Feldhase dagegen ist eine auch ursprünglich einheimische Tierart. Laut dem Arbeitskreis Wildbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, der das hessische Niederwildmonitoring betreut, liegen die über die Zählung ermittelten Hasendichten im Usinger Land deutlich unter dem Durchschnitt der an den Zählungen beteiligten anderen Niederwildhegegemeinschaften in Hessen.
Immer weniger Raum vorhanden
„Für das Jahr 2018 lag die durchschnittliche ermittelte Hasendichte in Hessen im Frühjahr bei 13 Hasen je 100 Hektar Offenlandfläche und im Herbst bei 16 Hasen je 100 Hektar. Im Usinger Land entsprach die durchschnittliche Frühjahrsdichte 5,2 Hasen je 100 Hektar und die Herbstdichte 6 Hasen je 100 Hektar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Hasendichte in Hessen auf 14,3 Hasen je 100 Hektar im Frühjahr und auf 18 Hasen je 100 Hektar im Herbst. Für das Usinger Land lag sie im Durchschnitt im Frühjahr bei 7,5 Hasen je 100 Hektar und im Herbst bei 10 Hasen je 100 Hektar“, so Westekemper weiter. Für beide Arten ist über die Jagdstatistiken ein zum Teil drastischer langfristiger Bestandsrückgang zu erkennen.
Im Vergleich zum Feldhasen sind Wildkaninchen weniger häufig. Der Feldhase ist in der Roten Liste Deutschlands von 2020 in der Kategorie 3 als „gefährdet“ eingestuft. Obwohl der Feldhase gemäß den Kriterien der Liste noch häufig ist, ist der Trend langfristig stark abfallend. Kurzfristig kann der Bestandstrend basierend auf Monitoringdaten als stabil angesehen werden. Das Wildkaninchen ist in der Roten Liste in der Kategorie 5 „Vorwarnliste“ eingestuft. Der kurzfristige Trend ist stark abnehmend, und auch langfristig ist mit einer großen Abnahme zu rechnen.
Dabei führen die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit verbundene strukturelle Verarmung der Landschaft seit vielen Jahren zum Lebensraumverlust beider Arten. Der Verlust vieler Ackerwildkräuter sowie die Konzentration auf wenige Kulturpflanzen verringern das Nahrungsangebot für die beiden Pflanzenfresser. Zunehmende Infrastrukturverdichtung, höhere Verkehrsdichten und die Überbauung von geeigneten Lebensräumen wirken sich ebenfalls ungünstig auf die Populationsdichten aus.
Alleine, aber nicht verlassen
Der Feldhase, Tier des Jahres 2001 und 2015, hat sein natürliches Verbreitungsgebiet von Mittel- über Osteuropa und die Türkei bis in den Südwesten Sibiriens und den Nordwesten der Mongolei hinein. Offene und halboffene Landschaften wie lichte Wälder, Steppen, Dünen und die Agrarlandschaft mit Hecken, Büschen oder angrenzenden Wäldern sind sein liebstes Biotop. Die außerhalb der Paarungszeit als Einzelgänger lebenden Tiere ruhen am Tag in einer Sasse genannten, flachen, meist gut gedeckten Mulde. Bei Gefahr drücken sie sich bewegungslos an den Boden und ergreifen erst im letzten Moment die Flucht. Feldhasen erreichen dabei über kurze Distanz bis zu 70 Kilometer pro Stunde und springen bis zu 2 Meter hoch. Die Weibchen können drei- bis viermal im Jahr Junge bekommen, meist sind es ein bis fünf schon behaarte Junge, sogenannte Nestflüchter. Die Junghasen bleiben allein, aber nicht verlassen und sollten von Menschen weder angefasst noch mitgenommen werden. Die Häsin kommt nur ein- bis zweimal am Tag zum Säugen. VON SABINE NEUGEBAUER