Umgehung: Nächster Schritt frühstens im Juni

Fachbüros sind überlastet, neue Vorgaben sind zu erfüllen - Hessen Mobil rechnet mit Klagen
Die gute Nachricht zur Usinger Nordostumgehung: Es geht voran. Die schlechte: langsam. Diese Zeitung hat bei der Straßenverkehrsbehörde Hessen Mobil den aktuellen Sachstand abgefragt und immerhin neben der aktuellen Lage auch etwas zu einer groben Zeitplanung erfahren.
Schon seit 2020 wurde die Offenlegung der Planung angekündigt - mehrmals -, aber stattgefunden hat sie auch bis 2023 nicht. Warum, das konnte der Sachgebietsleiter von Hessen Mobil deutlich erläutern. „Bedingt durch interne Umstrukturierungen wurde die Erwiderungsbearbeitung der Einsprüche der ersten Offenlage an ein Fachbüro vergeben“, sagt Canel Altintop. Die Vergabe habe sich aufgrund der Auslastung der infrage kommenden Büros erheblich verzögert. Die erforderliche Erbringung des Fachbeitrages nach Wasserhaushaltsgesetz und dessen Überarbeitung „konnte erst nach Ermittlung erforderlicher Parameter zum Grundwasserkörper erfolgen“. Die Überarbeitung des Fachbeitrages laufe also derzeit.
Aufwendiger Wasserschutz
Zum Sachstand der Planung gibt’s nicht viel Neues: „Die Planung befindet sich nach wie vor in der Phase Genehmigungsentwurf.“ Aber: Bedingt durch neue Rechtsvorgaben, insbesondere im Klima- und auch Gewässerschutz, wurde der Fachbeitrag Wasserhaushaltsgesetz erforderlich. „Hieraus ergeben sich zudem weitere Änderungen aufgrund anzupassender Entwässerungseinrichtungen und somit der Grunderwerbsunterlagen sowie der Unterlagen der Landespflege.“
Hatte Bürgermeister Steffen Wernard (CDU) beim Neujahrsempfang noch angekündigt, dass man den Erörterungstermin im ersten Quartal erwarte, so gab’s nun eine Korrektur: „Aufgrund der anzupassenden Unterlagen und der damit verbundenen erforderlichen erneuten Offenlage wird sich dieser Termin mindestens auf Ende zweites Quartal verschieben“, sagt Altintop. Aus der erwähnten erneuten Offenlage seien dann die sich daraus ergebenden Einwendungen und Stellungnahmen zu erwidern. Anschließend kann der Erörterungstermin stattfinden.
Fest stehen dürfte aber, dass sich die Finanzierung etwas geändert hat, denn die 2021 geschätzten Baukosten von 47 Millionen Euro sind angesichts der Preissteigerungen nicht realistisch. Zu einer neuen Kostenschätzung ließ sich aber niemand bewegen.
Usingen selbst hat keine Handhabe mehr, die ganze Sache zu beschleunigen: „Wir als Verfahrensträger sind bislang weitreichend durch die Stadt unterstützt worden, so auch bei sich ergebenden Grundstückssicherungen im Rahmen des Vorkaufsrechts. Derzeit sind durch die Stadt keine wesentlichen Unterstützungsleistungen erforderlich“, sagt der Sprecher.
Am aufwendigsten war für die ganze Planung übrigens der Fachbeitrag zum Wasserhaushaltsgesetz, denn hier war ein Monitoring der Gewässergüte als Grundlage nötig, das sich mindestens über ein Kalenderjahr erstrecken muss. Dieses Monitoring erfolgte bis Mitte 2022. Aber trotz Umplanungen, die vor allem von der Bürgerinitiative gefordert waren und erfolgten, erwartet Hessen Mobil auch künftig Widersprüche.
Warten auf Einsprüche
„Erfahrungsgemäß ist auch bei einer Umplanung im Sinne der eingebrachten Einwendungen und Stellungnahmen dennoch davon auszugehen, dass in einigen Fällen die - möglicherweise auch emotionale - Kritik aufrechterhalten wird. Daher ist auch ein Erörterungstermin hier das Instrument zur Schlichtung. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.“
Die Interessengemeinschaft gegen die Umgehungsstraße habe nach wie vor juristischen Widerstand angekündigt, sagt Altintop. Und die Abarbeitung der Einwendungen und Stellungnahmen in Verbindung mit den Anpassungen an die neue Rechtslage sei ein arbeits- und zeitaufwendiger Prozess, an dessen Ende eine rechtssichere Planung stehen müsse. Durch die zuständige Planfeststellungsbehörde zu fällende Entscheidungen zu dann noch offenen Widersprüchen seien derzeit nicht bewertbar.
Bereits die Nationalsozialisten planten Umgehungsstraße
Geschichte und Geschichten sind zwei Paar Schuhe. Doch bei der Planung für eine Usinger Umgehungsstraße liegen beide - also die verbriefte Historie und Anekdoten - ganz dicht beieinander. Doch der Reihe nach.
Tief im Taunus gibt es Zeugnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus, die zweifelsfrei bestens erforschte Geschichte darstellen. Dank des Lokalhistorikers Bernd Vorlaeufer-Germer sind die Geschichte des Hasselborner Tunnels und die Bunkeranlage Adlerhorst bei Langenhain-Ziegenberg im Usatal umfassend erforscht und geben einen Ein- und Überblick über die Militärstrategie der Nationalsozialisten.
Aber zwischen den Nationalsozialisten und der Ende der 1950er Jahre begonnenen Planung der Usinger Umgehung gibt es nun eine direkte Verbindung. Denn Rudolf Brehm hatte vor gut 15 Jahren eine Schnittmenge zwischen beiden entdeckt. „Tagtäglich geht so viel Geschichte verloren“, sagt der Usinger Apotheker bedauernd, der seit Jahren Postkarten mit historischen Usinger Stadtansichten sammelt. Im Jahre 2006 stieß er auf ein geschichtliches Dokument, dessen Inhalt in Usingen gänzlich in Vergessenheit geraten war - eine Landkarte aus dem Jahr 1935, auf der erste Planungen für eine Umgehungsstraße für Usingen aufzeigt sind.
Militärische Umgehung
Der geschichtsinteressierte Apotheker ersteigerte die Originalunterlagen aus der Zeit der Nationalsozialisten und stiftete die Mappe mit den konkreten Planungsunterlagen, Kostenvoranschlägen und einer Landkarte aus dem Jahr 1935 dem Usinger Stadtarchiv. Konkret besteht der Straßenverlauf aus zwei Abschnitten. Aus Richtung Bad Nauheim kommend zweigt diese auf Höhe der Shell-Tankstelle am Ortseingang von der B 275 links ab. Parallel zu dem in der dortigen Wiesenaue verlaufenden Stockheimer Bach sollte die Route unterhalb der Laurentiuskirche im Alten Kirchhof, über das Areal des heutigen Edeka-Marktes am Neuen Marktplatz und durch die Wiesen des Stockheimer Grundes um den Stadtkern herum geleitet werden.
Auf Höhe des heutigen Abzweiges von der B 275 zum Hattsteinweiher kreuzen die blauen Linien der geplanten Umgehung die dortige Bundesstraße und führen hinauf auf die nach Hundstadt und Grävenwiesbach führende „Weilburger Chaussee“ (B 456). Führt man den Verlauf dieser Umgehungsplanung aus den 1930er Jahren gedanklich mit den strategischen Planungen der Nazi-Zeit zusammen, fällt es dem Betrachter wie Schuppen von den Augen:
Die Umgehung hatte eine geheime militärische Bedeutung und war eingebunden in die militärstrategischen Planungen der Nationalsozialisten. Mit der 1935 geplanten Umgehung wäre eine direkte und schnelle Verbindung zwischen dem Hasselborner Tunnel und dem Adlerhorst möglich geworden.
Der schnurgerade verlaufende Eisenbahn-Tunnel zwischen Grävenwiesbach und Hasselborn war als bombensicherer Stellplatz für den aus Berlin eintreffenden „Führerzug“ gedacht. Von dort hätte der Autokorso mit Adolf Hitler und seiner Gefolgschaft ranghoher Militärs direkt und ohne Querung einer Ortschaft zu dem im Usatal bei Langenhain-Ziegenberg errichteten Führerhauptquartier „Adlerhorst“ geleitet werden können. Ebenso erhalten die Straßenplanung im Zusammenhang mit dem im Jahre 1936 bei Merzhausen gebauten Feldflugplatz „Schafweide“ und dem im Wald bei Hundstadt versteckt gelegenen Munitionslager eine klare Logik. VON ANDREAS BURGER UND MATTHIAS PIEREN
