Unternehmen: Staffelübergabe früh vorbereiten
Bei den monatlich stattfindenden Unternehmer-Gesprächen der Wirtschaftsförderung der Stadt Usingen steht für die interessierten Selbstständigen immer wieder das Thema ,Nachfolgeregelung’ im Mittelpunkt des Interesses. Im ländlichen Raum eine Herausforderung, bei der jedoch ein Experte aus Neu-Anspach zur Seite steht.
Von Mathias Pieren
Verpasste Chancen gibt es im Leben zuhauf. Der Zeitpunkt, an dem ein Unternehmer beginnt, über die Nachfolgeregelung nachzudenken, sollte nicht unendlich hinausgezögert werden.
Schließlich geht es in dieser Frage nicht nur um die eigene Zukunft und wirtschaftliche Absicherung des Unternehmers, sondern auch um die wirtschaftliche Perspektive des Unternehmens und die berufliche Zukunft der Mitarbeiter.
„Mit 60 sollten Unternehmer eigentlich ein klares Szenario entworfen haben, wie es mit dem eigenen Unternehmen weitergeht“, sagt Dieter Wandrey. Der Diplom-Volkswirt gibt bei den von der Stadt Usingen angebotenen (kostenlosen) Unternehmergesprächen kleinen und mittleren Familienbetrieben in Fragen der Nachfolgeregelung eine erste Orientierungshilfe.
„Keinesfalls werden dabei nur betriebswirtschaftliche, rechtliche und finanzielle Fragen berührt“, weiß der selbstständige Unternehmensberater. „Wenn das Unternehmen etwa innerhalb der Familie an die nächste Generation weitergegeben werden soll, kommt immer auch die Beziehungsebene mit ins Spiel.“
Was wollen die Kinder?
Traut der Unternehmer seinen Kindern überhaupt die Nachfolge zu? Oder ist der Wunsch der Nachfolge durch Familienmitglieder nur Vater des Gedankens und die Kinder sind dazu gar nicht in der Lage oder wollen den Familienbetrieb vielleicht gar nicht weiter führen?
Vernachlässigte Frage
„Deutschlandweit sind mehr als 90 Prozent aller Unternehmen Familienbetriebe. Für 100 000 steht die Nachfolgeregelung an“, zitiert der Diplom-Volkswirt seriöse Statistiken. „Doch etwa 40 Prozent der betroffenen Unternehmer vernachlässigt diese entscheidende Frage.“ Diese Vermeidungsstrategie erklärt sich der Unternehmensberater und Coach aus Neu-Anspach damit, dass die Betroffenen sich nicht der Frage stellen wollen, was für sie persönlich nach der Selbstständigkeit kommen wird.
„Im ersten Jahr unserer Unternehmergespräche im Usinger Rathaus wurde mir klar, dass es oftmals lediglich die Unwissenheit darüber ist, wie die Nachfolgeregelung überhaupt angepackt werden soll, die konkrete Schritte in der zentralen Frage verhindert“, berichtet Wandrey.
Die Unternehmensnachfolge-Regelung sei – logischerweise – eine völlig neue Herausforderung, die sich die Unternehmer zu stellen haben. „Doch diese Aufgabe gehört eben auch zu den Aufgaben, denen man sich als Selbstständiger stellen muss. Es geht schließlich ja nicht nur um die Zukunft des eigenen Lebenswerkes, sondern auch um die Mitarbeiter und die finanzielle Absicherung der eigenen Familie.“
Der Prozess der Nachfolgeregelung sei tatsächlich außerordentlich komplex. Deshalb sollten sich Unternehmer und Selbstständige für die Klärung der entscheidenden Fragen Zeit nehmen. „Die Unternehmensübergaben in Deutschland finden durchschnittlich im Alter von 65 Jahren statt. Das ist spät. In den Benelux-Ländern ist das Durchschnittsalter 55 Jahre. Da bleibt auch noch Zeit, anschließend andere Aufgaben wahrzunehmen – zum Beispiel als Berater“, sagte Wandrey. Der gesamte Prozess der Unternehmensnachfolge dauere rund fünf Jahre, um alle persönlichen, rechtlichen und auch wirtschaftlichen Fragen geklärt zu haben. Wandrey hat die Erfahrung gemacht, dass abnehmende unternehmerische Dynamik und die nachlassende Tatkraft für Investitionen mitausschlaggebend dafür seien, dass ein geeigneter Zeitpunkt für die Übergabe des Unternehmens verpasst wurde.