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Kult-Kneipen und legendäre Diskotheken: Das Sterben einer Gastronomie-Region

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In den 60er Jahren gab es im Altkreis Usingen eine rege Gastronomie-Szene. Viele Gasthöfe stellten ihren Betrieb jedoch ein.

Usingen - Noch in den 50er Jahren strotzte der Hochtaunus mit Angeboten für Touristen. Direkt nach dem Krieg kamen viele Urlauber in den Kreis Usingen, die im Taunus wandern gingen - was sich bei den etlichen kilometerlangen Wegen, auch heute anbietet. Müde Wanderer jedoch müssen irgendwo übernachten, essen und ihr Bier trinken. Dies ließ im Hochtaunus und gerade in der Region Schmitten dereinst die Hotels aus dem Boden schießen, sodass es in der Region damals über 20 Hotels, zahlreiche Kneipen und ein florierendes Gastgewerbe gab.

Nun, über 70 Jahre später, können Besucher froh sein, wenn sie in ihrem Ort überhaupt noch eine Gastwirtschaft finden. Viele frühere Kultkneipen, wie beispielsweise das Prinzenstübchen mit der Wirtin Mathilde Röder in Wehrheim, haben geschlossen. Und das immer aus dem gleichen Grund: Es gab keinen Nachfolger. So ging es nicht nur Kneipen in Wehrheim. Auch in Schmitten, Usingen oder Weilrod ereilte viele Gaststätten ein ähnliches Schicksal. Oft ist der Nachwuchs der Betreiber zum Studieren in die Städte gezogen und nicht wieder zurückgekommen. Gerade erst schloss in Niederreifenberg das nächste Gasthaus.

Betreiber in Usingen finden keine Nachfolger

Bekanntes Beispiel: Das Hotel Ernst in Schmitten, welches ja wegen des schleichenden Verfalls über Jahrzehnte in die Schlagzeilen kam, nachdem die Besitzer das Haus aus Altersgründen schließen mussten, und sich kein Nachfolger gefunden hatte. Aber seien wir mal ehrlich: Der Luftkurort kann die Menschen auch nicht mit einer attraktiven Ladenmeile locken, die zum Bummeln und Essengehen verlocken würde - die gibt es in Schmitten schon aufgrund der Schlauchform des Ortes schlichtweg nicht.

Andernorts waren andere Gründe dafür verantwortlich. Einige Lokale wechselten vielleicht einmal zu oft den Besitzer - bis jemand kam, der das Lokal oder die Kneipe gar nicht wieder eröffnete, weil es sich aufgrund der immer strenger werdenden Auflagen nicht lohnte. Aber auch immer größer werdenden Probleme mit den Anwohnern wurden einigen Häusern zum Verhängnis, beispielsweise dem ehemaligen „Tom Dooley“ in Wernborn, wo man zuerst Pommes mit Bratensauce aß und dann abrockte. Als die wilde Parksituation im Dorf die Spannung zwischen Discobetreibern und Anwohnern verschärfte, zog der Kultschuppen nach Usingen um.

Vom einstmals stolzen Hotel Ernst blieb zum Schluss lediglich eine verfallene Ruine und mit ihm ein Zeugnis von Spekulantentum übrig. Niemand hatte das Hotel damals übernehmen wollen, das Gebäude verfiel. Auch andere Gasthöfe im Usinger Land fanden keinen Nachfolger oder sie wurden Opfer der immer strenger werdenden Auflagen. Sie sollen Teil unserer neuen Serie sein. FOTO: Archiv
Vom einstmals stolzen Hotel Ernst in Usingen blieb zum Schluss lediglich eine verfallene Ruine und mit ihm ein Zeugnis von Spekulantentum übrig. Niemand hatte das Hotel damals übernehmen wollen, das Gebäude verfiel. © INKA FRIEDRICH

Der Nachfolger, das legendäre „Fun“, hatte später mit den typischen Problemen neuerer Disotheken zu tun: Nämlich mit einem Publikum, welches neben zu viel Alkohol auch Drogen mit sich brachte. Umsatzeinbußen nach Einführung des Nichtrauchergesetzes sowie das immer jünger werdende Publikum mit „Muttizettel“ und dementsprechend wenig Kaufkraft hat dann zur Schließung der einzigen Discothek im Usinger Land, beigetragen.

Hochtaunuskreis kein Publikumsmagnet

Sucht man nun nach Ursachen, gehört aber auch zur Wahrheit, dass man sich im Hochtaunuskreis zwar in einer ehemaligen Touristenregion befindet, es aber andererseits in der Region nur eine Handvoll Publikumsmagnete gibt. Die malerische Region lädt zum Wandern ein, Tagestouristen finden mit Lochmühle, Saalburg Hessenpark die drei Leuchttürme und erkunden malerische Innenstädte. Bestrebungen, die Region touristisch aufzupeppen und eventuell mehr als Tagestouristen anzulocken, wurden und werden immer wieder durch Einwände der Bewohner der Region verhindert.

Die Pläne für eine Sommerrodelbahn liegen bereits seit Jahren auf Eis und Pläne, eine Seilbahn (auch als Alternative für den Verkehr Richtung Feldberg und ins Rhein-Main-Gebiet) zu installieren, scheinen ebenfalls in weite Ferne gerückt. Sollten die Motorräder bald ganz aus der Feldbergregion verbannt werden, so fallen auch sie als Kunden weg. Eine Frisbee-Golf-Anlage in Grävenwiesbach blieb bei der Idee.

Glücklicherweise wird gerade die Beschilderung der Wander- und Radwege im Hochtaunus überarbeitet. Hier hat sich in den letzten Jahren tatsächlich so einiges bewegt. Das Beschilderungslayout wird einheitlich gestaltet, sodass es auch überregional erkennbar ist und man vom Hochtaunuskreis bis hinein in den Rheingau-Taunus wandern kann.

Fachkräftemängel belastet Gastro-Gewerbe zusätzlich

Auch die Schilder selbst werden mittlerweile ausreichend robust gestaltet - mit einem ernsten Hintergrund. Denn diese sind immer wieder Opfer von Vandalismus. Eine über die Maßen rege Kulturszene, die zahlreiche Besucher auch über Nacht anziehen könnte, gibt es nur in Form des Musikfestivals Allegro und eines regen Kulturkreises - doch dies wird zumeist nur von Einwohnern des Kreises besucht.

Glücklicherweise konnte der Skilift erhalten werden, er wird wenige Wochen im Jahr betrieben. Fällt Schnee, so fallen zwar zuhauf Bewohner des Rhein-Main-Gebiets in die Region ein, die diese aber schnell überfordern - denn es gibt nicht genug Parkplätze. Hinzu kommen die momentan allgegenwärtigen Straßensperren, die Besucher oftmals zu kilometerlangen Umwegen zwingen.

Darüber hinaus tragen zum Niedergang der Gastronomie sicherlich auch einige aktuelle Entwicklungen wie die Coronakrise, die fehlenden Fachkräfte, der Ukrainekrieg und die folgende Inflation bei, was dazu führt, dass das Geld momentan nicht locker sitzt. All dies macht es Gastronomen schwer. Und sollte die Mehrwertsteuer für Gastwirte nun angehoben werden, so wäre es das sichere Aus für etwa 16 000 Betriebe in Deutschland, mahnte die DEHOGA.

Fehlentscheidungen befeuern Entwicklung

Doch auch vor Ort getroffene Entscheidungen tragen eine Mitschuld an der Situation. Beispielsweise der Feldberggipfel: Nicht nur, dass die Renovierung der Gastwirtschaft deutlich länger gedauert hat, als erwartet. Noch vor zwei Jahren wurde die Eröffnung des frischrenovierten Feldberghauses mit dem Pächter Binding als kulinarisches Bonbon hochgelobt und der neu eröffnete Gastrotempel zum Spitzenausflugsziel deklariert.

Doch spätestens jetzt kommt die Ernüchterung bei Wanderern und Einheimischen: Genau in dem Sommer, in dem es keine Coronaeinschränkungen mehr gibt und man sich gemütlich auf einen lauschigen Abend im Biergarten des Feldberghauses freuen könnte, wird stattdessen die Gastronomie auf Frankfurts Hausberg zur besten Feierabendspeisezeit, nämlich genau um 18 Uhr, geschlossen. Zur Erinnerung: Das ist dann, wenn eigentlich Kohorten von müden Wanderern mit reichlich Hunger in die nächste Speisegaststätte einfallen würden. Es gibt auch Gegenbeispiele - in Usingen wurden in den jüngeren Jahren mit Bembel und Gretel oder Uwe und Uli auch zwei Gasthäuser eröffnet. (Inka Friedrich)

Einstige Gastronomie-Betriebe im Usinger Land

In unserer Sommerserie wollen wir deswegen ehemalige Gastronomiebetriebe in Erinnerung rufen sowie das Gastronomie-Sterben im Usinger Land und seine möglichen Ursachen ein wenig genauer unter die Lupe nehmen. Wer sich selbst noch lebhaft an eine ehemalige Gastronomie erinnert, der kann sich per Mail unter tz-usingen@fnp.de bei uns melden.

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