Rechte ernennen sich zu Beschützern eines Fastnachtzuges - und das gibt jetzt richtig Ärger

Die sogenannte "Schutzzone" will den Buchfinkenzug in Usingen am Sonntag bewacht haben und prahlt damit auf Facebook - ohne offizielle Genehmigung oder Anlass. Mit der Aktion hat sich die NPD-nahe Truppe ordentlich Ärger eingehandelt: Mit der Stadt aber auch mit dem Karnevalsverein.
Usingen - Wenn sich die Granden des Usinger Carneval Vereins (UCV) an einem Faschingsmontag treffen, dann geht’s normalerweise nicht um ernste Themen – höchstens um die Frage, wer die nächste Runde spendiert. Das war am Montagabend anders. Eher Krisenstimmung. Grund ist die NPD-nahe Vereinigung "Schutzzone", die den Usinger Buchfinkenzug als Plattform für Eigenwerbung nutzte.
Buchfinkenzug: Die Aktion war weder mit Verein noch Polizei abgesprochen
Mit roten Jacken und entsprechendem Emblem sind die Nazis in Facebook auf Fotos zu sehen, wie sie angeblich den Narrenzug bewachen. Und dies, so schreiben sie, auf Absprache mit den Veranstaltern. Mitnichten. Die braune Gruppe hat weder mit der Polizei noch mit dem UCV Kontakt aufgenommen, sondern das eigentliche bunte Spektakel für Nazi-Werbung genutzt.
Bürgerwehr "Schutzzone" weist sich fälschlicherweise als Ordnungsdienst aus
Und entsprechend sauer ist Vlado Katrusa als UCV-Chef über die Veröffentlichung auf Facebook. Denn dort tummeln sich die mit roten Westen befrackten Nazis munter in der Usinger Menge – als Ordnungsdienst „Schutzzone“ ausgewiesen. „Wir haben dieses krasse Lüge, dass die Schutzzonen-Mannen bei uns Wache schieben sollten, bereits an Facebook gemeldet.
Außerdem wurde die Polizei eingeschaltet.“ Denn klar sei: „Wir haben mit der Ordnungsbehörde, der Stadt und der Polizei ein Sicherheitskonzept erarbeitet. Und in diesem kommen die Nazis ganz sicher nicht vor. Das Konzept beschreibt, wer für was und wo zuständig ist, welche Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind und wo Fluchtwege bestehen.“
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UCV-Chef sauer: "Nazis kommen in unserem Sicherheitskonzept sicher nicht vor
Unter der Narrenkappe habe ganz sicher fast jeder einen Platz, nur diese Gruppe eben nicht. „Die haben die Fotos mit dem Umzug sehr geschickt inszeniert. Ich selbst habe keine gesehen und wir vom UCV und dem Ordnungsamt gehen davon aus, dass diese Gruppe lediglich die Fotos gemacht hat und dann wieder abgezogen ist.“ Ordnungsamtschef Hans-Jörg Bleher ist ebenfalls auf 180. „Die Darstellungen der Schutzzone im Zusammenhang mit dem Faschingsumzug in Usingen sind frei erfunden. Der Zug war vom Veranstalter top organisiert und von Polizei und Stadtpolizei entsprechend begleitet. Es gab vor, während und nach der Veranstaltung keine Vorkommnisse.“
Polizei in Usingen prüft den Vorfall mit der Bürgerwehr "Schutzzone"
Die Mitarbeiter der Schutzzone hätten sich während der Veranstaltung nicht geoutet und keinerlei sicherheitsrelevante Aufgaben übernommen. Sie seien im Getümmel der „Narrenschar“ nicht als Ordnungsdienst wahrnehmbar, „und es gab weder mit dem Veranstalter noch mit Ordnungsbehörde oder gar Landespolizei eine Kontaktaufnahme. Der Vorfall ist der Polizei bereits bekannt und wird geprüft“, sagte er.
Bürgermeister Steffen Wernard hielt sich kurz und knapp: „Alles Unsinn, was diese Schutzzonen-Helfer posten. Niemand hat sie mit einem Sicherheitsdienst beauftragt.“ Polizeisprecher Ingo Paul betonte, dass die Polizei inzwischen involviert ist und aufgrund der Fotos in Facebook versuche, die entsprechenden Personen zu identifizieren.
Polizei: Die Gruppe ist hessenweit bekannt
„Unseren Kollegen von der Landespolizei waren beim Zug dabei, haben aber vor Ort die entsprechenden Herren nicht gesehen.“ Sehr wahrscheinlich habe die Schutzzone lediglich die Fotos zur Eigenwerbung gemacht. „Die Gruppe tritt immer wieder in ganz Hessen mit solchen Aktionen auf.“ Ob die ganze Sache strafrechtliche Folgen habe, das müsse nun erst geprüft werden. „Wir gehen davon aus, dass die auf den Bildern gezeigten Personen aus dem Umfeld von Usingen kommen“, so Paul.
Nachdem sich am Wochenende auf eine AfD-Ortsgruppe in der Buchfinkenstadt gebildet hatte, stellt sich die Frage, ob ein Rechtsruck durch die Stadt geht. Katrusa vom UCV wehrt ab: „Ich bin selbst ein vor 18 Jahren aus Kroation zugezogener Neubürger. Und eine so offene und bunte Stadt wie Usingen habe ich sonst nicht erlebt. Wie sonst hätte ich als Ausländer in einem Traditionsverein, der Brauchtum pflegt, mit 100 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt werden können?“ Man müsse nur in Vereine schauen, wie sich die Mitglieder zusammensetzten: „Aus allen Herren Länder sind dort Bürger vertreten. Einen Rechtsruck in Usingen gibt es nicht.“
Erst neulich hat ein zu unbedarfter Umgang mit Facebook eine hessische AfD-Politikerin das Landtagsmandat gekostet.
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