Usingen: 30 Minuten Musik für die Nachbarschaft - Nicht jeden freut das

Musik hilft in der aktuellen Corona-Krise. Die fröhlichen Buchfinken aus Usingen proben montags draußen. Das gefällt nicht jedem.
- Bad Die Fröhlichen Buchfinken probt in Usingen immer montags
- Während der Corona-Krise haben sie ihre Proben ins Freie verlegt
- Die Meinung zur Musik ist bei Anwohnern umstritten
Usingen - Derzeit müssen die Menschen überall auf Kunst und Kultur verzichten. Sänger proben für sich, Musiker spielen online über Streaming-Dienste, doch all das ersetzt nicht den Charme von live gespielter Musik. Davon sind die Dr. Klaus-Dieter Bernert und seine Ehefrau Dr. Monika Bernert sowie Liane und Matthias Göttlich überzeugt. Als fröhliche Buchfinken sind sie die Haus- und Hofband des Usinger Carneval Vereins (UCV) und proben einmal in der Woche im Bernertschen Haus in der Albert-Franke-Straße.
Usingen: Musik soll Trost spenden
Doch seit drei Wochen haben die vier Musiker ihren kleinen Probenraum nach draußen in den heimischen Garten verlegt. "Die Menschen spielten von Kirchtürmen Trompete, andere musizieren vor Altenheimen, einfach weil Musik in den einsamen Zeiten Trost und Kraft spendet", weiß Monika Bernert.
Deshalb haben sich die Fröhlichen Buchfinken seit Ostern entschieden, ihre wöchentliche Probe in den heimischen Garten zu verlegen. "Da können wir bequem genügend Abstand halten", sagte Monika Bernert.
Eine weitere Intention daran sei, auch den nächsten Nachbarn eine Freude zu bereiten, denn gerade in ihrer Straße würden einige ältere Menschen auch alleine leben, die nicht mehr vor die Tür kämen. "Mein Mann ist krank und kann nicht raus", erzählte eine direkte Anwohnerin am Montagabend. Die Musik sei für ihn jede Woche etwas Besonderes, und auch sie selbst erfreue sich an den Liedern.
Musik in Usingen: "Niemand soll extra vorbei kommen"
Ebenso begeistert zeigten sich auch die unmittelbaren Nachbarn in der Straße, die ans Fenster gingen und zusahen, Platz in ihrem Garten nahmen oder auf dem Gehweg in gebührendem Abstand die halbe Stunde genießen, in der die Buchfinken spielen, "das ist für uns beide immer etwas Besonderes", so die Meinung. Nahezu die ganze Albert-Franke-Straße entlang standen Menschen in Gärten, um zu lauschen.
Dass sie jeden Montag um 18.05 Uhr nach dem Glockenläuten spielen, daraus machen die Buchfinken keinen Hehl. Im Gegenteil. UCV-Pressesprecher Roman Streifinger filmte die Probe in gebührendem Abstand, um sie live ins Netz zu stellen. "Bei uns muss niemand vorbeikommen, das sagen wir auch ganz explizit", betonte Klaus-Dieter Bernert. In den Genuss der live-Musik würden so ausschließlich die Nachbarn kommen und auch immer nur maximal eine halbe Stunde. Doch die besten Absichten sind nicht jedermanns Sache.
Polizei in Usingen: Anwohner beschweren sich über Musik
Das zeigte sich bereits vor einer Woche, "da kam die Polizei, weil sich Anwohner über die Lautstärke beschwert haben", erzählte Monika Bernert. Also hieß es die Lautstärke drosseln, und sie durften weiter spielen. Um aber künftigen Stress zu vermeiden haben sich die Buchfinken bei Bürgermeister Steffen Wernard (CDU) um eine Ausnahmegenehmigung bemüht. "Doch so etwas im Rahmen des Emissionsschutzes kann nur der Hochtaunuskreis erteilen", sagte Wernard auf Nachfrage dieser Zeitung. Grundsätzlich gelte es Lärm zu vermeiden, und vor allem dürfe kein Veranstaltungscharakter entstehen. Die gute Absicht hat aber auch der Bürgermeister erkannt, denn er riet zum leisen Weitermachen. Doch was heißt leise? Da wird's dann schon schwierig, weshalb sich die Buchfinken nun an einem Rasenmäher orientiert haben. Der bringt es auf 80 Dezibel "und genauso laut haben wir die Boxen eingestellt", versicherte Klaus-Dieter Bernert.
Usingen: Band musste Musik unterbrechen
Um so überraschter aber auch verärgerter waren die Buchfinken und Nachbarn, als am vergangenen Montagabend nach zwei Minuten Spielzeit das Ordnungsamt um die Ecke kam. Und schnell entwickelte sich ein Wortduell zwischen Zaungästen, Stadtpolizei und den Buchfinken, die ihr Spiel erst einmal unterbrechen mussten. Am Ende blieb es bei dem Hinweis leiser zu spielen und der Aufnahme von Personalien. Magistratsmitglied Gerd Seidenstücker (FDP) zeigte kein Verständnis für das Vorgehen der Stadtpolizei, die dieses Mal "in der Gegend war", wie Wernard erklärte, aber keine Beschwerden von Anwohnern vorliegen hatte. Und so gab es dann am Ende mit einiger Verspätung dann doch noch eine halbe Stunde Musik und Freude, wobei die Buchfinken zeigten, dass sie viel mehr können als Karneval. Und obgleich der Puls deutlich angestiegen war, meisterten sie die 30 Minuten ganz professionell. "Wir bitten die Menschen zu Hause zu bleiben und nicht zu kommen", sagte Klaus-Dieter Bernert. Deshalb gebe es den live Stream über den UCV-Kanal, wo ihn Zuschauer von überall her verfolgen können, das nächste Mal am kommenden Montag (04.05.2020), um 18.05 Uhr.
Von Tatjana Seibt
Für etwas mehr musikalische Freude sorgt hingegen Comedian Teddy Teclebrhan - mit seinem Corona-Hit stürmt er derzeit die Youtube-Charts.