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Usinger Ehepaar hilft jungen Seelen

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Birgit und Christoph Gasch sind ganz normale Taunusbürger. In der Feldberggemeinde Schmitten zu Hause, arbeiten sie in Vereinen mit und genießen das dörfliche Leben. Es ist ein friedliches Paar.

Birgit und Christoph Gasch sind ganz normale Taunusbürger. In der Feldberggemeinde Schmitten zu Hause, arbeiten sie in Vereinen mit und genießen das dörfliche Leben. Es ist ein friedliches Paar.

Kommt aber das Thema auf die sogenannten Geschwisterkinder, dann blitzen die Augen, die Gesten sind weit ausholend, die Redefluss kaum zu stoppen. Die beiden sind Motor einer Initiative im Taunus, die sich um die Geschwister krebskranker Kinder kümmert. Um jene, die mit dem Ausbruch der Krankheit kaum noch eine Rolle in der Familie spielen, denen die Aufmerksamkeit fehlt, die ihnen eigentlich zustehe würde. Und die aus der für Kinder unerträglichen Last, mit einem Schlag erwachsen sein zu müssen, Verantwortung zu übernehmen, einzuspringen, wenn die Eltern mal keine Zeit haben, in eine Situation kommen, mit der sie nicht fertig werden. Nicht fertig werden können.

Die Partner

Das Thema fiel dem Ehepaar Gasch nicht in den Schoß. Es war Erhard Schubert vom Verein „Wir helfen“ aus Grävenwiesbach, der Christoph Gasch von diesen Kinder berichtete und mit seinen Worten eine große Hilfsaktion vom Zaun brach (Lesen Sie dazu bitte auch „Zum Thema“). Mit eine Päckchenaktion – Bürger spenden ein Weihnachtspäckchen, das einen Inhalt von mindestens drei Euro haben sollte, die dann fürs Projekt verkauft werden – helfen die Gaschs.

Sie suchten sich Partner. Und fanden in Thomas Ziegler vom Frankfurter Kinderbüro einen solchen. Der ambulante Kinderhospizdienst Frankfurt-Rhein-Main sowie die Kinder und Jugendmedizin der Uniklinik drehen mit am großen Rad, das unterm Titel „ . . . mal ganz viel Ich“ Geschwisterkinder aus dem Schatten holt.

„Schreiben Sie nur nicht Schattenkinder, das ist eigentlich ein schlimmer Ausdruck“, meint Ziegler. „Geschwisterkinder trifft es einfach besser. Die Kinder und Jugendlichen haben genug zu leiden. Nur die zweite Geige in der Familie, Mobbing in der Schule und niemand, der auf ihre Sorgen, ihre Bedürfnisse eingeht.“

Ziegler, der mit seinem Amt der Stadtverwaltung angegliedert ist und mit zwölf Mitarbeitern das wohl stärkste Team in Deutschland als Anwälte dieser Kinder stellt, was öffentliche Einrichtungen betrifft, hat die Organisation und Planung der Hilfe übernommen. Gaschs sorgen mit fürs Geld. „Das ist allerdings schon ein Problem“, meint Ziegler. „Während alle an die Kinderkrebsstation spenden oder an die Kinderhospize, denkt niemand an die Kinder, die von der Krankheit ihres Bruders oder der Schwester ebenfalls betroffen sind.“ Geld ist also ein großes Thema, denn die eingeschworene Gemeinschaft möchte die Kinder und Jugendlichen herausholen, ihnen einige Tage normalen Kinderlebens zurückgeben, was ihnen genommen wird. Unter anderem schicken sie die Kinder zu einer Freizeit nach Handloh, einem bayerischen Weiler, der ideal geeignet ist, Aufregungen zu vermeiden. Man könnte es auch deutlicher formulieren: Da will niemand eine Autopanne haben. Mobiltelefone sind dort auch nur schmückendes Beiwerk.

Genau richtig, um den Kindern die Ruhe zu bieten, die benötigt wird. Und „den Auslauf“, der Kindern zusteht – und etwas mehr. „Ja, klar. Die lassen bei dieser Freizeit die Sau raus. Es staut sich ja so viel auf. Wäre das eine normale Freizeitgruppe, würde ich die ersten schon nach einem Tag heimschicken“, schmunzelt Ziegler.

Wir verarbeiten die Kinder in Handloh ihre schwierige Situation? „Sehr unterschiedlich. Manchmal möchten sie reden. Oder sie ziehen sich ganz zurück. Manche sind aggressiv, andere hyperaktiv. Jedes Kind reagiert eben individuell auf Problemsituationen. Und die Betreuer stellen sich darauf ein. Aber allen eigen ist, dass sie alleine mit der harten Konfrontation der Krankheit nicht fertig werden.“

Ferienfreizeit mit Fußball, Baden und Lagerfeuer? Ja und Nein. Denn einen großen Teil des Urlaubs vom Alltag verbringt die Gruppe mit einem Trickfilmprojekt. Ein eigenes Studio der Maintaler „Trickfilmkinder GmbH“ steht ihnen in dem ablegenen Bauernhof zur Verfügung – und Fachleute. Die Regisseurin Simone Jung – bekannt durch ihre zahlreichen und ausgezeichneten Reportagen – drehte dort den Streifen „Drei Wünsche von Handloh“ (), der im November in die Kinos kam. Sehenswert!

Auf Film festgehalten

Und so haben die Kinder die Möglichkeit, ein Stückchen ihrer Seele auf Zelluloid zu bannen, wenn sie schon nicht darüber reden können. „Natürlich sind auch Psychologen dabei. Doch nicht sie gehen auf die Kinder zu, sondern umgekehrt. Unsere klare Direktive bei der Freizeit: Wir reden nicht über das Problem, es sei denn, die Kinder wollen“, sagt Ziegler. Aber natürlich würden die Kinder auch untereinander ihre Situation vergleichen und reden. „Dabei halte wir uns raus. Sie sollen den Ballast von der Seel schubsen, für eine kurze Zeit Kind sein dürfen oder das Problem verdrängen.“

Kinderhospiz und Uniklinik sind natürlich mit im Boot, um die Kinder ansprechen zu können. „Ich denke, dass in Deutschland über 150 000 Betroffene bis 18 Jahre mit diesem Problem leben“, meint Ziegler.

Und so hart es klingt: 70 Prozent aller Leukämie-erkrankte Kinder finden durch entsprechende Behandlung in den Alltag zurück, aber das Geschwisterkind nicht, so Ziegler. „Schon gar nicht, wenn dann Bruder oder Schwester auch noch sterben.“ Sie müssten damit leben. „Für die kranken Kinder und ihre Eltern hält die Gesellschaft eine Vielzahl von Hilfsangeboten parat. Aber wo bleiben die Geschwisterkinder. Das Thema muss endlich groß an die Öffentlichkeit“, fordert Ziegler vehement. „Ein Studie zeigt, dass Geschwisterkinder ohne Hilfe in späteren Jahren deutlich auffälliger sind.“

Keine Eintagsfliege

Schön, wenn die Initiative Kinder zehn Tage aus dem Trott entführt. Und dann? „Das ist kein Einmal-Projekt, Handloh nutzen wir zum dritten Mal in diesem Jahr. Aber natürlich bleiben wir an den Kindern dran. Gerade dafür steht unser Kinderbüro. Aber alles befindet sich in den Kinderschuhen. Wir suchen Partner, die uns unterstützen. Das Rhein-Main-Bildungsprojekt überlegt, regelmäßige Treffs einzuführen. Doch am Ende muss alles finanziert werden. Wir wollen die Öffentlichkeit sensibilisieren, die Geschwisterkinder nicht aus den Augen zu verlieren.“ Derzeit erarbeitet das Kinderbüro ein Medienpaket für Schulen und Kitas.

Lust, zu helfen? Dann freut sich das Kinderbüro auf einen Anruf unter (0 69) 21 23 90 02, Infos auch unter . Und wer die Gaschs unterstützen möchte, der wählt für mehr Infos die (0 60 84) 95 12 85.

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