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Usinger Allgemeinmediziner Dr. Valentin Palau: Viele nehmen die Risiken nicht ernst

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HOCHTAUNUS - (inf). Vier Wochen Lockdown. Langsam, ganz langsam gehen die Infektionszahlen wieder zurück. Trotzdem bleibt der Sport in Sportstätten noch verboten, die Gastronomie bleibt weiterhin geschlossen und Kulturveranstaltungen fallen flach, während die Bundesregierung über eine weitere Verlängerung der Corona-Maßnahmen nachdenkt. Und doch dürfen Kirchen und Gotteshäuser noch Gottesdienste abhalten.

Gerade Kirchen sind aber zumeist Orte, an denen in der Regel genau die Risikogruppe zusammenkommt, die man mittels der Coronamaßnahmen zu schützen sucht: Nämlich ältere Menschen, die an Vorerkrankungen leiden. Wenn dann auch noch gesungen wird, ist das Risiko, dass ein Coronainfizierter das Virus großflächig im Raum verteilt, ziemlich hoch.

Der Usinger Anzeiger hat darum mit dem Allgemeinmediziner Dr. med. Valentin Palau gesprochen, der nicht nur Mediziner, sondern auch im Kirchenvorstand seiner Gemeinde aktiv ist und gefragt, ob es unter diesen Umständen überhaupt vertretbar ist, die Gotteshäuser offenzulassen.

Und sein Veto fällt deutlich aus, auch wenn es mit einem ganz großen "aber" versehen ist. "Sagen wir es mal so: Wenn das umgesetzt und eingehalten würde, was von allen Institutionen so verfügt wird, dann kann man die Kirchen durchaus offenlassen." Palau betont, dass gerade in Usingen die evangelische Kirche die Coronaregeln streng umgesetzt habe und sich umso strenger danach richte. "Die Menschen sitzen versetzt, es dürfen immer nur Menschen aus einer Familie beieinandersitzen, mit viel Abstand zum anderen. Gesungen wird vom Pfarrer selbst ganz weit hinten im Vorraum. Zudem ist die Kirche sehr luftig. Da ist die Gefahr, sich anzustecken, oftmals sehr gering oder nicht gegeben", so der Allgemeinmediziner. Dass jedoch die ganze Gemeinde singt, hält der Arzt momentan nicht für durchführbar. "Da müsste man bei jedem vier Tage vorher einen Abstrich entnehmen und noch einmal am Tag des Gottesdienstes Blut entnehmen, um das auf Antikörper zu untersuchen und zu gucken, dass der Sänger auch nicht infiziert ist. Das ist so überhaupt nicht umsetzbar", sagt der Fachmann.

Singen kommt seiner Ansicht nach also momentan nicht infrage. Was jedoch den Kirchenmitgliedern viel schwieriger zu vermitteln gewesen sei, sei der Umstand, dass der Bläserchor momentan lieber auf Auftritte verzichten sollte. "Schon alleine durch die kräftige Blaserei werden, wenn ein Bläser infiziert sein sollte, viel mehr Viren ausgeatmet - und durch das Instrument wie ein Trichter in der Kirche verteilt. Unter diesen Umständen ist die Ansteckungsgefahr sehr hoch." Allerdings sei dem Kirchenvorstand natürlich auch bewusst, dass es im Winter äußerst schwierig sei, an der frischen Luft zu proben. "Darum machen sie das jetzt in winzigen Gruppen und nicht mehr als komplettes Blasorchester."

Vom medizinischen Standpunkt her ist Palau jedoch der Meinung, dass die Coronaregeln noch strenger gehandhabt werden sollten, als sie es momentan werden. "Viele Menschen nehmen das Virus einfach nicht ernst", befindet der Mediziner. "Solche Leute sagen, das sei wie eine Grippe und fertig. Dass Corona jedoch Langzeitschäden auslöst und die Bevölkerung eben nicht immun ist, wie bei einer Grippe, gegen die jedes Jahr geimpft werden kann, haben diese Leute nicht auf dem Schirm." Nach Meinung des Allgemeinmediziners passe sich das Virus mittlerweile gut an den Menschen an, verursache im menschlichen Organismus jedoch Lungen-, Leber, Nieren und Nervenschäden, die - wie er betont - von Dauer seien. Zudem sei heute noch überhaupt nicht bekannt, welche Folgeschäden in ein paar Jahren auftreten können. "Ich bin dafür, dass man diese Situation wirklich ernster nimmt, als man es momentan tut." Und das betrifft seiner Meinung nach nicht nur den sozialen Umgang miteinander oder Regeln, die die Politik aufstelle, sondern beispielsweise auch die Handhabe an Schulen. "Ich stamme noch aus einer Generation, in der Krieg herrschte. Da waren die Schulen auch nicht perfekt ausgerüstet, wenn überhaupt Unterricht stattfand", erklärt er bestimmt. Heutzutage gebe es wenigstens die Möglichkeit, digital zu beschulen. "Die Kinder werden nicht verdummen, nur weil eine Pandemie herrscht", formuliert der Mediziner seine Meinung abschließend.

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