Die letzte Bastion vor der Mülltonne

Veronika Sorg vom NABU gründet einen neuen Foodsharing-Bezirk
Wehrheim -Veronika Sorg ist in Wehrheim schon lange für ihr vielfältiges Engagement für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz bekannt, unter anderem durch ihre Funktion als Leiterin der NABU-Jugendgruppen. Nun hat sie ihren Einsatz in Sachen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung erweitert und sich als Lebensmittelretterin der Organisation „Foodsharing“ angeschlossen.
Seit etwa zehn Jahren gibt es die „Foodsharing“-Bewegung in Deutschland bereits. Das Ziel lautet „Verwenden statt Verschwenden“. Während in anderen europäischen Ländern das Wegwerfen von Lebensmitteln inzwischen verboten ist, setzt hier das zuständige Ministerium auf freiwillige Verpflichtungen von Landwirtschaft und Handel. Das sogenannte „Containern“, also das Herausnehmen von Lebensmitteln aus den Müllcontainern der Supermärkte, ist in Deutschland noch verboten.
Keine Konkurrenz zu „Aufgetischt“
Für Veronika Sorg, ebenso wie für alle sogenannten „Foodsaver“, die sich ehrenamtlich und völlig unentgeltlich der „Foodsharing“-Bewegung angeschlossen haben und sich hier übrigens in einer sehr gut strukturierten Organisation an verbindliche Regeln halten, kommt „Containern“ aber nicht in Frage. Sie setzen auf die Kooperation der Lebensmittelhändler, Bäcker, Metzger, Landwirte, Gastronomen und wer sonst noch so Lebensmittel verkauft.
Manche Lebensmittelhändler werben inzwischen sogar damit, dass sie mit „Foodsharing“ kooperieren und die Lebensmittel, die für den Verkauf im Geschäft nicht mehr geeignet sind, etwa weil das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist oder weil in einer Verpackungseinheit eine Frucht angeschimmelt ist, an die Lebensmittelretter abgeben. „Wir sortieren die Lebensmittel gleich vor Ort bei den Supermärkten und trennen dabei auch die wirklich nicht mehr verwendbaren Lebensmittel für den Biomüll und die Verpackungen in Papier- oder Gelbe-Sack-Müll.
Wenn beispielsweise in einem Sack Orangen eine oder zwei angegammelt sind, öffnen wir das Netz, retten die guten Früchte und verteilen sie dann an jeden, der sie haben möchte“, erklärt Sorg das Vorgehen.
Für die Betriebe entstehe dadurch deutlich weniger Müll, den sie kostenintensiv entsorgen müssten, weshalb die Lebensmittelretter durchaus willkommen seien. Die Ware sei einfach viel zu gut für die Mülltonne, weshalb sie sich mit Hagen Trosien zusammengetan und einen „Foodsharing-Bezirk“ in Wehrheim gegründet hat. Denn im Usinger Land gibt es noch so gut wie keine „Foodsharing-Bezirke“, hat sie festgestellt und möchte das ändern. Den raschen Zulauf in ihrer Wehrheimer „Foodsharing-WhatsApp-Gruppe“ sieht sie als Indiz dafür, dass auch bei vielen Verbrauchern das Bewusstsein gegen die Lebensmittelverschwendung gewachsen ist.
Die Lebensmittel erhält sie durch Kooperationen mit verschiedenen Lebensmittelmärkten, Metzgern, Bäckern, Landwirten in der Umgebung. Dabei ist ihr neben dem regionalen Bezug überaus wichtig, dass immer zuerst die Lebensmittelausgaben wie „à la Carte“ des DRK in Wehrheim oder „Aufgetischt“ in Usingen Vorrang haben. Sie und ihre Mitstreiter holen bei den Betrieben nur das ab, was diese aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr verkaufen wollen oder dürfen und die auch von den „Tafeln“ oder von „Aufgetischt“ und „à la Carte“ nicht ausgegeben werden dürfen, betont Sorg.
Die „Foodsaver“ wollen sich dabei keineswegs bereichern - im Gegenteil: Die Organisations- und Austauschplattform foodsharing. de ist und bleibt kostenlos, nicht kommerziell und ohne Werbung. Die Tätigkeiten basieren auf ehrenamtlichem und gemeinnützigem Engagement. Das Retten und Teilen von Lebensmitteln findet geld-frei statt.
Foodsharing ist eine Umweltorganisation mit der Absicht, Ressourcen zu schonen, indem genießbare Lebensmittel verwendet statt verschwendet werden. „Wir stehen dabei nicht in Konkurrenz zu anderen Initiativen, die sich gegen Essensverschwendung einsetzen. Wir lassen allen mildtätigen Organisationen bewusst den Vortritt, um gerettete Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen. Foodsharing ist die letzte Bastion vor der Mülltonne“, ist auf der Homepage der Bewegung nachzulesen.
„Mir geht es auch um die Wertschätzung von Lebensmitteln, die ja in der Produktion, aber auch durch den Transport viele Ressourcen, Energie, Arbeitsleistung gekostet haben“, sagt Sorg. Damit die Lebensmittel, die sie von unterschiedlichen Betrieben zum Teil auf Abruf, zum Teil regelmäßig abholt, weiterhin frisch und sachgemäß gelagert werden, bis sie von den Menschen mitgenommen werden, hat sie nun einen gebrauchten Kühlschrank gekauft und witterungsgeschützt in ihrem Hof aufgestellt. Den Strom hierfür wird ein Solarpanel liefern. Umweltschutz spielt also auch bei diesem Projekt hier eine Rolle.
Hygiene übrigens auch, denn alle Aktiven der „Foodsharing“-Bewegung absolvieren regelmäßig Hygieneschulungen.
Weitere Informationen zu dem Projekt www.foodsharing.de oder per E-Mail an Veronika Sorg an wehrheim@foodsharing.network. VON INGRID SCHMAH-ALBERT