Wenn der Zahnarzt ins Kettenhemd schlüpft

Die spinnen doch nicht, die Römer! Soldatenlager auf der Saalburg zeigt den antiken Alltag der Krieger.
Hochtaunus -Was unzählige Besucher der Saalburg da am Wochenende beim „Tag der offenen Tür“ im römischen Soldatenlager zu Gesicht und Ohr bekamen, erinnerte sicher an das kleine gallische Dorf voller aufmüpfiger, Römer vermöbelnder Krieger. So ganz stimmte das aber nicht. Ähnlich ja, aber doch etwas ernsthafter. So war es denn auch Titus Moselius Vigilis ein Bedürfnis fragend Dreinschauenden zu erläutern, dass das Ganze nichts mit Fastnacht zu tun hat, man auch nicht verkleidet sei. Man tauche zum Spaß, aber auch der aufregenden Geschichte wegen, in eine Zeit, die knapp zwei Jahrtausende zurückliegt, ein. Auf Anfrage erklärt er auch den Sinn seines ihm von den Kameraden der Römischen Kohorte Opladen verliehenen Namens: Titus weil es für Thomas nichts Römisches gibt, Moselius weil er von der Mosel kommt und Vigilis (lateinisch Wächter), weil er Polizist ist. Sein im nobel möblierten Zelt Hof haltender Chef, ein hochrangiger Stabsoffizier, heißt übrigens Claudius Suebus Dentacus. Klar, der Mann heißt Klaus Schwab und ist Zahnarzt.
So nobel wie Claudius’ Zelt waren die Unterkünfte der kämpfenden Truppe nicht. In die ledernen, bei Nässe fürchterlich schweren Behausungen für acht Leute passen auch nur sechs müde Krieger, zwei müssen draußen Wache halten. Es sei denn, sie können kochen. Wer nämlich „römischen Puls“, ein Eintopf aus Grieß, Fleisch, Gemüse und Knoblauch, hinbekommt, oder kaputtes Kriegsgerät reparieren konnte, hatte nicht nur seinen Platz im Zelt, er musste auch nicht Wache schieben und, das Beste, auch keine Latrinen reinigen.
Das Los der römischen Krieger, die am Sonntag und am gestrigen Maifeiertag Einblicke in ihr militärisches Leben gaben, war hart. Nicht nur, weil übrig gebliebener Puls auf heißen Steinen zu einer Art Knäckebrot aufgebacken wurde. Nein, sie hatten auch jede Menge zu schleppen, wenn es in die Schlacht ging. Jedoch: Es gab auch Maultiere, die all das trugen, was nicht mehr auf die Schultern passte. Nasse Zelte zum Beispiel. Hinzu kam, dass die Soldaten selbst einiges auf die Waage brachten, wogen doch das Kettenhemd oder die Blechrüstung „Lorica segmentata“ recht schwer, wobei das Kettenhemd mit seinen 10000 Ringen noch schwerer war. Was getragen wurde, war nicht etwa der Mode unterworfen, sondern der Verfügbarkeit. Mal gab es das eine, dann wieder das andere, fast ein wenig wie heute. Titus trägt lieber Kettenhemd. Das ist länger, man kann sich, anders als in der „Lorica“ bücken und es lassen sich bei Bedarf auch ein paar Maschen dranhäkeln. Wenn man’s kann. Titus kann’s.
Geschichtsstunde mit viel Geschrei
Titus gehört zu denen, die ihr Hobby ernstnehmen. Bei Soldatenlagern wie dem auf der Saalburg wird in der Tunica geschlafen, es wird nach römischen Originalrezepten tapfer Puls gefuttert und Cervisia getrunken. Und eines geht im Lager gar nicht: Handys. Die Schau zeigte das Leben der Militärs in jener Zeit. Dabei kam es den authentisch gewandeten, im Gleichschritt mit bunten Schilden, Wurf- und Stoßlanzen und fürchterlichem Gebrüll aufeinander losgehenden Soldaten darauf an, zu zeigen, wie toll es die Römer damals trieben, alles in eine lebhafte Geschichtsstunde verpackt, alles auf Deutsch kommentiert, so dass auch im Lateinischen weniger bewanderte Gäste etwas mitbekamen, obwohl die Herren Latein sprachen. Dabei war die 4. Vendelikerkohorte, eine aus Abenteurern bestehende Auxiliareinheit. Als Hilfstruppe sollte sie den Feind ein wenig erschrecken und so lange aufhalten, bis richtiges Militär zur Stelle war. Waffentechnisch gab es viel zu schauen. So wurden nachgebaute, voll funktionstüchtige und für damalige Verhältnisse genial konstruierte Torsionsgeschütze vorgeführt. Zu Beginn zeigte ein Soldat, wie der Bauchschieber funktioniert, eine Art Armbrust, die sich die Römer bei den Griechen abgeguckt haben; der Schütze lehnt sich mit dem Bauch und seinem ganzen Gewicht auf ein kleiderbügelähnliches Holzstück und spannt den Flitzebogen damit. Die abgeschossenen Pfeile waren in der Lage, noch in gehöriger Entfernung Kettenhemden zu durchstoßen, was nicht gleich tödlich enden musste, aber wehtat, Später mussten dann Leute wie Titus ran, Löcher flicken... Spannend auch die Exerzierübung, bei der Krieger mit Gebrüll und Lanze im Anschlag auf das Publikum zustürmten, aber rechtzeitig stoppten. Nun wussten die Gäste, warum sie hinter der Leine bleiben sollten.
