Klinikum Höchst steht an der Schwelle großer Umstrukturierungen

Viel geredet wurde gestern beim Festakt zum 160-jährigen Bestehen des Höchster Klinikums. Doch als eine sprach, hörten alle gebannt zu: Die ehemalige Krankenschwester Roswitha Wieberneit erzählt aus den 60ern und vom damaligen Umzug in den Hochhaus-Neubau.
„Der Umzug ins Hochhaus war schon gewöhnungsbedürftig“, sagt Roswitha Wieberneit und nimmt kein Blatt vor den Mund. „Wir wollten gar nicht so gerne umziehen von unserer alten Station.“ Plötzlich gab es Aufzüge und Zimmer mit nur drei Betten. Im alten Domizil, so berichtete Wieberneit, „hatten wir Eisenbetten und zwei Infusionsständer für die ganze Station.“ Die Glasspritzen und Kanülen seien noch im Wasserbad eingeweicht und dann desinfiziert worden. „Wir waren immer beschäftigt und hatten trotzdem Zeit für unsere Patienten. Wir kannten ja noch nicht das Wort Fallpauschale.“
Ängste der Angestellten
Der Applaus war ihr sicher, jetzt, ein gutes halbes Jahrhundert nach Bezug des Betten-Hochhauses, da nicht nur in 18 Monaten der Umzug in den nächsten Neubau ansteht, sondern sich das Klinikum insgesamt in bewegtem Fahrwasser befindet. „Die Stadt erfüllt ihren Sicherstellungsauftrag der sogenannten Daseinsvorsorge“, drückte Oberbürgermeister Peter Feldmann die Motivation für den Neubau aus. Die Menschen, die im Klinikum in der Logistik oder der Materialwirtschaft arbeiten, sehen dem Umzug mit Angst entgegen. Wer wird noch gebraucht, wenn die Ressourcen im Klinikverbund Frankfurt-Main-Taunus gebündelt werden? Viele Mitarbeiter aus diesen Abteilungen, so war zu hören, waren der Feier zum 160-jährigen Bestehen im Foyer des Neubaus gestern ferngeblieben.
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„Das Ganze ist definitiv kein Selbstläufer, und jeder hat seine Partikularinteressen, aber Partikularinteressen haben hintenanzustehen“, sagte Martin Menger, seit Februar in der Geschäftsführung. Lösungen für die Logistik oder die Materialwirtschaft seien gefunden und müssten nun umgesetzt werden: „Ein Verbund nur auf dem Papier nutzt gar nichts; er muss auch gelebt werden.“
Staatsminister Stefan Grüttner (CDU), der schon beim ersten Spatenstich des Klinikums dabei gewesen war und auch den Bescheid über die Bewilligung des Landeszuschusses in Höhe von 54,5 Millionen Euro zu den 260 Millionen der Stadt überbracht hatte, erteilte Kritikern des Klinik-Neubaus eine Abfuhr: Wer fragte, ob es diesen Neubau überhaupt brauche, habe „entweder gar keine oder sehr wenig Ahnung vom Gesundheitswesen“.
Stärkere Kapazitäten
Zuletzt bei der Hitzewelle seien die Krankenhäuser stark beschäftigt gewesen; davor habe es eine Grippewelle gegeben: „Da waren viele Krankenhäuser auf Rot geschaltet.“ Die Schließung eines Krankenhauses sei in Frankfurt keine Option, zumal nicht nur die Bevölkerung wachse und die Geburtenraten, sondern auch etwa der Bedarf an geriatrischer Versorgung um etwa 30 bis 40 Prozent steigen werde und stärkere Kapazitäten im Intensiv-Bereich benötigt würden.
„Meine Fantasien lassen es zu, dass wir hier in sieben oder acht Jahren einen Gesundheits-Campus haben, der seinesgleichen sucht“, orakelte Menger hinsichtlich weiterer Ausbaustufen, die allerdings politisch noch nicht beschlossen sind. „Wir trauern schon jetzt ein bisschen um den Altbau“, sagte Co-Geschäftsführerin Dr. Dorothea Dreizehnter, die mit der pensionierten Krankenschwester Roswitha Wieberneit über den letzten Wechsel in ein anderes Hauptgebäude plauderte: Wieberneit gehörte zum ersten Schwesternjahrgang, der nach der Ausbildung in Höchst 1965 ins neue Betten-Hochhaus einzog. Damals, berichtete Wieberneit, sei die Zucht unter den jungen Schwestern noch streng gewesen, und eine Oberschwester habe wie beim Militär darüber gewacht, dass die jungen Frauen bis 22 Uhr alle wieder in ihren Unterkünften waren und die grobe Kolter mit dem Schriftzug „Städtisches Krankenhaus Höchst“ am Morgen straff über dem gemachten Bett gelegen habe.
Veränderungen gemeistert
Im Laufe der Jahre hat Roswitha Wieberneit sich ans Hochhaus gewöhnt, in allen Abteilungen gearbeitet und im Krankenhaus sogar ihren späteren Mann kennengelernt. 1966 wurde im Trausaal des Höchster Standesamts geheiratet, „und ich habe sogar meine zwei Söhne im Haus entbunden“, berichtete die frühere Kollegin ihren Berufsgenossen, die sich derzeit zum Teil Sorgen um die Zukunft machen, zum Teil aber auch dem Umzug mit Freude entgegensehen – das alte Betten-Hochhaus ist doch über die Jahre zu marode geworden. Die Höchster Klinik hat auch im 160. Jahr ihres Bestehens Zukunft, das zeigen die 37 000 stationären Patienten pro Jahr und die 100 000 ambulanten.
Das Foyer war als Ort der Feier bewusst gewählt worden, weil es, so drückte es Dr. Dorothea Dreizehnter aus, „Geschichte und Zukunft miteinander verbindet – in 18 Monaten.“
Todespfleger Daniel B. soll auch im Klinikum Höchst tätig gewesen sein
Der Krankenpfleger Daniel B., der im Verdacht steht, in einer Klinik im Saarland mindestens fünf Menschen getötet zu haben, war auch am Klinikum Höchst tätig.