Kreisklinik Groß-Gerau in der Krise: Krankenhaus muss Jobs streichen

Die Kreisklinik Groß-Gerau steckt in einer tiefen finanziellen Krise. Das Krankenhaus wird deshalb in den kommenden Monaten saniert, einige Jobs müssen gestrichen werden.
Kreis Groß-Gerau - Die Kreisklinik Groß-Gerau GmbH baut Personal ab. Das geht aus einer Beschlussvorlage des Kreistags hervor. Das dürfte niemanden verwundern, hatte das Haus doch vor einem halben Jahr einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Die Geschäftsführung kündigte an, die stark defizitäre Klinik in den kommenden Monaten zu sanieren - Verträge wurden geprüft, der Klinikalltag digitalisiert.
Kreisklinik Groß-Gerau: Personalkonzept muss angepasst werden
In einem weiteren Schritt müsse nun das Personalkonzept angepasst werden, so Klinikchefin Prof. Erika Raab. Die Fallzahlen seien in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen, während der Personalstamm gleichbleibend groß blieb, erklärt Raab die Notwendigkeit des Personalabbaus.
Gleichzeitig betont sie: "Unser Ziel ist es, so sozialverträglich wie möglich vorzugehen." Sie wolle betriebsbedingte Kündigungen vermeiden und einen Teil der Mitarbeiter zum Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber ermutigen. Einige seien bereits an andere Krankenhäuser gewechselt. Weitere 73 Beschäftigte werden zum 1. Juli in die Kreisverwaltung Groß-Gerau übernommen, sofern der Kreistag der Beschlussvorlage in seiner Sitzung am 22. Juni zustimmt.
Kreisklinik Groß-Gerau streicht Jobs: Viele Ärzte im Ruhestand
Raab bezeichnet die Übernahme als eine "Win-win-Situation". Denn nach dem Bund-Länder-Beschluss vom 6. Mai sollten fünf zusätzliche Kräfte pro 20.000 Einwohner die Gesundheitsämter bei ihrer Arbeit unterstützen, unter anderem bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen von mit Covid-19 infizierten Menschen. Nur so könnten die Beschränkungen des öffentlichen Lebens weiter gelockert werden, argumentiert der hessische Sozialminister Kai Klose (Grüne).
Die personelle Unterbesetzung ist hausgemacht: In den Gesundheitsämtern fehlt es an fachlich qualifiziertem Personal, was sich in der aktuellen Krisensituation besonders bemerkbar mache, so Klose. Die Teams sollen kurz- und mittelfristig Verstärkung bekommen. Und das sei nur möglich, indem das Personal aus anderen Verwaltungsbereichen für die Aufgabe zeitweilig abgeordnet wird.
Groß-Gerau: Corona-Pandemie war starke Belastung
Auch das Gesundheitsamt des Kreises Groß-Gerau habe in den vergangenen Jahren keinen nennenswerten Stellenzuwachs erfahren, informiert der Kreis. Viele erfahrene Ärzte seien zwischenzeitlich in den Ruhestand gegangen, die Stellen blieben nicht selten mehrere Monate unbesetzt. "Insoweit arbeitete das Gesundheitsamt bereits vor der Corona-Pandemie unter starker Belastung", bilanziert die Kreisverwaltung. Seit dem Ausbruch des Coronavirus seien sämtliche verfügbaren Kräfte des Gesundheitsamtes im Einsatz und arbeiteten stellenweise am Rande ihrer Belastungsgrenze.
Kreisklinik Groß-Gerau: Gesundheitsamt übernimmt Krankenhausmitarbeiter
"Die Klinik-Mitarbeiter bringen Expertise aus Corona-Hotline und weiteren Projekten mit, so dass es sich sehr gut mit dem Bedarf des Gesundheitsamts fügt", ist Raab über die unverhoffte Lösung erfreut. Landrat Thomas Will (SPD) sieht den Bund-Länder-Beschluss ebenfalls als eine "einmalige Möglichkeit", fachlich qualifiziertes Personal von der Klinik übernehmen zu können.
Kreisklinik Groß-Gerau streicht Jobs: Insolvenzverfahren im Sommer abgeschlossen
Die Verwaltung rechnet mit jährlichen Personalmehraufwendungen in Höhe von circa 3,5 Millionen Euro. Die 56,45 Stellen sollen in einem Nachtragsstellenplan 2020 eingeplant werden. Ein weitere Glücksfall: Der Kreis darf auf eine teilweise Kostenübernahme von Bund und Land hoffen.
Keine Fälle von Covid-19 mehr
Ist die Kreisklinik Groß-Gerau mit dem Personaltransfer aus dem Gröbsten raus? "Wir können nicht ausschließen, dass unser Haus auch noch in diesem Jahr ein Minus erwirtschaftet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass weiter unklar ist, wie sich die Corona-Lage langfristig entwickelt", so Klinikchefin Prof. Erika Raab. Das Insolvenzverfahren wird voraussichtlich noch in diesem Sommer abgeschlossen sein, prognostiziert sie.
Am Rande erwähnt Erika Raab, dass mittlerweile keine an Covid-19 erkrankten Patienten mehr auf der Intensivstation behandelt werden. Die Mitarbeiter hätten in der Krise Großes geleistet. "Ich bin stolz auf meine Mannschaft", sagt die Klinikchefin. "Wir haben sehr intensiv zusammengearbeitet." Niemand könne sagen, dass die Pandemie überstanden ist, sollte aber eine weitere Krankheitswelle Deutschland erfassen, sehe sich die Kreisklinik gut vorbereitet - trotz Personalabbau. "Ich habe mich nicht an der Personaluntergrenze orientiert; im Ernstfall haben wir immer noch genug Personal, um die Patienten gut versorgen zu können", versichert Raab.