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Hunde müssen im Wald an die Leine

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Christian Münch ist seit 2012 Leiter des Forstamts Langen und damit Chef von rund 30 Mitarbeitern, die sich um 15 800 Hektar Wald im Kreis Offenbach kümmern. Das Thema Hunde und Forst in der Brut-und Setzzeit beschäftigt den studierten Forstwirt jedes Frühjahr aufs Neue. Die FNP-Mitarbeiterin Nicole Jost hat mit ihm gesprochen.

Herr Münch, warum sollen die Hunde im Wald jetzt an die Leine, und gibt es in jüngster Zeit mehr freilaufende und wildernde Hunde im Forst in der Region?

CHRISTIAN MÜNCH: Jedes Jahr zur Brut- und Setzzeit herrscht Leinenpflicht im Wald. Die Natur erwacht, und auch die Waldbewohner werden wieder mobil, insbesondere das Gebären der Jungen steht in Kürze an. Einige Arten haben auch schon Junge. Die freilaufenden Hunde sind jetzt für die Jäger ein Graus. Viele Menschen sind leider ziemlich unvernünftig. Sie verkennen auch das Risiko für ihre Hunde. Das wird von vielen Menschen ausgeblendet, aber unsere Wälder sind intensiv von Straßen durchzogen. Wenn die Hunde anfangen zu jagen und das Wild rennt um sein Leben, rennen die auch über Straßen. Dann wird das Wild angefahren, aber vielleicht trifft es auch den Hund, oder es kommen sogar Menschen mit dem Auto zu Schaden. Die meisten Hunde sind heute gechipt, da kann der Halter ermittelt werden, und der kann sich dann auch nicht aus seiner Verantwortung rausziehen. Auch das sehr wehrhafte Schwarzwild bedeutet eine Gefahr für die Hunde und sogar für die Hundebesitzer. Wenn die Bache Junge hat und der Hund stöbert sie auf, ist mit den Wildschweinen nicht zu spaßen. Der Wald ist ein Erholungsraum, und rein rechtlich muss es so sein, dass der Hund immer im Einwirkungsbereich des Hundeführers bleibt. Dieser Raum ist nicht genau definiert, aber es ist mindestens die Rufweite, so dass der Hund sofort zum Hundeführer zurückkommt. Die Satzungen der Städte und Gemeinden sind sehr unterschiedlich. Jede Kommune kann eine eigenständige Satzung erlassen, die dann genau besagt, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die Hunde an die Leine zu nehmen sind. In manchen Städten gilt das im Frühjahr, in anderen ganzjährig und in manchen ist es gar nicht fest geschrieben. Das wird tatsächlich sehr individuell gehandhabt.

Wie reagieren die Förster bei freilaufenden Hunden ?

MÜNCH: Wir sind natürlich nicht begeistert, wenn die Hunde querfeldein laufen. Wir vertreten dabei den Naturschutz, den Schutz in der Brut- und Setzzeit. Aber wir müssen auch andere Waldbesucher vertreten. Und es finden nicht alle Leute lustig, wenn plötzlich ein Hund aus dem Busch springt. Viele Leute haben auch Angst vor Hunden. Wenn Hunde dann tatsächlich wildern, spielen sich traurige Schicksale ab. Wild ist schnell vor den Hunden weg, aber wenn Barrieren oder Zäune kommen, können die Hunde wieder schnell aufholen. Und dann gibt es solche Bilder, wie sie in der letzten Zeit vermehrt öffentlich wurden, dass Hunde Wild totbeißen. Das passiert vor allem dann, wenn mehrere Hunde zusammenkommen. Aber wir sprechen Hundebesitzer an, wenn wir sehen, dass die Hunde nicht angeleint sind, und die Jagdpächter hängen auch Schilder an den Waldeingängen auf, dass die Hunde jetzt bitte an die Leine zu nehmen sind.

Was sagen die Hundehalter, wenn sie auf die Brut- und Setzzeit angesprochen werden?

MÜNCH: Manche Hundehalter reagieren verständnisvoll, aber es gibt auch wilde Beschimpfungen, die sich die Förster und Jäger dann anhören müssen.

Mit welchen Strafen müssen die Hundehalter rechnen, wenn sie ihre Tiere trotzdem laufen lassen?

MÜNCH: Das ist auch wieder sehr individuell, je nach Stadt oder Gemeinde, je nachdem, was in der Satzung drin steht. Meist sind es Verwarnungen oder Geldstrafen. Aber dazu müssen die Städte auch Personal abstellen, die dann patrouillieren.

Hatten Sie in diesem Jahr schon verletzte oder sogar getötete Tiere, und wie handelt ein Förster in diesem Fall?

MÜNCH: Ja, wir hatten schon getötete Tiere in diesem Jahr. Das wird meist von den Jagdpächtern angezeigt. In Dreieich wurden zwei Stück Rehwild tot gebissen. Leider kommt das jetzt im Frühjahr häufiger vor. Es kann auch sein, dass das Wild sich durch die Flucht verletzt. Wir stellen auch oft fest, dass wir Wild haben, mit alten, verheilten Verletzungen vom Autoverkehr. Da muss natürlich nicht immer ein Hund hinterher gewesen sein. Das ist ein systemimmanentes Problem in einem sehr, sehr zerschnittenen Lebensraum der Waldtiere, wie hier im Rhein-Main-Gebiet.

Die Stadt Dreieich hat angekündigt, mit dem freiwilligen Polizeidienst stärker im Feld und Wald unterwegs zu sein. Was halten Sie von dieser Unterstützung?

MÜNCH: Ich finde es o.k., wenn die Stadt eine Satzung macht und Leinenpflicht vorschreibt, dass dann auch konsequent hinterhergegangen wird. Allerdings haben wir schon oft festgestellt, wenn es in einer Stadt eine solche Satzung gibt, dass dann ein Abwanderungstourismus die Folge ist. Dann gehen die Hundebesitzer eben zum Gassigehen nicht mehr nach Dreieich, sondern nach Egelsbach oder nach Nieder-Roden, wo es eben keine Satzung gibt.

Worauf sollten Spaziergänger ganz allgemein in dieser Jahreszeit im Wald achten?

MÜNCH: Die Spaziergänger sind natürlich recht herzlich eingeladen, den Wald als Erholungsraum zu besuchen. Wir freuen uns, wenn die Menschen auf den Wegen bleiben. Wenn ich noch einen weiteren Wunsch aussprechen darf, dann wäre es schön, wenn die Leute zur Abenddämmerung wieder aus dem Wald rausgehen und auch erst nach der Morgendämmerung kommen. Die Tiere bleiben meist in den Tiefen des Waldes zurück, möglichst mit der größten Distanz zu den Waldwegen. Mit der Dämmerung, wenn die Besucherfrequenz weniger wird, drängen sie in den anderen Raum. Das hat auch etwas mit dem Äsungsverhalten der Rehe zu tun. Ansonsten ist jeder herzlich eingeladen, seine Freizeit zu Fuß oder mit dem Mountainbike im Wald zu verbringen.

Haben Sie ihren eigenen Hund (Tara – eine noch junge, freundliche und sehr fröhliche Schwarzwildbracke) an der Leine im Wald?

MÜNCH: Ja, ich habe sie immer an der Leine. Sie jagt nämlich, und mir persönlich ist das Risiko für das Wild, aber auch besonders für meinen eigenen Hund zu hoch. Sie hat im Jagdeinsatz einen GPS-Transponder an, damit weiß ich immer, wo sie ist, und daher weiß ich auch, wie schnell sie unterwegs ist. Sie rennt in der Hetze 40 Kilometer in der Stunde im Schnitt, damit hätte sie das verhältnismäßig große Waldgebiet in der Koberstadt in einer Viertelstunde durchkreuzt. Und dann kommt die Straße. Sie bleibt also besser an der Leine.

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