Raser, Rüpel und (kein) Radar in Kelsterbach

Kelsterbach wächst. Und mit der Stadt wächst der Verkehr. Bürger fordern mehr Regulierung und Verkehrsüberwachungen, werfen den Verantwortlichen sogar Untätigkeit vor.
Bürgermeister Ockel (SPD) nimmt die Themen Geschwindigkeitsüberschreitungen und Verkehrsberuhigung nicht ernst, kritisiert die Fraktion der Wählerinitiative Kelsterbach (WIK) in einer kürzlich verbreiteten Presseinformation. Auch die CDU-Fraktion richtete kürzlich eine Anfrage an den Magistrat wegen der Installation fester Radaranlagen – ebenfalls ganz im Sinne der WIK. Hintergrund dieser Forderungen ist das zunehmend rüpelhafte Verhalten von Verkehrsteilnehmern. „Die Antworten aus dem Rathaus fielen aber widerstrebend und oberflächlich aus: In Kelsterbach sei das gar nicht möglich – die übergeordnete Behörde würde das gar nicht genehmigen“, zeigt sich die WIK mehr als unzufrieden.
Kelsterbach wächst. 3000 Neubürger bedeuten auch mehr Autos auf den Straßen der Stadt. Der Verkehr hat spürbar zugenommen, vor allem zu Stoßzeiten. „Dass die Zunahme der Bevölkerung auch Konsequenzen für die Infrastruktur hat, diese Erkenntnis scheint im Rathaus noch nicht angekommen zu sein“, so ein Kritikpunkt der WIK.
Zunehmend beklagten Anwohner nicht nur rüpelhaftes Verhalten, zugeparkte Straßen, Gehwege und Zebrastreifen, sondern auch immer mehr Geschwindigkeitsüberschreitungen und Raser – nicht nur auf größeren Straßen, sondern auch in verkehrsberuhigten Bereichen und Wohngebieten, führt die Wählerinitiative Kelsterbach in ihrem Schreiben ins Feld.
„Alles schon oft gehört“
„Die Antworten aus dem Rathaus sind Standard, das haben wir alles schon oft gehört“, betont Jürgen Wälther, Pressereferent der Wählerinitiative Kelsterbach. „Die Verantwortung wird einfach anderen in die Schuhe geschoben, um die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen. Nur Tempo-30-Schilder aufzustellen, reicht eben nicht“, so Wälther deutlich. „Die Verkehrskommission, die sich um solche Dinge gekümmert hat, wurde vor einigen Jahren von Bürgermeister Ockel aufgelöst“, setzt Jürgen Wälther einen weiteren Nadelstich.
„Die Trägheit der Verwaltung kommt nicht nur beim Thema Geschwindigkeitsüberwachung zum Ausdruck: Rüsselsheimer und Frankfurter Straße sind, obwohl mittlerweile Tempo-30-Zonen, weiterhin Rennstrecken“, sagt Jürgen Wälther. Er verweist zudem auf einen Antrag von der Partei Die Linke zur Verkehrsberuhigung in der Mainstraße, dieser sei seit einem Jahr unbearbeitet. „Die vorgeschriebenen Schulwegpläne werden nicht aktualisiert, das Radverkehrskonzept meist ignoriert und in der Dahlienstraße müssten Anwohner selbst die Initiative ergreifen“, verweist Jürgen Wälther auf eine Reaktion von Bürgern auf den angeblichen Unwillen der Verwaltung.
Die Stadt hält dem entgegen, dass ihr oft die Hände gebunden seien, da überörtliche Vorschriften keine Installation fester Blitzanlagen oder Geschwindigkeitsregulierungen zuließen. Was die Situation in der Rüsselsheimer Straße betrifft, verweist Bürgermeister Manfred Ockel auf erfolgreiche Bemühungen, die ehemalige Bundesstraße in eine „Ortsstraße“ umzuwandeln, um dort eigene Vorstellungen wie eine Tempo-30-Zone oder auch ein nächtliches Lkw-Durchfahrtverbot einzurichten.
Selbst aktiv geworden
Ockel hebt hervor, dass gerade die Rüsselsheimer Straße ein Schwerpunkt von Tempoüberwachungen sei und Bürgerhinweise zu Uhrzeiten und Standorten berücksichtigt würden. Im Zuge des Programms „Soziale Stadt“ werde es dort nun weitere Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung geben, so das Kelsterbacher Stadtoberhaupt.
Zum Antrag der Linken bedauert Bürgermeister Ockel das Versäumnis und sichert eine baldige Stellungnahme sowie die Behandlung dieser Sache auf der Stadtverordnetenversammlung am 27. August zu. Als ein nicht zu haltender Vorwurf sei jedoch die Aussage, dass das Radverkehrskonzept „meist ignoriert“ werde, so Manfred Ockel. „Das Radverkehrskonzept als auch die Schulwegplanung müssen allerdings an die Entwicklung der Stadt angepasst werden, deshalb bedarf es einer Überarbeitung beider Konzepte“, erklärt dazu der Bürgermeister.
Dass man in der Dahlienstraße mit den Anwohnern eine einvernehmliche Lösung mit Pollern gefunden hat, damit der Gehweg nicht mehr befahren wird, bestätigt Ockel zwar – verschwiegen wird allerdings, dass dies über zwei Jahre gedauert hat. Hier hatten sich Anwohner zusammengetan und einfach ihre Mülltonnen als Befahrschutz auf den Gehweg gestellt. „Wenn die Stadt sich so lange nicht bewegt, dann müssen wir halt die Verwaltung selbst bewegen“, beschreibt Patricia Girrulat die Aktion engagierter Nachbarn.