Burkhard Ziegler: "Wir müssen Straßenbeiträge erheben"
Über 400 hessische Kommunen haben bereits eine Straßenbeitragssatzung eingeführt. Im Gespräch mit FNP-Mitarbeiter Alexander Koch erklärt Burkhard Ziegler, Erster Stadtrat und Kämmerer von Mörfelden-Walldorf, warum auch seine Kommune diesen Weg beschreiten muss – auch wenn die Bürger nicht zahlen wollen, was sich während der Bürgerversammlung herauskristallisierte.
Warum ist die Einführung einer Straßenbeitragssatzung geplant,?
BURKHARD ZIEGLER: Die gesetzlichen Vorgaben auf Bundes- und Landesebene, vor allem das 2013 verschärfte Kommunale Abgabengesetz des Landes Hessen, zwingen uns dazu. Die Stadt Mörfelden-Walldorf möchte ihrerseits keine Straßenbeitragssatzung einführen. Aber wir müssen die bestehenden Gesetze einhalten. Zudem übt die für uns zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium (RP), im Auftrag des Landes Hessen inzwischen massiven Druck aus. Der Haushalt 2018 würde uns vom RP nicht genehmigt werden.
Warum lassen Sie es denn nicht trotzdem darauf ankommen?
ZIEGLER: Das wäre ein Gesetzesvorstoß und ist daher keine Option. Kein Gesetzesvorstoß wäre es, wenn die Landesregierung das Gesetz im Hessischen Landtag ändern lassen würde, etwa nach der Landtagswahl 2018. Bis dahin müssen wir uns aber an die jetzige Gesetzeslage halten. Die Nichteinführung einer Straßenbeitragssatzung hätte zudem massive Nachteile für unsere Stadt zur Folge. Im äußersten Fall würde ein Zwangsverwalter eingesetzt werden. Aber selbst wenn es nicht so weit kommt: Definitiv würde uns vor allem der Haushalt 2018 nicht genehmigt werden. Dann hätten wir eine vorläufige Haushaltsführung. Freiwillige Leistungen, zum Beispiel die Vereinsförderung, der Schwimmbadbetrieb oder das Angebot von Ferienspielen, sind in diesem Fall nicht mehr möglich. Auch Kitas könnten erst mal nicht ausgebaut werden, weil wir dafür keine Kredite mehr genehmigt bekämen. Wer das trotzdem für leere Drohungen des RP hält, der muss nur einen Blick nach Langen oder Rüsselsheim werfen, dass es ernst gemeint ist.
Wer hat in Hessen eine Straßenbeitragssatzung?
ZIEGLER: Wir sind Nachzügler, daher ist der Druck auch so massiv gestiegen. Es gibt in Hessen 426 Kommunen, davon haben inzwischen über 400 eine Straßenbeitragssatzung eingeführt. Mörfelden-Walldorf, Rüsselsheim und Langen gehören mit zu den letzten hessischen Kommunen, die sich bislang dagegen gesträubt haben. Aber wir haben das jetzt bis zum letzten Moment ausgereizt.
Wird hier nicht die kommunale Selbstverwaltung massiv eingeschränkt?
ZIEGLER: Nein, denn diese gilt nur im Rahmen der bestehenden Gesetze. Bei einer Nichteinführung verletzten wir aber die gesetzlichen Vorgaben. Wir können vor Ort immerhin entscheiden, welches Modell wir einführen. Das ist der kommunale Spielraum, den uns die Gesetzeslage bei der Ausgestaltung lässt.
Welches der beiden Modelle ziehen Sie vor?
ZIEGLER: Am liebsten wären mir natürlich gar keine Straßenbeiträge. Aber im Vergleich ziehe ich die sogenannten „wiederkehrenden“ den „einmaligen“ Beiträgen vor. Bei einmaligen Beiträgen zahlen nur die unmittelbaren Anlieger einer grundsanierten Straße, was als „Beitragsfall“ unter die Straßenbeitragssatzung fallen würde. Da können horrende Summen zusammenkommen und damit soziale Härtefälle entstehen. Bei den wiederkehrenden Beiträgen wird die Stadt in Abrechnungsgebiete eingeteilt. Wenn eine Straße im Abrechnungsgebiet bei einer abrechnungspflichtigen Investition über die Satzung abgerechnet werden muss, wird der Betrag auf viel mehr Menschen innerhalb des gesamten Gebietes verteilt und ist damit erheblich kleiner. Der Begriff „wiederkehrend“ ist leider verwirrend. Das heißt nicht, dass immer der gleiche Beitrag in einem Zeitabstand wiederkehrt, sondern ein „Beitragsfall“ im eigenen Abrechnungsgebiet wiederkehren kann. „Einmalige“ Beiträge bedeuten, dass die Anlieger der Straße einmal in ihrem Leben für „ihre“ Straße bezahlen müssen, dann aber eben richtig viel.
Warum soll Mörfelden in drei Abrechnungsgebiete eingeteilt werden, Walldorf nur in eines?
ZIEGLER: Wir planen möglichst große Abrechnungsgebiete, das ist solidarischer. In Walldorf ist es möglich, den Stadtteil als ein einziges Abrechnungsgebiet zu nehmen. In Mörfelden ist das zwar leider so nicht möglich. Aber auch hier haben wir große Abrechnungsgebiete geplant: zwei große Wohngebiete, die durch die Bahnlinie, die mitten durch Mörfelden geht, markant und für jeden sichtbar getrennt sind, und das Gewerbegebiet Ost.
Welche Zahlungen kommen auf die Bürger zu?
ZIEGLER: In den nächsten Jahren müssen sie voraussichtlich überhaupt keine Straßenbeiträge bezahlen. Es sind nämlich gar keine grundhaften Sanierungen von Straßen geplant. Die Straßenbeitragssatzung greift aber eben in erster Linie nur bei grundhaften Sanierungen von Straßen. Zwar können auch noch bei massiven Umbauten oder qualitativen Verbesserungen der Straße, etwa durch Anbringen von Flüsterasphalt, Straßenbeiträge anfallen. Für die nächsten Jahre ist jedoch kein einziger der Beitragsfälle geplant. Das Ausbessern von Schlaglöchern und generell oberflächliche Reparaturen an Straßen fallen nicht unter die Straßenbeitragssatzung, auch Kanalsanierungen nicht. Allgemein lässt sich der Grundsatz festhalten: Die Instandhaltung der Straßen ist nicht beitragspflichtig, sondern nur umfassende Investitionen. Zudem wird es dauern, bis die Satzung tatsächlich anwendbar ist. Die wiederkehrenden Beiträge sind zwar deutlich solidarischer, bedeuten aber viel mehr Verwaltungsaufwand bei der langwierigen Erarbeitung der komplizierten Abrechnungsgrundlagen, als es bei den einmaligen Beiträgen der Fall wäre.