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Interview mit Volker Arndt über die lebenslange Leidenschaft für Vinyl

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Er gilt als einer der bekanntesten Vinyl-Retter der Region: Volker Arndt sammelt Schallplatten seit Kindertagen und hat sie in allen Größen und Farben. Im Gespräch mit unserem Reporter Michael Forst erzählt er, woher sein Faible für die runden Scheiben rührt und was seine größten Schätze sind.

Herr Arndt, wie begann Ihre Liebe zum Vinyl?

VOLKER ARNDT: Wie bei vielen meiner Generation gehörten Vinylschallplatten ganz einfach zum Leben dazu, und zwar von Kindesbeinen an. Noch heute besitze ich eine große Menge Märchenplatten, die ich ebenso gern hörte wie manchen Schlager. Mit acht oder neun Jahren fand ich dann Zugang zur damaligen Beatgeneration. Ich erinnere mich noch daran, wie ich Jimi Hendrix im Fernsehen live im Beatclub spielen sah – das hat mich sehr beeindruckt. Meine Freunde und Schulkameraden hatten zu diesem Zeitpunkt schon ihre ersten Pop-Platten, und bei diesem Trend wollte ich nicht hintenanstehen.

Wo haben Sie Ihre Platten gekauft?

ARNDT: Anfangs fast ausschließlich in einem örtlichen Fachgeschäft, nicht weit vom Wohnhaus meiner Familie entfernt. Das große Eckhaus am Dalles in Mörfelden war der so bezeichnete „Radio-Landau“, und ich kaufte dort viel an Vinyl, das im Preis deutlich reduziert war und zumindest gleichzeitig ein ansprechendes Cover aufwies. Dadurch zeigte ich einen gewissen Mut zum Risiko, lernte gleichzeitig aber auch viel über die verschiedenen mir bis dato unbekannten Bands, wobei der Schwerpunkt auf Musik aus den USA lag.

Was sind die größten Schätze Ihrer Sammlung?

ARNDT: Zum einen sind es die Schallplatten, die ich sehr früh eingekauft habe, wie beispielsweise ein Drei-LP-Album von „Emerson, Lake & Palmer“, aber natürlich auch absolute Raritäten, die ich zum Teil eingetauscht habe, sowie Platten mit Signaturen von Musikern, denen ich auf Konzerten begegnen durfte: Roger Chapman, Andy Powell von „Wishbone Ash“ und den Mitgliedern von „Deep Purple“.

Zu welchen Orten führt Sie die Sammelleidenschaft heute? Tauschbörsen?

ARNDT: In den 1980er und 1990er Jahren habe ich Raritäten wie Testpressungen von Platten, von denen nur eine Handvoll existiert, durch Beziehungen via Postzustellung erhalten. Seitdem das Internet die Möglichkeit zum Bestellen bietet, bin ich auch hier fündig geworden und habe meine Sammlung ergänzen können. Flohmärkte und Tauschbörsen habe ich eher gemieden, weil mir auch an der Musik etwas liegt und eine zerkratzte Platte keinen Hörgenuss mehr bietet.

Welche Pflege braucht eine Schallplatte, wenn sie für die Nachwelt aufbewahrt werden soll?

ARNDT: Pflege im eigentlichen Sinne ist nicht notwendig. Für eine Schallplatte ist es jedoch wichtig, dass sie keinen großen Temperaturschwankungen unterliegt. Damit die Hülle nicht beschädigt wird, sollte sie keiner feuchten Luft ausgesetzt werden. Viele lagern ihr Vinyl im Keller, was man nach einigen Jahren jedoch riecht, weil sich Schimmelsporen im nicht mehr trockenen Papier einnisten. Die Platten sollten aufrecht stehen und nicht liegend übereinander gestapelt werden.

Ist ein Vinyl-Freund eigentlich von Haus aus Nostalgiker?

ARNDT: Nicht alle, die Vinyl als Musikmedium bevorzugen, sind gleich, und nicht alle sind rückwärtsgewandt. Aufgrund des Wiedererwachens der Vinylindustrie sind auch brandaktuelle Musiker und Bands auf Schallplatte zu haben. Sogar Techno und Hip-Hop hatten auf Vinyl ihre Berechtigung. Gewiss ist das Anhören mit einem Schallplattenspieler im Zeitalter digitalisierter Musik ein Gegentrend, und ich kenne viele junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, die alte und neue Vinylplatten sammeln. Es muss also nicht immer gleich als konservativ gelten, die Schnelllebigkeit gegen die Wertigkeit einer Stimmung, die das Schallplattenanhören mit sich bringt, einzutauschen.

Die technischen Audio-Standards änderten sich, die Leidenschaft zur Schallplatte blieb aber: Was hat sie, was CD und MP3 nicht haben?

ARNDT: Während sich nach 20, teils vielleicht erst 40 oder 60 Jahren von CDs keine Musik mehr abspielen lässt, bleibt die Tonspur in der Rille beim Vinylchlorid quasi unbegrenzt vorhanden. Die nächsten Generationen werden die Schallplatte daher umso mehr wieder zu schätzen wissen. Neben einer großen Fläche ihrer Umverpackung und ihrer Innenhülle bietet die Langspielplatte deutlich mehr Kapazitäten zur grafischen Ausgestaltung. Manche Cover, wie die von Andy Warhol, gelten heute als Kunstwerke. Daneben ist das Zelebrieren des Abspielens, vom Aufsetzen des Tonarms und dem Abtasten der Tonspur mit Hilfe der Nadel bis hin zur Möglichkeit, in Form gepresste Töne in den Händen halten zu können, nämlich das schwarze Vinyl, bei dem je Seite eine schneckenförmige Rille zu erkennen ist, für Fans etwas Besonderes: Es ist, als sei der Vergänglichkeit damit Einhalt geboten.

Wie haben Sie die technische Revolution durch die CD damals wahrgenommen?

ARNDT: Ich erinnere mich noch, als ich mich 1981 mit Mitarbeitern auf meiner Arbeitsstelle unterhielt, die damals schon den Untergang der Schallplatte prognostizierten, nachdem die CD in Fachzeitschriften angepriesen worden war. Bis dato war es nicht vorhersehbar und auch nicht vorstellbar gewesen, dass die Schallplatte von einem anderen Medium verdrängt werden könnte. Als es aber dann so weit war, habe ich es akzeptiert, obwohl ich mit Wehmut an meine bis dahin zusammengetragene Vinyl-Sammlung dachte. Mittlerweile hat die CD ausgedient, und ich vermute, in spätestens zehn Jahren wird keine einzige neue mehr in Umlauf gebracht werden.

Vinyl-Liebhaber kritisieren den Klang digitaler Musik als steril. Wie bewerten Sie den klanglichen Unterschied?

ARNDT: Wer Schallplatten mag, schwört auf deren warmen Klang im Gegensatz zur CD. So ganz frei und objektiv sind wir Menschen allerdings nicht. Vieles wird vom Unterbewusstsein gelenkt, und im guten Glauben an die Qualität einer Schallplatte erscheint uns diese genauso. Wir kennen alle den Placebo- und Non-Placebo-Effekt. Es wird technisch Versierte geben, die das Gegenteil behaupten, dass also Klangelemente unter Verwendung digitaler Effekte besser wären, als es jemals auf Vinyl machbar sein könne. Vermutlich ist es schlussendlich die „Gretchenfrage “.

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