Mönchbruch: Zwischen Fluglärm und Vogelpiepen
Ameisenhügel, Hirschkäfer, Käuzchen, Fledermäuse, Hirsche, Rehe – die Laufstrecke durch das Naturschutzgebiet Mönchbruch lässt die Herzen von Joggern und Naturfreunden gleichermaßen höher schlagen. Bei der ältesten Laufgruppen der Region läuft aber auch die Erinnerung mit – gerade, wenn es an der Startbahn West vorbei geht.
Es ist ein eingespieltes Team, das sich am Vereinsheim der SKG Walldorf 1888, auf die Strecke macht. „Seit 30 Jahren“, sagt Leiter Hermann Kinkel, der nach einer Hüftoperation mit seiner Frau Maria diesmal auf dem Fahrrad mitfährt, „treffen wir uns das ganze Jahr hindurch immer dienstags und donnerstags um 19 Uhr“. Eingeschworen und doch weltoffen ist die Laufgruppe der Turngesellschaft Walldorf (TGS): Mitmachen darf jeder, Nicht-Vereinsmitglieder sind willkommen. Auch ein Flüchtling aus Eritrea hatte sich eine Zeitlang angeschlossen, „der nie aus der Puste kam“, wie sich Hartwig Kittler respektvoll erinnert.
Safari
Dieser Laufkurs ist auch ein bisschen Safari: Vorbei an naturkundlichen Schautafeln, die Bäume und Vögel erklären, geht es auf einer Schotterpiste parallel zum Gundbach in den Wald. Wer Augen und Ohren offen hält, bekommt hier das volle Naturprogramm geboten, sieht regelmäßig Wildschweine und bis zu 100 Rehe oder Hirsche, hört in der Dämmerung Käuzchen rufen und läuft links und rechts flankiert vom roten Fingerhut in voller Blüte. An einem Baum prangt in altdeutscher Schrift ein grünes „L“ für den Lutherweg, der hier durch Hessens zweitgrößtes Naturschutzgebiet, den Mönchbruch führt. Während der Karolingerzeit gehörte er zum „Reichsforst und Wildbann Dreieich“, in dem die deutschen Kaiser bis ins Mittelalter auf die Jagd gingen. Die riesigen Waldgebiete wurden vom Reichsvogt, der seinen Sitz in Dreieichenhain hatte, verwaltet.
Nach knapp zwei Kilometern in den Wald hinein liegen rechter Hand die weiten Gundwiesen vor den Läufern, im Volksmund „Hirschwiesen“ genannt. Wie zum Beweis lugen in der Ferne zwei Hirschköpfe aus dem Gras hervor. Jäh durchbricht eine von der Startbahn West aufsteigende 747 die Idylle: Ohrenbetäubender Fluglärm verdrängt immer wieder den Vogelgesang.
Rechts biegt die Gruppe nun ab, überquert auf einer Brücke den Gundbach, dann geht’s über den von Eichen gesäumten Knüppeldamm. Seinen Namen trägt er, weil er vor vielen Jahrhunderten auf gestapelten und aufgeschütteten Eichenknüppel über die sumpfigen Gundwiesen führte. Neben den akustischen sind es hier auch optische Kontraste, die auffallen: Von der wunderschönen Eichenallee schweift der Blick rechts auf eine große Fläche mit vielen Strommasten.
Angenehme feuchte Kühle steigt aus den Gräben des Waldes auf und schlägt den Läufern entgegen, die nun rechts abbiegen auf die Mönchbruchallee, eine Schneise vom Mönchbruch zum Flughafen. Bald ist die Startbahn West erreicht. Einige der Läufer haben hier vor über 30 Jahren gegen die umstrittene Flughafenerweiterung protestiert. „Vor unseren Augen“, erinnert sich Maria Kinkel wehmütig, „haben sie hier gesunde Eichen flächendeckend gefällt“. Diese Szenen, sagt die naturverbundene Frau, werde sie nie vergessen. „Das sitzt tief.“ Ein aufsteigender Billigflieger bricht die Stille.
Flutlicht im Winter
Rein pragmatisch und auf die Strecken der TGS-Laufgruppe bezogen, habe der Flughafen auch seine Vorteile, sagen die Sportler: Im Winter lässt sich hier entlang der Startbahn gut und sicher laufen, dank der grellen Flutlichtscheinwerfer. Und auch der Himmel ist durch den Flughafen in dunklen Winternächten immer beleuchtet.
Die Abendsonne färbt die Kieferstämme am Wegesrand bronzen, als die Gruppe am Angelteich linkerhand vorbeiläuft. Ein Eichhörnchen erklimmt behände einen Fichtenstamm und Hartwig Kittler hilft einer Babykröte beim sicheren Überqueren der Laufstrecke. Noch einmal geht es links ab, dann dringt Kinderlachen von der Minigolfanlage herüber.
Abwechslungsreiche Landschaft mit Wald und Wiesen
Mit der freundlichen Laufgruppe der TGS macht es doppelt Spaß