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26 Schüsse auf Täter in Mörfelden-Walldorf waren Notwehr

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Von: Michael Forst

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Um einen Messerstecher zu stoppen, feuerten Streifenbeamte vielfach auf den Angreifer und trafen ihn schließlich tödlich. Nach langen Ermittlungen wegen Totschlags gegen drei der Gesetzeshüter steht nun fest: Die Beamten trifft keine Schuld.

29. Oktober 2017: Ein 19-jähriger Räuber verletzt kurz nach Mitternacht einen jungen Mann mit mehreren Messerstichen und flüchtet in die Gaststätte des Mörfelder Bürgerhauses. Dort stellen ihn fünf Streifenbeamte, feuern dabei 26 Schüsse ab. Acht davon treffen – eine Kugel durchschlägt den Oberkörper des Mannes und tötet ihn. Der Fall hält die Bürger der Doppelstadt wochenlang in Atem. Monatelang laufen Ermittlung gegen drei der Polizisten – jetzt sind sie eingestellt worden. „Es war eine Notfallsituation. Die Beamten durften die Waffe einsetzen, und es gab auch keine andere Chance, um den Menschen zu stoppen.“ So fasste der Darmstädter Oberstaatsanwalt Robert Hartmann auf Anfrage dieser Zeitung die Ergebnisse der Untersuchungen zusammen.

Nachdem die tragischen Geschehnisse jener Nacht lange im Nebel lagen, ließen sie sich nun nach Worten Hartmanns weitgehend rekonstruieren. Demnach habe der später gestorbene 19-jährige Mann zunächst sein 26 Jahre altes Opfer mit einem Messer angegriffen und auch verletzt – warum, sei bis heute nicht geklärt. Der Täter sei danach geflohen, die Polizei habe ihn verfolgt und schließlich auf einem Fußweg hinter dem Bürgerhaus Mörfelden in der Nähe der dortigen Gaststätte gestellt.

Dann überschlugen sich die Ereignisse: „Der Mann entschloss sich, auf die Polizeibeamten zuzukommen“, berichtet Hartmann. „Die riefen ihm entgegen, dass er das 39 Zentimeter lange Messer fallen lassen sollte.“ Darauf und auch auf den angedrohten Schusswaffengebrauch habe der junge Mann nicht reagiert. Woraufhin die Beamten auf ihn geschossen und Arme und Beine getroffen hätten. Doch auch das habe den Mann nicht stoppen können, er sei weiter auf die Beamten zugelaufen. Ein Schuss habe ihn letztlich tödlich getroffen. In sozialen Netzwerken wie Facebook war am Vorgehen der Polizisten Kritik geübt worden. Vor allem die hohe Zahl der abgefeuerten Schüsse kommentierte so manch einer kritisch.

Zweifel am Vorgehen

Bei einer Straßenumfrage dieser Zeitung hatte ein Passant seine Zweifel so ausgedrückt: „Bei der Bundeswehr habe ich gelernt, wie man einen Messerangreifer stoppt. Das geht relativ einfach.“ Sei man zu dritt oder zu viert und brauche 26 Schüsse, deute das auf eine Panikreaktion hin – und darauf, dass die Polizisten nicht richtig ausgebildet seien.

Dem tritt Robert Hartmann entgegen: „Dass es einfach ist, einen Messerangreifer zu stoppen, bezweifle ich stark. Wenn ein Täter mit so einem langen Messer auf einen zu stürmt, möchte ich den mal sehen, der das hinkriegt.“ Dass es fast ein Dreivierteljahr gedauert hat, bis die Ermittlungen abgeschlossen werden konnten, nannte Hartmann „normal für so einen Fall“. Die Beamten hätten natürlich rechtliches Gehör bekommen, ihre Anwälte Einsicht genommen und eine längere Frist erhalten, um Stellung zu nehmen. Zeitaufwendig sei auch die Rekonstruktion des Tathergangs und die Untersuchung des Tatorts gewesen.

Gutachten abgewartet

Der sei beispielsweise mit einer Sphärenkamera aufgenommen worden; einer Kamera, die sich im Kreis drehe und den Kriminalisten mit ihren Aufnahmen einem räumlichen Eindruck vermittele. So könne genau analysiert werden, wer wo stand und aus welchem Winkel Schüsse abgegeben wurden. Schließlich habe noch eine Obduktion und ein rechtsmedizinisches Gutachten abgewartet werden müssen.

Ein anderer spektakulärer Kriminalfall des vergangenen Jahres in der Doppelstadt, bleibt derweil weiter ungelöst: Ein Unbekannter hatte am 18. August gegen 9 Uhr in der Sudetenstraße auf einen 43-jährigen Familienvater geschossen, als dieser gerade seine zweijährige Tochter in seinem schwarzen BMW anschnallen wollte. Mutter und Tochter mussten mitansehen, wie der Mann auf dem Bürgersteig zusammenbrach und dort seinen Verletzungen erlag. Die Ermittlungen einer Sonderkommission, gestützt auf Aufnahmen einer Überwachungskamera, dauern an. Robert Hartmann hierzu: „Wir haben ein paar Hinweise bekommen, denen wir nachgehen. Das wird noch eine Weile dauern.“

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