Steine zum Sprechen bringen

Sie gehören mittlerweile vielerorts zum Stadtbild – Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus. Doch steckt hinter jedem vor allem auch ein individuelles Schicksal. Das wollten Konfirmanden mit ihrer Reinigungsaktion hervorheben.
Die alljährliche symbolische Reinigung eines Stolpersteins in Walldorf stand am Dienstagnachmittag für eine Konfirmandengruppe gemeinsam mit den Pfarrern Jochen Mühl und Thomas Stelzer an.
Jedes Jahr nimmt sich eine andere Konfirmandengruppe einem der vor allem in Walldorf verlegten Stolpersteine an und reinigt diesen. Dabei beschäftigen sich die Konfirmanden mit der Geschichte des Betreffenden und halten einen kurzen Vortrag. In diesem Jahr wurde der Stolperstein von Clara Marie Adler, geborene Hellmann, ausgewählt. Sie lebte mit ihrer Familie einst An den Eichen 25-27, bevor sie mit ihrem christlichen Ehemann Franz Josef Adler nach Frankfurt zog.
Aus der Geschichte lernen
„Drei ihrer Großeltern waren Juden, weshalb sie bei den Nazis als Volljüdin galt. Aber ihr Mann war als reiner Deutscher anerkannt, weshalb sie gegenüber anderen privilegiert leben konnte“, berichteten Emmily Freitag und Olivia Meister im Rückblick auf das Leben der ehemaligen Bewohnerin. Sie erinnerten an die Geschichte der Juden im Nationalsozialismus, angefangen von der Machtergreifung der NSDAP, über die Reichskristallnacht 1938 bis hin zur Verfolgung, Verschleppung und Vernichtung von fast sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens.
„Auch heutzutage werden Menschen noch verfolgt – aus den unterschiedlichsten Gründen. Dabei sollte uns das Erinnern eigentlich helfen, aus der Geschichte zu lernen“, mahnte Pfarrer Jochen Mühl. Anschließend übergab er das Wort an zwei weitere Konfirmanden, die etwas über die Verfolgung von ethnischen Minderheiten, Volksgruppen, Gesinnungsgruppen oder aufgrund sexueller Orientierung beisteuerten.
Auf Hochglanz poliert
Mit dem Lied „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt“ des jüdischen Theologen und Journalisten Schalom Ben-Chorin wurde der offizielle Teil dieser symbolischen Reinigungszeremonie eingeleitet. Henri Becker und Felix Runzheimer griffen zu Wasser und Schwamm, um das in den Gehweg eingelassene Messingschild wieder auf Hochglanz zu polieren.
Die kurze Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau und wurde von der Stadt Mörfelden-Walldorf unterstützt. Für die Stadt war Stadträtin Ilona Wenz (SPD) gekommen und lobte diese Aktion gegen das Vergessen. „Eine lebendige Erinnerungskultur hier in Mörfelden-Walldorf zu erhalten, das geht nur über das Engagement der Menschen“, erklärte sie, die in Vertretung von Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) gekommen war.
Auch einer der Organisatoren, Hans-Jürgen Vorndran, Geschäftsführer des Fördervereins, lobte das Engagement der Konfirmanden von Thomas Stelzer und Jochen Mühl. „Mit Eurer Aktion tragt Ihr dazu bei, dass die Stolpersteine wieder in Erinnerung bleiben. Ja, Ihr bringt dadurch die Steine wieder zum Sprechen, in Form der Auseinandersetzung mit dem Menschen dahinter und der Vergangenheit“, lobte Vorndran die Gruppe.