Straßenbeiträge: Standfestigkeit gegenüber Regierungspräsidium vermisst

Die vom Regierungspräsidium auferlegte Einführung der Straßenbeitragssatzung sorgt für Aufregung in der Doppelstadt. Nachdem in der gestrigen Ausgabe der FNP fünf rechtliche Fragen zur neuen Straßenbeitragssatzung behandelt wurden, stehen heute fünf politische Fragen im Mittelpunkt.
Wer entscheidet über Straßensanierungen? Ob eine beitragspflichtige Investition stattfindet oder welcher Straßenbelag hierbei verwendet wird, das entscheidet die Stadtverordnetenversammlung von Mörfelden-Walldorf. Diese Zuständigkeit beruht auf dem Grundsatz der „kommunalen Selbstverwaltung“. Neben grundhaften Sanierungen von Straßen müssen auch bei massiven Umbauten oder qualitativen Verbesserungen von Straßen, beispielsweise beim Verlegen von Flüsterasphalt, Straßenbeiträge bezahlt werden. Regelmäßige Reparaturen, die der Instandhaltung der Straßen dienen, sowie Kanalsanierungen fallen hingegen nicht unter die Straßenbeitragssatzung. Beitragspflichtige Investitionen sind derzeit weder beschlossen noch geplant.
Inwiefern stand Mörfelden-Walldorf unter Druck? Das Regierungspräsidium (RP) hatte offiziell angekündigt, Mörfelden-Walldorf seinen Haushalt 2018 nicht zu genehmigen, sollte keine Satzung eingeführt werden. Das aktuelle Beispiel der Nachbarstadt Rüsselsheim zeigt, dass das RP es ernst meint und wohl auch bei der Doppelstadt so gehandelt hätte. Da die Haushalte von Mörfelden-Walldorf und Rüsselsheim jeweils beim RP genehmigungspflichtig sind, da sich beide Kommunen unter dem Schutzschirm des Landes Hessen befinden, hat das RP hier einen starken Hebel in der Hand. Es handelt hierbei im Auftrag des Landes Hessen. Das RP beruft sich auf das 2013 im Hessischen Landtag verschärfte Kommunale Abgabengesetz (KAG), das die hessischen Kommunen zur Einführung einer Straßenbeitragssatzung verpflichtet.
Welche Parteien waren in Mörfelden-Walldorf für die Einführung? Keine Partei wollte die Satzung einführen. Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) und der Erste Stadtrat Burkhard Ziegler (Freie Wähler) empfahlen dennoch der Stadtverordnetenversammlung, der Einführung zuzustimmen. Dem folgten die drei Regierungsfraktionen SPD, Freie Wähler und FDP sowie die größte Oppositionspartei CDU. Grüne und DKP/Linke Liste (LL) stimmten wegen der von ihnen befürchteten finanziellen Mehrbelastungen für die Bürger und dem bürokratischen Aufwand dagegen. Koalition und CDU fürchteten die Folgen einer Nichteinführung. Grüne und DKP/LL vermissten aus ihrer Sicht hier Standfestigkeit gegenüber dem RP, das die kommunale Selbstverwaltung massiv verletzen würde. Da alle Parteien vor Ort die Einführung der Satzung ablehnten, solle auch danach gehandelt werden, die Stadt müsse sich gemeinsam mit den Bürgern „wehren“. Diese Position hielten die anderen vier Parteien aber für „verantwortungslos“, sie sei zudem ein Gesetzesverstoß. Häufig wurde auf das Negativbeispiel Rüsselsheim verwiesen. Eine Nichtgenehmigung des Haushalts 2018 hätte zudem eine vorläufige Haushaltsführung zur Folge. Freiwillige Leistungen wie die Vereinsförderung, der Schwimmbadbetrieb oder das Angebot von Ferienspielen, seien dann nicht mehr möglich. Zudem gab es die Befürchtung, dass auch der für das Jahr 2018 beschlossene Ausbau der Kindertagesstätten gefährdet wäre, wenn der Stadt bei vorläufiger Haushaltsführung auch keine Kredite mehr genehmigt würden.
Warum gibt es vier Abrechnungsgebiete? Rechtlich ist es unmöglich, die ganze Stadt in einem Abrechnungsgebiet zusammenzufassen. Die Abrechnungsgebiete müssen zudem räumlich zusammenhängen, was ein gemeinsames Gebiet aus Mörfelden und Walldorf ausschließt. Das große Gewerbegebiet Mörfelden Ost als eigenes Abrechnungsgebiet war unumstritten. Auch die Zusammenlegung von ganz Walldorf zu einem Gebiet wurde akzeptiert. Für Irritation sorgten die zwei Abrechnungsgebiete westlich und östlich der Bahnlinie in Mörfelden. Das ist jedoch gesetzlich vorgegeben: Flüsse, Autobahnen oder eben Bahnlinien gelten als klare Trennlinien. In Walldorf konnte hier eine Ausnahme gemacht werden, da sich östlich der Bahnlinie kaum infrastrukturelle Einrichtungen befinden. Die Zusammenlegung Mörfeldens in einem Abrechnungsgebiet war von der CDU beantragt, aber von der Koalition als zwar wünschenswert, aber nicht rechtssicher, abgelehnt worden.
Kämpft die Bürgeraktion weiter? Ja. Auf den ersten Blick hat die Bürgeraktion „Gemeinsam gegen Straßenbeiträge“ zwar ihr Hauptziel verfehlt, da in der Doppelstadt trotz der beachtlichen 2569 Unterschriften, die gegen eine Straßenbeitragssatzung gesammelt worden waren, diese dennoch eingeführt wurde. Es bleiben aber zwei Erfolge: Das Thema der hohen Steuer- und Abgabenbelastung in der Doppelstadt wurde mit hoher Dringlichkeit auf die politische Agenda gesetzt. Zudem ist es zusammen mit diversen Bürgerinitiativen in Hessen gelungen, das Thema zeitnah zur Landtagswahl in den Fokus zu rücken. Die verschiedenen Initiativen in Hessen haben sich hierbei inzwischen vernetzt. Aktuell wurde ein Offener Brief an Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) geschrieben, in dem gefordert wird, die Straßenbeiträge in Hessen abzuschaffen.