Er findet verborgene Schätze im Ackerboden

Über die Jahre hat Jürgen Hubbert in Bauschheim und Umgebung zahlreiche archäologisch relevante Funde gemacht. Doch der studierte Flugzeugbauer ist auch ein Erfinder. Eines seiner Patente liegt den meisten von uns täglich zu Füßen.
Auf dem Acker hinter Bauschheim weht ein schneidender Wind. Diese Zeitung darf Jürgen Hubbert auf einer Runde über die Felder begleiten. „Heute ist ein idealer Tag dafür“, sagt der Bauschheimer. Auf das frisch gepflügte Feld hatte es geregnet, wodurch Fundstücke womöglich freigespült wurden. Mittlerweile ist der Boden aber wieder trocken und nicht mehr ganz so lehmig.
Hubbert holt seinen Metalldetektor aus dem Auto, und es geht los. Ein solches Hilfsmittel darf nur benutzen, wer dazu eine Genehmigung vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen hat, klärt er auf. Und auch ohne Hilfsgerät ist die Suche genehmigungspflichtig.
Nach einer Weile ertönt ein Pfeifen. Mit einem kleinen Schäufelchen fängt Hubbert erwartungsfroh an zu graben, eine Münze wird sichtbar. Doch sein erfahrenes Auge erkennt es auf den ersten Blick, und auf den zweiten wird auch dem Laien klar, das ist leider nur ein 10-Cent- Stück. An guten Tagen kann sich solch ein Fund auch schon mal als römische Münze entpuppen.
Siedlungen am Wasser
Hubbert deutet auf einen breiten Streifen dunklerer Erde, der quer über die abgeernteten Äcker verläuft. „Das ist ein Altlauf des Mains“, erklärt er. Da Menschen sich immer am Wasser angesiedelt hatten, sei die Suche dort am erfolgversprechendsten.
Der Mann muss es wissen, denn er hat auf Äckern und Baustellen in der Umgebung schon unzählige Relikte aus der Steinzeit und der Bronzezeit sowie aus der Zeit des römischen Reichs und dem Mittelalter gefunden. Einige seiner Funde kann man heute in der neuen archäologischen Abteilung des Rüsselsheimer Stadt- und Industriemuseums bewundern. „Mich hat die Vergangenheit schon immer interessiert. Wenn man wissen will, wie es weiter geht, muss man wissen, was früher war“, ist er überzeugt.
Wegen des kalten Windes endet der Spaziergang nach einer Stunde. Bei einer Tasse Tee im liebevoll nach den Vorgaben des Denkmalschutzes renovierten Fachwerkhaus von Jürgen und Jutta Hubbert geht das Gespräch weiter. Im Kachelofen knistert ein Feuer und verbreitet eine heimelige Atmosphäre.
Auf dem Sofa im Wohnzimmer sind mehrere, penibel beschriftete Kisten gestapelt. Hier lagern die „Schätze“ des Freizeit-Archäologen. Die ältesten Stücke sind Werkzeuge der Steinzeitmenschen, gefertigt aus Feuerstein. „Die würden die meisten Leute gar nicht erkennen“, bestätigt Hubbert. Die kleinen Schaber und Stichwerkzeuge wurden zur Bearbeitung von Fellen benutzt. Viele dieser Relikte hat der 77-Jährige in einem gerodeten Waldstück in Königstädten gefunden. „Stück für Stück haben wir die Erde abgetragen und gesiebt“, erklärt er den Arbeitsablauf.
Auf einer Karte hat Hubbert alle Fundplätze eingezeichnet, chronologisch durchnummeriert. In Königstädten war es Fundort 122. Dieser ist ihm in besonders guter Erinnerung, da er sehr fundreich war. „Deshalb wurde der Platz dann auch vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen ausgegraben“, erklärt er. Grundsätzlich nimmt das Landesamt alle Funde auf und dokumentiert sie, um mit den Findern dann über den Verbleib zu sprechen. Fundort 122 barg so viele Schätze, dass ein Student darüber seine Doktorarbeit schreiben konnte.
Der gebürtige Rheinländer Hubbert kam nach seinem Studium im Fach Flugzeugbau 1965 der Arbeit wegen nach Rüsselsheim. „Als ich noch berufstätig war, habe ich meine Ackerrunden genutzt, um abzuschalten und Probleme zu überdenken“, sagt er. „Das Auge wird mit der Zeit trainiert, es erkennt die interessanten Sachen automatisch“, erklärt er. „Dann ist das Gehirn frei für anderes. So manche Lösung habe ich auf dem Acker gefunden.“ Es sei eine schöne Tätigkeit, bei der man zudem Bewegung und frische Luft bekommt. Das Wichtigste ist jedoch: „Man erfährt, wie die Menschen gelebt haben und auch wie sie mit Veränderungen wie zum Beispiel dem Klimawandel zurechtkamen.“ Und davon könnten wir heute auch noch etwas lernen.
Patente angemeldet
Dass Hubbert bei seiner Begeisterung für das Alte auch ein Mensch mit Ideen für die Zukunft ist, davon zeugen einige Patente, die auf seine Erfindungen zurückgehen. So auch das Pedal-Release-System. Das sorgt dafür, dass sich bei einem Frontalzusammenstoß – wenn sich der Motorblock in Richtung Fahrer verschiebt – die Pedale aus ihrer Verankerung lösen. Dank dieser Erfindung ist die Gefahr komplizierter Brüche im Bereich von Fußgelenk und Schienbein gebannt. „Ich hatte mal gelesen, dass solche Verletzungen fast immer zur Berufsunfähigkeit führen“, sagt der Ingenieur. Diese Information habe ihn fortan nicht mehr ruhen lassen. Bei einem seiner Rundgänge habe er dann die entscheidende Idee gehabt.