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Mitglied greift in die Vereinskasse

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Von: Dorothea Ittmann

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Auf der Sportanlage des VfR Rüsselsheim in der Böllenseesiedlung trainieren nicht nur die Fußballer. Die Abteilung RC Car befährt neben dem Rasenplatz eine Rennstrecke mit ferngesteuerten Autos.  Foto: Dorothea Ittmann
Auf der Sportanlage des VfR Rüsselsheim in der Böllenseesiedlung trainieren nicht nur die Fußballer. Die Abteilung RC Car befährt neben dem Rasenplatz eine Rennstrecke mit ferngesteuerten Autos. Foto: Dorothea Ittmann © Dorothea Ittmann

Ehemaliger VfR-Vorsitzender soll 17 800 Euro veruntreut haben. Wie viel er davon zurückzahlen muss, wird jetzt vor Gericht geklärt.

Rüsselsheim -Eigentlich sollten Fairness und Sportsgeist auf und neben dem Spielfeld gelten. Beim Verein für Rasenspiele Rüsselsheim (VfR) hängt jedoch der Haus- beziehungsweise Vereinssegen abseits des Grüns gewaltig schief.

Dem früheren Vorsitzenden wird vorgeworfen, von Juni 2016 bis Juni 2018 rund 17 800 Euro veruntreut zu haben. Erst einigte man sich außergerichtlich. Der ehemalige Vereinsfunktionär sollte die Summe in Raten zurückzahlen. Als dieser nach nur einer Zahlung von weiteren Überweisungen auf das Vereinskonto absah, stellte der VfR Strafanzeige.

Gestern beschäftigte sich die Vorsitzende Richterin und Direktorin am Rüsselsheimer Amtsgericht, Inge Staples, mit dem Fall. Der 40-jährige Angeklagte aus Rüsselsheim soll in 26 Fällen Geld veruntreut haben. Die Staatsanwaltschaft verlas jeden einzelnen Fall - die abgehobenen Beträge variieren zwischen 100 und 3000 Euro.

Die Schuldfrage stand nicht im Raum. Der frühere Vorsitzende hatte gleich zu Beginn des Verfahrens gestanden, Vereinsvermögen ohne Genehmigung für eigene Zwecke verwendet zu haben. Auf die "privaten Umstände" wollte er zunächst nicht weiter eingehen.

Als Richterin Staples nochmals nachfragte, gab der 40-Jährige zu, nach der Trennung von seiner Frau "in ein Loch" gefallen und spielsüchtig geworden zu sein. Zu dem Zeitpunkt war der gelernte Schlosser noch berufstätig gewesen und hatte über ein regelmäßiges Einkommen verfügt, stellte Staples fest.

Gläubiger mit Abfindung bedienen

Der Angeklagte habe sich bei der Caritas beraten lassen, wie er erzählt. Als man ihm dort riet, eine Kurklinik zu besuchen, habe er Freunde um Hilfe gebeten. "Durch meine Freunde bin ich gut von der Spielsucht weggekommen", sagte der Rüsselsheimer.

Mittlerweile ist der 40-Jährige arbeitslos, erhalte aber eine Abfindung von seinem früheren Arbeitgeber. Mit dem Geld werde er seine Gläubiger bedienen, sagte der Angeklagte vor Gericht.

Ums liebe Geld ging es denn auch am ersten Prozesstag. Der Rüsselsheimer und seine Strafverteidigerin Claudia Lorz-Felten fechten die Höhe der Entschädigungsforderung an.

Die geforderten 17 800 Euro seien zu hoch angesetzt. "Mein Mandant hatte auch Ausgaben für den Verein", gab Lorz-Felten zu bedenken. Diese würden ihrem Mandanten aber als Verlust ebenfalls in Rechnung gestellt. Sie forderte deshalb, jede der 26 Barauszahlungen, die in der Anklageschrift aufgeführt sind, nochmals zu prüfen.

Die buchstäblichen "Wäschekörbe an Zahlungsbelegen", von denen im Laufe des Prozesses immer wieder die Rede war, habe nur der Steuerberater des VfR durchsehen können, nicht aber das Gericht oder die Verteidigung, bemängelte Lorz-Felten wiederholt.

Die ursprünglich geschätzten 6000 Euro seien so im Laufe der Zeit auf 15 000 Euro angewachsen und nach Prüfung durch den Steuerberater nochmals auf 17 800 Euro nach oben korrigiert worden. Die Forderungen seien unzureichend begründet worden. Dennoch sei der Angeklagte bereit, maximal 12 000 Euro als Entschädigung zu zahlen, sofern er diese Summe nachweislich veruntreut habe. Wie viel Bargeld er in zwei Jahren in die eigene Tasche gesteckt hatte, wisse er nicht. Und auch an konkrete Ausgaben wie die Ablösesummen für Fußballspieler, Kilometergeld und Trainerhonorare erinnere er sich nicht im Detail.

Etwas Licht ins Dunkel brachte der Kassenwart, der an dem Tag als Zeuge geladen war. Eigentlich hätte auch der Vorstandsvorsitzende ausgesagt, er hatte sich aber aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen lassen.

Einsicht in die Akten

Der Kassenwart hatte zwar nicht den "ominösen Wäschekorb" dabei, wie die Staatsanwaltschaft scherzhaft bemerkte, dafür aber eine Plastiktasche mit drei Aktenordnern.

Anhand der darin abgehefteten Belege könnte der Angeklagte in drei Fällen freigesprochen werden, kommentierte Richterin Staples. Nachgewiesen wurden Ausgaben für zwei Turnierfahrten sowie die Meisterfeier im Mai 2017, nachdem die VfR-Fußballer in die Kreisoberliga aufgestiegen waren.

Die fehlenden Geldbeträge seien dem Verein erst 2018 aufgefallen, als das von der Pächterin des Vereinsheims gezahlte "Kegelgeld" über mehrere Monate nicht in der Barkasse aufgetaucht war, berichtete der Kassenwart auf Nachfrage von Rechtsanwalt Jürgen Buhl, der den VfR vor Gericht vertritt. Dass die Transaktionen nicht nur online, sondern in vielen Fällen in bar getätigt wurden, erschwert die Nachverfolgung des Zahlungsverkehrs.

Hinzu kam, dass die Mitgliederversammlung des VfR im selben Jahr aufgrund "vereinsinterner Probleme", wie es hieß, verschoben worden sei. Erst im Februar 2019 habe sich der Verein satzungsgemäß getroffen.

"Es wird immer undurchsichtiger. Wir kommen heute nicht mehr zu einem Ergebnis", kam Richterin Staples der Forderung der Strafverteidigung nach, das Verfahren zu vertagen. Die Akten müssen nach Ansicht des Gerichts erneut geprüft werden. Ein Urteil soll zu einem späteren Zeitpunkt gefällt werden. Von Dorothea Ittmann

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