Spannendes zur Historie des Marktplatzes
Die Gestaltung des Rüsselsheimer Marktplatzes ist aktuell ein kontrovers diskutiertes Thema. Bei der Führung des Heimatvereins ging es um die Historie des zentralen Platzes.
1905 war die Stadtmitte Rüsselsheims tatsächlich der zentrale Punkt der Stadt. Das Rathaus stand noch ein Stückchen näher an der Kirche als heute und beherbergte auch die Schule. Daneben befand sich das Wiegehäuschen und gegenüber der Kirche die Polizeiwache. Über den Ordnungshütern residierten die Gemeindeschwestern. Die Zentrale für die ersten Telefone, die damals in die Stadt kamen, war ebenfalls im Rathaus.
Davon zeugen die Telegrafenstangen auf dem Foto aus dem Jahre 1905, das der erste Vorsitzende des Rüsselsheimer Heimatvereins Manfred Powalka – neben vielen anderen – zur Führung mitgebracht hat. Etwa zwanzig interessierte Bürger haben sich am Brunnen eingefunden, um etwas über die Historie des Marktplatzes zu erfahren.
Vieles nach Krieg zerstört
Das alte Rathaus musste 1939 weichen – das neue war schon in Betrieb. Es stand der gewünschten Durchgangsstraße in Richtung Bahnhof im Weg. Nach dem Krieg war vieles zerstört. „Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie Rüsselsheim nach dem Krieg aussah“, sagt Norbert Hart. Der 82-jährige Rüsselsheimer ist zusammen mit Hansgeorg Schwab (79) zur Unterstützung Powalkas zur Führung gekommen.
Die beiden rüstigen Herren haben die Entwicklung des Marktplatzes immerhin viele Jahrzehnte begleitet. Und so weiß Hart auch, dass das frühere Gasthaus zur Krone und die Löwen-Apotheke am heutigen Standort des Rathauses gestanden hatten.
Dort, also vor dem Gasthaus, war im Jahr 1885 anlässlich des 70. Geburtstages von Reichskanzler Otto von Bismarck die Bismarck-Linde gepflanzt worden. Das Gasthaus sei drei Jahre später abgebrannt, ergänzt Schwab.
Überhaupt hatte das Pflanzen von Linden Konjunktur, wie Powalka berichtet. 1871 hatte man in einer feierlichen Zeremonie eine Friedenslinde gesetzt, und nur neun Tage vor der Bismarck-Linde bekam auch Johann Sebastian Bach post mortem seinen Gedenkbaum zum 200. Geburtstag. Auf einem Plan aus dem Jahr 1800 hingegen findet sich nur ein Baum auf Platz, die sogenannte Gerichtslinde.
Nach dem Krieg war der damalige Bürgermeister Ludwig Dörfler verantwortlich für die Neugestaltung des Platzes, der mit einer Größe von 71 mal 61 Metern viel Gestaltungsspielraum bietet. „Dörfler wollte, dass der Platz ein einheitliches Gesicht bekommt“, berichtet Powalka. Auch Arkaden vor den Geschäften seien damals eine Idee gewesen, die aber nicht verwirklicht wurde. „Schade, das wäre schön gewesen“, meint eine Zuhörerin.
Dörfler hatte den Darmstädter Architekten Professor Karl Gruber mit dem Wiederaufbau beauftragt, der viele vom Krieg zerstörte Städte neu geplant hatte. „Er hatte einen unverwechselbaren Stil“, sagt Powalka.
Portal und Schwimmbad
Auf einem Foto aus dem Jahr 1951 sieht man den Platz nach seinem Wiederaufbau. Auch ein Bushäuschen stand seinerzeit dort, an einem Tisch davor wurden die Fahrkarten verkauft. Eisdielen gab es damals noch keine, dafür aber drei Speiseeis-Geschäfte, die ihre Leckereien von mobilen Verkaufsständen aus verkauften. Erst waren das von Hand geschobene Wagen, später Kleinbusse.
Die beliebtesten Standorte seien das Opel Hauptportal, das Schwimmbad und natürlich der Marktplatz gewesen. Das weiß Hart ganz genau, schließlich ist sein Vater einer der Eisproduzenten gewesen. „Mein Vater war einer der drei Eisheiligen von Rüsselsheim“, erzählt er schmunzelnd. Ewald, Knodel und Hart waren nach dieser Rüsselsheimer Lesart die Namen der Heiligen.
Dass der Marktplatz in der Opelstadt nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch aktuell ein fortlaufendes Projekt ist, davon muss der Referent die Zuhörer nicht erst überzeugen. Die Diskussionen um Bäume und Bodenbeläge sind schließlich echte Dauerbrenner unter den Rüsselsheimer Top-Themen. „Der Marktplatz und die Fußgängerzone waren schon immer beliebte Umgestaltungsprojekte der Stadtoberen“, lautet Manfred Powalkas Kommentar.