Lärm und Verspätungen: Ärger um Dreieichbahn nimmt nicht ab

Kunden und Anwohner sind sauer auf die Dreieichbahn. Die Kunden, weil sie entweder zu spät oder gar nicht kommt, die Anwohner über den Lärm, den sie verursacht.
Dreieich - Julia Möller steht mit ihrem Kamerateam am Bahnhof in Dreieichenhain und wartet auf die Dreieichbahn. Um 17.43 Uhr soll der Zug in Richtung Frankfurt einfahren. Die Redakteurin von RTL Hessen hat sich gerade die Sorgen der Anwohner über die gewachsene Lärmbelastung angehört und will mit Kameramann und Tontechniker ein paar Livebilder einfangen. Was passiert? Nichts! Fünf Minuten bevor er in den Bahnhof einfahren soll, kommt die Durchsage, dass der Zug wegen technischer Störung ausfällt.
Wieder legt die Bahn keine gute Performance hin, passend zu den Problemen der vergangenen Wochen und Monate. Eine Frau schiebt mürrisch ihr Rad vom Bahnhof weg: „Wie kann es hier denn Lärm geben, der Zug fährt doch überhaupt nie, wenn man ihn braucht“, sagt sie und schimpft, dass sie jetzt mit dem Rad nach Frankfurt fahren müsse.
Dreieichbahn sorgt überall für Ärger
Die Dreieichbahn ist für viele ein Ärgernis, und das aus unterschiedlichen Gründen. Kunden sind sauer, weil Züge verspätet sind oder komplett ausfallen. Nach wie vor erreichen die Redaktion täglich Mails von frustrierten Nutzern. Zum Beispiel von Daniel Zankl, der am Donnerstag um 16.15 Uhr vom Frankfurter Hauptbahnhof aus nach Dreieichenhain wollte, um seinen Sohn aus der Kita abzuholen. Schaffte er nicht rechtzeitig, denn der Zug kam nicht in Gang. Weil zwischendurch Hoffnung aufkeimte, entschied sich Zankl fürs Warten – doch mehr als ein paar Meter schaffte es der Zug nicht. Zankl blieb nichts anderes übrig, als ein Taxi zu nehmen – was ihn um 51,30 Euro ärmer machte.
Anwohnern geht die gestiegene Lärmbelastung durch die neuen Triebwagen auf die Nerven. Die ersten sind seit ein paar Wochen auf der Strecke zwischen Frankfurt und Dieburg unterwegs. André Krebs ist froh, dass Bewegung in die Sache gekommen ist und die Beschwerden der Menschen zumindest gehört werden. „Ich bin wirklich kein Mensch, der scharf auf Medienrummel ist und der unbedingt in die Zeitung oder ins Fernsehen möchte. Aber erst als wir die Presse eingeschaltet haben, haben wir überhaupt Gehör gefunden“, sagt der Dreieichenhainer, der zuvor den RMV, die Stadt, die zuständigen Bundesbehörden und die DB angeschrieben hatte.
Anwohner fragen: Wieso wurden Fahrzeuge der Dreieichbahn vor dem Kauf nicht intensiv getestet?
Krebs ist froh, dass sich inzwischen so viele Leute wegen des erhöhten Lärmpegels durch die Bremsgeräusche gemeldet haben. „Ich fühle mich schlicht veräppelt. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto mehr entsteht der Eindruck, dass die Firma Pesa den Zuschlag nur bekommen hat, weil sie das günstigste Angebot abgegeben hat. Wie viel Geld nun in die Anpassung einfließt, um nachträglich die Vorgaben zu erfüllen, steht wohl nicht mehr im Verhältnis“, sagt Krebs, der die vermeintlich „billige Einkaufsstrategie“ der DB nicht verstehen kann. Vereinzelt hat er festgestellt, dass durch das Fahrverhalten der Lokführer ein leiseres Einfahren möglich ist.
Die Aussage der Deutschen Bahn, dass die neuen Fahrzeuge aus Polen alle gesetzlichen Regelungen und Grenzwerte – insbesondere bei den Lärmemissionsgrenzwerten – erfüllten, klingt in den Ohren vieler Anwohner wie Hohn. Krebs fragt sich, warum die Fahrzeuge nicht vor dem Kauf intensiv getestet wurden. „Das passiert jetzt vor unserer Haustür.“

Auch Bürgermeister Martin Burlon ist am frühen Donnerstagabend nach Dreieichenhain gekommen. Er betont, dass die Stadt hinter den belasteten Anwohnern stehe. „Natürlich haben wir uns auch moderne und komfortablere Züge für die Nutzer der Dreieichbahn erhofft. Es ist absolut ärgerlich, dass sie für mehr Lärm an der Strecke sorgen. Ich hoffe sehr, dass die DB Regio die akuten Probleme technisch oder durch die Handhabung der Züge in den Griff bekommt“, sagt Burlon. Er bekräftigt noch einmal den Stellenwert der Dreieichbahn im Pendlernetz vom Kreis Darmstadt-Dieburg bis nach Frankfurt. „Das haben wir ja gerade erst in unserem Positionspapier an das Regierungspräsidium Darmstadt deutlich gemacht. Für uns ist auch der zweigleisige Ausbau immens wichtig, um die Stabilität des Fahrplans zu erhöhen“, sagt der Rathauschef.
Er nimmt auch eine Namensliste von Elisabeth Keller entgegen. Rund 30 Dreieichenhainer haben mit ihrer Unterschrift bekundet, dass sie sich vom gestiegenen Bahnlärm gestört fühlen. Burlon: „Das ist ein gutes Instrument, um zu untermauern, dass es sich bei der Lärmbelastung eben nicht um eine Einzelwahrnehmung handelt.“
Der RTL-Beitrag wird vermutlich Anfang nächster Woche in „Hallo Hessen“ gesendet. Julia Möller wartet noch auf eine Stellungnahme der Deutschen Bahn. Und einen einfahrenden Zug will das Team auch noch filmen.
Von Nicole Jost und Frank Mahn