Erinnerung an den Terror der Nazis
Sie ist Zeugnis einer dunklen Zeit in Deutschland: Im Keller des Alten Rathauses gab es einst eine Arrestzelle, die Nazi-Schergen im „Dritten Reich“ für ihre brutalen Machenschaften nutzten. Bei der Gedenkveranstaltungen zur „Reichspogromnacht“ wird der lange Jahre nicht zugängliche Raum nun als Teil des Stadtmuseums wieder eröffnet.
Es ist ein kleiner, gekachelter Raum mit einem kleinen, vergitterten Fenster: In der früheren Arrestzelle im Alten Rathaus haben die Nazis einst nicht nur Menschen gefangen gehalten, sondern auch gefoltert. Einer von ihnen, der zum Glück glimpflich davon kam: Philipp Hartmann, der Urgroßvater des heutigen Ersten Stadtrats Stefan Löbig. Hartmann war nicht nur von 1926 bis 1933 Vorsitzender der Sport- und Sänger-Gemeinschaft Langen, sondern auch SPD-Parlamentarier. Die Nazis setzten ihn fest, ließen ihn aber nach zwei oder drei Tagen unter der Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, wieder gehen. Andere, zum Beispiel Politiker der Kommunistischen Partei, hatten nicht so viel Glück.
Schwierige Quellenlage
Allerdings: Was sich genau abspielte und in welchem Umfang, ist kaum noch zu klären. „Die Quellenlage ist schwierig“, sagt Uwe Sandvoß, städtischer Fachdienstleiter für Kulturelle Bildung. „Es gibt nur wenige, ganz kurze Berichte aus dem Jahr 1933.“ Vermutet wird, dass bekannte Regimegegner wie Wilhelm Burk und Walter Rietig in der Zelle gefangen gehalten wurden. Zudem dürften Langener bis zu ihrem Abtransport ins Männer-KZ Osthofen im Rathauskeller inhaftiert gewesen sein.
„Es müssen sich schlimme Sachen dort abgespielt haben“, sagt Sandvoß. Vermutlich sei der Raum eine Zeit lang auch durch ein Gitter in zwei Zellen mit je einer klappbaren Pritsche unterteilt gewesen. Täter waren damals keine Langener, weiß Stefan Löbig: Es wurden extra SS-Männer und Polizisten aus Sprendlingen geholt. Ihre Namen sind bekannt.
Dunkles Kapitel
Sandvoß und der ehrenamtliche Stadtarchivar Heribert Gött erhoffen sich durch die Wiedereröffnung der Arrestzelle anlässlich der Gedenkveranstaltungen zur „Reichspogromnacht“, dass dieses dunkle Kapitel der lokalen Geschichte wieder in Erinnerung gerufen wird. Und sie dadurch sogar neue Erkenntnisse gewinnen können: „Vielleicht erinnert sich ja jemand noch, kennt Berichte aus der Familie oder hat sogar Materialien“, so Sandvoß. Das Stadtarchiv im Kulturhaus Altes Amtsgericht, Darmstädter Straße 27, ist unter (0 61 03) 9 10-4 75 zu erreichen (dienstags von 9 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr).
Am Samstag, 10. November, 14 Uhr, stellen Heribert Gött und Uwe Sandvoß den Gedenkraum im Alten Rathaus am Wilhelm-Leuschner-Platz in einer Führung der Öffentlichkeit vor.