Der Leiter der Janusz-Korczak-Schule nimmt viele schöne Momente mit in den Ruhestand

Nach einem halben Jahr stellte er einen Antrag auf Versetzung, doch letztlich blieb er 35 Jahre: Jetzt geht Manfred Stich, Leiter der Janusz-Korczak-Schule, in den Ruhestand.
Manfred Stich, Schulleiter der Janusz-Korczak-Schule, muss nicht lange überlegen, was er am meisten an seiner Arbeit liebt: „Es sind wohl die Tugenden der Kinder. Ihre Offenheit, ihre Ehrlichkeit und die Unverstelltheit, mit der sie uns begegnen.“ Nach fast 35 Jahren an der Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung geht Stich Ende des Monats in den Ruhestand.
Nach dem Studium der Sonderpädagogik und seinem Referendariat an der Offenbacher Fröbelschule war die Langener Förderschule 1984 seine erste Station als junger Lehrer: „Nach einem halben Jahr habe ich einen Versetzungsantrag gestellt“, erinnert sich Manfred Stich lachend. Der Grund war aber keinesfalls die inhaltliche Arbeit, sondern viel mehr der lange Anfahrtsweg aus dem unterfränkischen Großostheim.
Arbeit als Berufung
„Wir hatten damals selbst drei kleine Kinder. Letztlich habe ich die Wechselgedanken verworfen, die Fahrtzeit in Kauf genommen und das auch nie bereut“, räumt der engagierte Schulleiter ein.
Stich bezeichnet seine Arbeit als Berufung. Für ihn sei es immer am wichtigsten, den Schüler und seine Fähigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen. Niemals die Defizite. „Jeder Mensch ist entwicklungsfähig. Und manchmal geht es eben nicht darum, dass Kinder Englisch lernen oder den Zahlenraum bis 1000 erweitern. Natürlich wollen wir das Beste aus jedem Einzelnen herausholen“, sagt Stich. Aber das sei eben auch die Förderung der lebenspraktischen Fähigkeiten, wie Schuhe zubinden, die kommunikativen Fähigkeiten oder die Orientierung zu verbessern. „Letztlich ist unser Auftrag die Entwicklung von Teilhabe am sozialen Leben und Selbstverwirklichung – das steht immer im Vordergrund“, weiß Manfred Stich.
An seine erste Klasse kann er sich noch gut erinnern. Erstmals kamen Schüler mit einem körperlichen Handicap, neben der geistigen Einschränkung, auf die Korczak-Schule. Alle fünf saßen sie im Rollstuhl. „Da habe ich schon mal tief durchgeatmet und gesagt, also los! Jetzt bist du für diese Kinder verantwortlich, jetzt sieh mal zu, wie deine Förderung aussehen kann.“
Nachhaltiges Angebot
Stich hat viele schöne und glückliche Momente in seiner Erinnerung, die er mit in den Ruhestand nimmt – aber eben auch schwierige Zeiten. „Es gibt Regression, Kinder, die laufen und sprechen können und diese Fähigkeiten verlieren. Und letztlich kommt es auch vor, dass wir verarbeiten müssen, wenn ein Kind stirbt.“ Deshalb hat der Sonderpädagoge Strategien entwickelt, die seinem Kollegium und der Schulgemeinde in solchen Krisensituationen helfen.
Sport und Bewegung sind dem 64-Jährigen bis heute ein großes Anliegen. Mit großer Leidenschaft gibt er selbst Sport- und Schwimmunterricht. „Wenn ein autistisches Kind, das im Alltag nicht in der Lage ist, einen Kontakt aufzubauen, im Wasser plötzlich auf mich zukommt, ist das eine schöne Erfahrung. Das zeigt, dass Wasser ein besonderes Element ist.“ Mit der Gründung des Vereins „Miteinander Sport für alle!“ hat Stich auch ein sehr nachhaltiges Angebot an der Schule geschaffen, das den Kindern Fußball, Yoga, Golf oder Trampolinspringen in der Nachmittagsbetreuung ermöglicht.
Der Schulleiter, der diesen Posten 1992 offiziell übernahm, hat nicht nur an der Langener Förderschule gewirkt. Über das Staatliche Schulamt war er einige Jahre für die Förderschulen in Stadt und Kreis Offenbach zuständig und hat Schulentwicklung und Personalversorgung vorangetrieben. Seine eigene Schule ist von 16 Lehrern auf inzwischen 115 Pädagogen und Erzieher angewachsen.
Inklusion war in den vergangenen Jahren ein bestimmendes Thema: „Ich bin um jedes Kind froh, dass an einer Regelschule unterrichtet werden kann – aber Inklusion ist nicht für jedes Kind der richtige Weg“, betont er.
Auch wenn er seinen Schreibtisch ausgeräumt hat, bleibt Manfred Stich „seiner Schule“ mit Beraterstunden und zwei Stunden Sportunterricht in der Woche erhalten. „Und sonst freue ich mich, dass ich künftig nicht mehr um 5.30 Uhr aufstehen muss“, gibt er schmunzelnd zu. Er plant Wandertouren mit seiner Frau und viele Besuche bei seinen fünf Enkeln, von denen zwei in der Schweiz und einer in Aachen leben.