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Arbeiter fühlen sich um den Lohn geprellt

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Mit Protestplakaten machen die rumänischen Arbeiter auf ihre Situation vor der Baustelle im Birkengewann aufmerksam. Foto: Michael Forst
Mit Protestplakaten machen die rumänischen Arbeiter auf ihre Situation vor der Baustelle im Birkengewann aufmerksam. Foto: Michael Forst © Michael Forst

18 rumänische Bauarbeiter haben seit über einer Woche die Arbeit an einer Reihenhaus-Baustelle im Neubaugebiet „Am Birkengewann“ niedergelegt. Sie protestieren damit gegen nach ihren Angaben verminderte und ausbleibende Lohnzahlungen und schlechte Arbeitsbedingungen. Die frustrierten Männer machen deutlich, dass sie für ihr Geld und ihr Recht kämpfen wollen.

Wie eine menschliche Mauer aus Zorn, Wut und Enttäuschung stehen sie da: 18 rumänische Bauarbeiter an der Ecke Offenbacher Straße und Am Trieb. Hinter ihnen: Eine riesiges Schild, das in farbenfroher Prospektansicht 57 schicke Reihenhäuser als „Isenburger Gärten“ im Birkengewann ankündigen. Dazu, in starkem Kontrast, die Protesttafeln der Rumänen: „Wir wollen unsere Löhne!“, steht darauf in Deutsch und ihrer Muttersprache. Und: „Wir wurden auf der Baustelle betrogen.“ Seit dem 18. Juni haben die Männer die Arbeit niedergelegt. Aus Protest dagegen, dass sie von ihrem Arbeitgeber, der CMF Constructions GmbH, im Mai kaum und seit Juni gar nicht mehr bezahlt werden.

„Die Männer sind alarmiert, weil sie erfahren haben, dass die Geschäftsführung angeblich vom Zoll festgenommen wurde“, berichtet Johannes Schader von der IG Bau Bezirk Rhein-Main, der sich mit dem DGB und der Beratungsstelle Faire Mobilität der Not der Arbeiter angenommen hat. Es ginge um Geschäfte mit Scheinrechnungen, „um Geld zu waschen und Kosten hoch- oder runter zu rechnen“. Überhaupt handele es sich um ein „dubioses Unternehmen“, das von Anfang an den Männern den Mindestlohn für qualifizierte Tätigkeiten im Hochbau von 14,95 Euro nicht gezahlt habe.

Firma zeigt sich überrascht

„Da wir wenig Hoffnung haben, dass sie vom Subunternehmer CMF noch Geld bekommen werden, fordern wir jetzt vom Generalunternehmer d&b Bau, seinen Verpflichtungen nachzukommen.“ Schließlich, so Schader, hafte der Generalunternehmer für die Nettolöhne. Als Antwort habe man ein Schreiben erhalten, wonach die Firma und die namentlich benannten Arbeitnehmer bei der d&b Bau unbekannt seien. Aber auch die Gewobau als Auftraggeber, betont Schader, habe eine Sorgfaltspflicht gegenüber der öffentlichen Hand, der Sozialversicherung und den betroffenen Arbeitern.

Die d&b Bau GmbH reagierte gestern auf Anfrage dieser Zeitung per mit der Gewobau abgestimmten Presseerklärung, in der sie sich von der Situation überrascht zeigte. Für die Rohbauten habe man die Dietzenbacher Firma Igman beauftragt und am 15. Juni erfahren, dass deren Geschäftsführung festgenommen, geschäftliche Unterlagen beschlagnahmt und Bankkonten gesperrt worden seien. „Für uns ebenfalls völlig überraschend“ sei die Nachricht gekommen, dass die beauftragte Firma ihrerseits „einen Nachunternehmer vertragswidrig ohne unser Wissen und ohne unsere Zustimmung mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt hat“ und die rumänischen Arbeiter eingesetzt habe.

Die unvollständigen und ausgebliebenen Lohnzahlungen verurteile die Firma d&b Bau „auf das Schärfste“. Man werde „selbstverständlich ohne Einschränkung“ den gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen und die Lohnforderungen prüfen und erfüllen, falls sie berechtigt seien. Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen sei bereits beendet worden, Gespräche mit den Gewerkschaften würden geführt.

Zwölf Stunden ohne Pause

Gewobau-Geschäftsführer Stephan Burbach bedauerte gegenüber dieser Zeitung die Vorgänge: „Dass eine Baustelle still steht, ist gewiss nicht in unserem Sinne.“ Er zeigte sich aber zuversichtlich, „dass die Arbeit an der Baustelle bald weitergeht.“ Das Beste sei ohnehin, „wenn alle zufrieden sind, vom Auftraggeber bis zum Arbeiter“.

Eile dürfte nun geboten sein, hört man den betroffenen Rumänen zu: „Das Geld ist weg, das Leben sehr schwierig“, bringt es Ciprian Chiuaru in gebrochenem Englisch auf den Punkt. Der 25-jährige Zimmermann arbeitet seit etwa drei Monaten in Neu-Isenburg, zum ersten Mal versucht er in Deutschland sein Glück. Im Mai habe er nur einen Teil seines Lohnes, elf Euro pro Stunde, im Juni gar nichts bekommen. Er empfinde „großen Stress“ angesichts der unsicheren Lage, werde aber „weit gehen, um für mein Geld und mein Recht zu kämpfen“.

Im Gegensatz zu ihm ist sein Kollege Mocanu Ilie bereits mit dem Arbeiten in Deutschland vertraut, seit 2009 komme er hierher, um als Kranführer auf Baustellen zu arbeiten. Schon in der Vergangenheit habe er schlechte Erfahrungen mit ausbleibender Bezahlung gemacht. Warum kommt er dennoch immer wieder? Die Löhne seien im Vergleich zur rumänischen Heimat immer noch höher. Und die Familie daheim, seine Frau und die drei Kinder, seien auf seine regelmäßigen Geldsendungen angewiesen.

Also lebt der 56-Jährige weiter in einer Zwei-Zimmer-Wohnung zusammen mit fünf anderen Männern in Dietzenbach. Er arbeitete vor dem Streik nach eigenen Angaben täglich zehn Stunden, manchmal auch zwölf für einen Stundenlohn von 13 Euro. Der Druck sei groß, Pausen entfielen schon mal. Selbst die Zeit, die Notdurft hoch oben im Kran zu verrichten, bleibe manchmal nicht – eine Plastikflasche müsse dann genügen.

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