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Straßenbahn: Dank der Verbindung setzte eine rasante Entwicklung vom Dorf zur Wohnstadt ein

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Die Waldbahn nahm am 4. Februar 1889 ihren Betrieb zwischen Frankfurt und Neu-Isenburg auf. Die Verbindung sorgte für einen Wachstumsschub in der Hugenottenstadt. © Privat

Sie ist heute nicht mehr wegzudenken: Die Straßenbahn, die von der Stadtgrenze aus nach Frankfurt fährt. Vor 130 Jahren nahm die Waldbahn als Vorläufer ihren Betrieb auf. Auch damals gab es Bedenken – wie heute bei den Plänen zur Verlängerung der Regionaltangente West.

Der Anschluss an die Mainmetropole war ein großer Fortschritt für das damalige 3000-Seelen-Dorf. Es war am 4. Februar 1889, als der erste mit einer Dampflokomotive betriebene Waldbahnzug rauchend und festlich geschmückt in die Neu-Isenburger Haltestelle einfuhr – „mit großem Hurra von der Bevölkerung empfangen“, wie die Historikerin Dr. Heidi Fogel im Neu-Isenburger Geschichtsbuch berichtet.

Die Hugenottenstadt wurde so für viele Arbeitnehmer als Wohnort attraktiv: Mit der stündlich fahrenden Bahn konnten die Pendler in das Umland ziehen und bequem zum Arbeiten nach Frankfurt fahren. Doch Heidi Fogel schreibt auch, dass die Initiative von Frankfurt ausging. Angesichts der fortschreitenden Industrialisierung benötigte man dringend Wohnraum für die Arbeiter außerhalb der Stadt. In Frankfurt gab es Arbeit, aber keine Wohnungen.

Günstigeres Angebot

Ursprünglich hatte die Mainmetropole eine Dampfbahn bis nach Langen angeregt, doch das Vorhaben war von der Großherzoglichen Regierung in Darmstadt blockiert worden. Dort befürchtete man einen Weggang von Arbeitern aus Sprendlingen, Langen und Dreieichenhain ins preußische Frankfurt. Diese sollten aber weiterhin dem hessischen Großherzogtum dienen. So bekam nur Neu-Isenburg einen günstigen Anschluss nach Frankfurt.

Aber es war nicht jeder begeistert. Geschäftsleute sorgten sich vor der Frankfurter Konkurrenz. Die bequeme Verbindung in die große Nachbarstadt führte dann tatsächlich dazu, dass Neu-Isenburger nach Frankfurt fuhren, wo das Angebot reichhaltiger und vielfach auch günstiger war. In ihrer Existenz bedroht sahen sich Fuhrwerksbesitzer: Viele Güter, die sie früher mit dem Pferdefuhrwerk nach Frankfurt gebracht hatten, konnten nun einfach mit der Waldbahn transportiert werden.

Die Anbindung brachte aber auch Vorteile mit sich: Erholungsbedürftige Frankfurter nutzten diese für eine Fahrt zu den Gaststätten in die Hugenottenstadt. So entwickelte sich das noch ländliche Neu-Isenburg zu einem beliebten Ausflugsziel, wodurch neue Wirte ihr Auskommen fanden.

Von 1894 auf 1899 kletterte die Zahl der Wirte in Neu-Isenburg von 32 auf 66. Doch es waren vor allem Berufspendler, die die Strecke nutzten – in Folge setzte eine rasante Entwicklung ein. So wurde Neu-Isenburg vom Handwerkerdorf zur Wohnstadt für Arbeiter.

Wehmut schwingt mit

Schließlich war die Waldbahn dem erhöhten Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen. Allein die wirtschaftliche schwere Zeit verhinderte in den 20er Jahren eine schnelle Änderung. Den letzten Anstoß gab ein gefährlicher Vorfall am Ostermontag 1925, als zu viele Menschen in die Bahn wollten und eine Prügelei die Folge war. 1928 begann der Ausbau und am 5. Oktober 1929 nahm die elektrische Straßenbahn ihren Dienst auf, die werktags im 20-Minuten-Takt fuhr.

Das Neu-Isenburg Lokalblatt widmete „unserer Waldbahn“ zum Abschied am 5. Oktober 1929 eine Titelgeschichte. Obwohl die Bahn „alt und wacklig geworden“, war, schwang Wehmut mit. Man hatte sich an die Marotten der Bahn gewöhnt und kannte die Fahrgäste, mit denen man täglich Neuigkeiten und Klatsch austauschen konnte. Doch das Lokalblatt räumte auch die Vorzüge der neuen Straßenbahn ein. „Sie macht Isenburg nun auch verkehrstechnisch zum Vorort von Frankfurt, was es wirtschaftlich ja schon war.“ In dem Artikel wird zudem deutlich, dass die Straßenbahn nach Neu-Isenburg geführt werden sollte, was an den Kosten scheiterte.

Unmut gab es damals wegen der Streckenführung. Die Linie 7 fuhr nicht mehr – wie die Waldbahn – direkt zum Main, sondern über Sachsenhausen Richtung Osten. Die Beschwerden erinnern an die Kritik nach der Einführung der Linie 17 im Dezember 2014.

von HOLGER KLEMM

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