In Dirndln und Krachledernen zünftig gefeiert

Wer nicht zur Wiesn nach München fahren will, holt sich die blau-weiße Oktoberfest-Herrlichkeit in die eigene Halle. Das geschah in Dreieich ebenso wie in Neu-Isenburg.
Von NICOLE JOST UND LEO POSTL
Eine Viertelstunde vor Mitternacht schwebte sie in goldenem Höschen auf die Bühne: Helene Fischer, die schon immer im Dreieicher Stadtteil Götzenhain vermutet wurde. Doch sie war es nicht selbst, denn die Organisatoren des großen HSV-Oktoberfests hatten Deutschlands Helene-Fischer-Double Nummer eins, Victoria, als Überraschungsgast für ihre große, bayerische Sause engagiert. Ganz in der Manier des Superstars rockte die hübsche Blondine mit dem Superhit „Atemlos“ und weiteren Titeln wie „Farbenspiel“ und „Ich will immer wieder dieses Fieber spür’n“ die Dreiecher Bühne und sorgte für großen Jubel.
Das Oktoberfest der Handballspieler ist nach so vielen Jahren Partyerfahrung ein echter Selbstläufer. Bereits im Mai wurden der zweiten Vorsitzenden Waltraud Kalusa die Karten aus den Händen gerissen. Anfang September war die Veranstaltung ausverkauft. Kein Wunder, die Sportler hatten alles dafür getan, allen Gästen einen unvergesslichen Abend zu bereiten.
Neben Helene Fischer alias Victoria sorgte die „Van Baker Band“ aus Dieburg für Stimmungsmusik. Während Frontmann Jeromé van Baker im Karo-Hemd ganz zünftig einstieg, gab es zum Ende des Abends den goldenen Glitzeranzug mit tiefem Ausschnitt und ganz viel Schlager und Neue Deutsche Welle. Die Oktoberfestfans tobten ausgelassen durch die Sporthalle, auf der Tanzfläche gab es nie ein freies Plätzchen, und so manche Bierzeltgarnitur bog sich unter dem Gewicht der tanzenden Partylöwen. Natürlich hatten sich alle viel Mühe mit ihren Outfits gegeben. Die Mädels glänzten mit Dirndl, Dekolleté und Flechtfrisur, während die Herren in Krachledernen ihre Waden zur Schau stellten.
Heimische Vorzüge
„Wir sind schon seit Montag jeden Tag in der Halle“, berichtet Waltraud Kalusa. Sie ist stolz, dass mehr als 90 Helfer die weiß-blaue Dekoration in vielen Stunden Arbeit gemeinsam angebracht haben. Alle aktiven Handballer waren im Einsatz, servierten Weißbier, Weißwurst, Bretzn, Haxn und Hendl.
Das Oktoberfest ist inzwischen eine Institution, die nicht nur die Vereinskassen der Götzenhainer Handballer aufbessert, es ist auch ein gesellschaftliches Ereignis. „Es ist einfach zu schön, das wir nicht bis Frankfurt und schon gar nicht bis München müssen. Die Stimmung und die Party ist hier mindestens ebenso toll, und ich treffe immer nette Leute, die ich kenne. Außerdem kann ich bequem nach Hause laufen“, erzählt Steffi, die mit einer ganzen Gruppe Dirndl-Freundinnen unterwegs war, von den Vorzügen des heimischen Oktoberfestes. Kalusa indes schmiedet schon die Pläne für das HSV-Oktoberfest 2016: „Dann feiern wir wieder mit den ,Isartaler Hexen’“, verrät sie ein kleines Geheimnis.
Nicht minder blau-weiße Fröhlichkeit herrschte beim Oktoberfest der Siedler im Buchenbusch in Neu-Isenburg. Dort erbebte die Buchenbuschhalle. Warum den weiten Weg zum Oktoberfest auf die Münchner Wiesn nehmen, wenn die überschwängliche Lebensfreude auch in der Hugenottenstadt zu haben ist? Dazu trugen die „Zillertaler Haderlumpen“ bei.
Schlanke Zukunft
Vitus Amor, Peter und Reinhard Fankhauser, wie die Mitglieder des Volksmusik-Trio aus Zell am Ziller heißen, hatten fetzige Melodien aus ihrer Heimat mitgebracht und versetzten die Gäste in Hochstimmung. Viele der Oktoberfestbesucher in der Buchenbuschhalle waren zudem in feschen Dirndl und Krachledernen gekommen. „Das ist doch ein wunderbares Bild – und wir mittendrin“, sagte Neu-Isenburgs Ex-Faschingsprinz Fritz Himmighofen, der sich mit seiner Frau Brigitte dem Schunkelreigen angeschlossen hatte.
Die „Zillertaler Haderlumpen“, die sich auf ihre treuen Fans verlassen konnten, brachten die Oktoberfest-Gäste schnell in Stimmung. Mit ihren Erfolgsliedern, deren Texte jeder Fan kennt und auch lautstark mitsingt, aber auch mit ihren Kompositionen von der neuen CD mit dem Titel „Alles ist gut“ begeisterten die „Haderlumpen“ die Gästen. Mal wurde zu einer flotten Polka getanzt, mal zu einer Walzermelodie geschunkelt. Zur besten Stimmung gab es die bayerischen Schmankerl, ob als Leberkas, Weißwurst, Radi oder Oktoberfestbier.
„Wieso bis du nicht in deinem schönen Dirndl gekommen?“, wollte Sandra von ihrer Freundin wissen. „Ich habe im vergangenen Jahr wohl zu viel gefeiert, und ich kann mir doch nicht immer ein neues kaufen. Aber nächsten Jahr passe ich wieder rein“, blickte die „Dirndllose“ hoffnungsvoll in eine schlankere Zukunft. Aber an diesem Abend waren alle Vorsätze vergessen – es wurde ausgelassen gefeiert, getanzt und geschunkelt. So bewies sich, wenn zwei sich finden – hier die Siedlergemeinschaft Buchenbusch und der Fanclub der „Haderlumpen“ –, dann kann das nur gut für beide sein.
Dass die Siedler zu feiern verstehen, ist nicht nur in der Hugenottenstadt bekannt. Ihre Feste waren legendär, doch die Zeit brachte spürbare Veränderungen mit sich. Die Feste wurden immer kleiner, und es gab sogar Bedenken, dass sie ganz verschwinden könnten. Wie gut, wenn es Freunde gibt, und noch besser, wenn sie so gut zusammen passen, wie die Siedler und der Fanclub der „Zillertaler Haderlumpen“.