Hier stimmt die Chemie

Bei welcher Temperatur fängt mit Papier umwickeltes Dämmmaterial an zu brennen? Wie verhält es sich dabei mit Styropor? In den Chemie AGs der Goetheschule werden Experimente vorgenommen, die wichtige Erkenntnisse für den Alltag liefern.
In einem Experimentierraum des Chemie-Clusters in der Neu-Isenburger Goetheschule riecht es leicht verbrannt. Auf einem Tisch liegt ein „angekokeltes“ Stück Dämmstoffmaterial, wie es für Gebäude benutzt wird. Duygu Kocao hatte versucht, das Dämmmaterial mit einem großen Streichholz zu entzünden. Nur dort, wo die kleine Flamme eine bestimmte Temperatur erreichte, ist das Material quasi geschmolzen, gebrannt hat es jedoch nicht.
Die Gruppe der Chemie-AG um Ruthard Friedel ist gerade dabei, ein weiteres Experiment vorzubereiten. Ein gleich großes Stück des Dämmstoffs Styropor wird diesmal mit einem Blatt Papier umwickelt und im Experimentier-Schaukasten platziert. Angeschlossen sind noch vier Fläschchen, alle mit unterschiedlichen Flüssigkeiten gefüllt.
Kümmerlicher Rest
„Über den Trichter saugen wir die Rauchgase ab und leiten diese durch die Flüssigkeiten. So wollen wir herausfinden, welche Stoffe sich aus den Abgasen filtrieren lassen“, erklärt Aukajan Enanaguruvel, der mit einem speziellen Laserthermometer die Verbrennungstemperatur messen soll. Jakob Rappolt, der ebenfalls zu den Hauptakteuren des Projekts der Chemie AG zählt, stoppt die Zeit vom Beginn der Verbrennung bis zum Ende.
Kaum hat Duygu Kocao mit dem Streichholz das Papier der Umwicklung des Dämmstoffstücks entflammt, beginnt plötzlich auch das Styropor zu lodern – es ist eine Kombination aus Verbrennung, Verschmelzen und Verdampfen. In gut einer Minute liegt nur noch ein kümmerlicher Rest auf der Platte. „Wie lange hat es gedauert? Wie hoch war die Verbrennungstemperatur und wie viel Prozent der ursprünglichen Masse ist übrig geblieben?“, will Ruthard Friedel gleich die für das Experiment wichtigsten Fakten wissen. Etwas länger als eine Minute, die höchste Temperatur lag so um 800 Grad Celsius und es dürften so rund 90 Prozent verbrannt sein, konstatiert man gemeinsam. Bei weiteren Experimenten dieser Art gab es leichte Unterschiede, doch dass plötzlich das Styropor brennt, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse.
Mögliche Gefahren
Wichtig deshalb, weil sich daraus mögliche Gefahren in Gebäuden, die mit Styropor gedämmt sind, ableiten lassen. Die Chemie-AG nahm einen Hochhausbrand vor fünf Jahren in Frankfurt zum Anlass, um sich diesem Thema zu widmen. Aber auch der verheerende Brand des Londoner Grenfell Towers im Juni dieses Jahres ist noch in schlimmer Erinnerung. Damit sich solche Katastrophen nicht wiederholen, wollen die Mitglieder der Chemie-AG der Goetheschule mit ihren Experimenten zugehörige Erkenntnisse gewinnen.
„Auch bei der städtischen Gewobau gibt es zahlreiche mit Styropor gedämmte Gebäude“, verweist Ruthard Friedel auf ein mögliches Gefahrenpotential. Noch ist die Reihe der Experimente nicht abgeschlossen, deshalb sind alle sehr gespannt, ob sie eine Regel ableiten können, wann sich Styropor entzündet und in Flammen aufgeht und wann es nur kokelt.
An der Goetheschule gibt es jedoch noch weitere Projekte von Chemie-AGs, die sogar auf Interesse seitens der Stadt Neu-Isenburg oder Landesregierung stoßen. So wurden zwei Projekte gefördert, die auch am Bundes-Umwelt-Wettbewerb erfolgreich teilgenommen haben. Eines war das Projekt „Das saure Potenzial der Streuobstwiesen“ von Jakob Rappolt und Luca Wirthmann, die eine Verwertung unreifer saurer Mostäpfel von Streuobstwiesen zur Herstellung eines „biologischen“ Säuerungsmittels untersucht haben.
In einem weiteren Projekt begaben sich Katharina Drexel, Anamaria Waschnewski, Robert Cieslinski und Lukas Helfrich auf „Auf Spurensuche in der Frankfurter Grünen Soße“. Derzeit widmen sich verschiedene Projekte der Elektromobilität.