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Oma Liesel wird 100

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Pfarrer Matthias Loesch (links) präsentiert das mit dem von Kerstin Zimmermann aus 128 Fotos von Liesel Dörr zusammengesetzte Porträt, Herbert Hunkel hält das Buch mit Lebensweisheiten in der Hand.
Pfarrer Matthias Loesch (links) präsentiert das mit dem von Kerstin Zimmermann aus 128 Fotos von Liesel Dörr zusammengesetzte Porträt, Herbert Hunkel hält das Buch mit Lebensweisheiten in der Hand. © Leo F. Postl

„100 Jahr’, graues Haar“, aber immer noch fit wie ein Turnschuh und aus dem Neu-Isenburger Vereinsleben nicht mehr wegzudenken – das ist Liesel Dörr. Am 24. Dezember feiert sie im Haus der Vereine ihren runden Geburtstag.

Wie kann man einer Person, ja einer „Institution“ wie Liesel Dörr gerecht werden? Ihre Lebenserfahrungen, die sie in 100 Jahren gesammelt hat, könnten viele Seiten füllen. „Es ist gar nicht so einfach, auch nur eines als besonders herauszustellen“, will auch ihre Enkelin Jutta erst gar nicht den Versuch wagen. „Ich bin immer wieder erstaunt über meine Großmutter, wie sie aus persönlichen Schicksalsschlägen wieder aus dem Tief herausgefunden hat. Sie ist im Verzeihen besonders gut. Egal was ihre Jungs auch angestellt hatten oder nicht, sie hat es ihnen immer wieder verziehen, und diese bedingungslose Mutterliebe ist ja auch schon etwas Besonderes“, beschreibt Jutta Eichler ihre liebste Omi Liesel.

Sie ist für andere da

Die Neu-Isenburgerin wurde 1917 geboren, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs und des Kaiserreichs, eine Zeit in der die Emanzipation der Frau noch ein Fremdwort war. Doch sie hat ihren Lebensweg bis heute mit einer Kombination aus eisernem Willen und viel Humor erfolgreich gemeistert. Ihre Söhne erblickten das Licht der Welt in den heimischen vier Wänden. Die Hebammen mussten die Schwergewichte ohne Arzt und Krankenhaus ins Leben bugsieren, erinnert sich die 100-Jährige. Besondere Erlebnisse hatte sie auch mit dem Gesangverein Sängergruß Kümmelquartett, kurz „die Kümmler“. Mit ihnen reiste Dörr nach Nordamerika – davon erzählt sie immer gerne und oft –, die Niagara-Fälle rauschen heute noch in ihren Ohren. Aber auch mit dem Mundart-Theater auf Amrum war sie immer gerne unterwegs.

„Auch ihre vielen ehrenamtlichen Ämter waren etwas Besonderes. So viel Zeit für andere aufzubringen, das ist schon bewundernswert. Natürlich sahen das einige Familienmitglieder anders. Sie meinten, dadurch zu kurz gekommen zu sein. Jedoch hat es Oma Liesel immer viel bedeutet, für andere da zu sein“, beschreibt Jutta Eichler den Charakter ihrer Oma. Auch für ihre Enkelin hatte sie deshalb nicht immer Zeit. „Aber als ich mit ihr ihr Lebens-Bilderalbum zusammengestellt habe, da hat sich mein Blickwinkel verändert, und sie ist mir noch mehr ans Herz gewachsen.“ Und was sagt Liesel Dörr dazu? „Wenn ich die Jutta und meinen Sohn Heinz nicht gehabt hätte, ich würde längst nicht mehr leben.“ Ihr jüngster Sohn Heinz ist im selben Jahr wie ihre Enkeltochter Jutta, nämlich 1960 geboren. Sie trennt nur ein Monat voneinander. Jede Geburt von Ur- und Ururenkeln bereiten ihr immer wieder große Freude.

Feier im Haus der Vereine

Liesel Dörr geht vielen Hobbys nach. So hat sie zum Beispiel „Sprüchelsche“, wie sie die Lebensweisheiten bezeichnet, gesammelt und bei passender Gelegenheit gerne vorgetragen. Das Singen war ebenfalls eine besondere Leidenschaft der Neu-Isenburgerin. Das hat Spuren in der Hugenottenstadt hinterlassen: Liesel Dörr ist Mitbegründerin des Frauengesangvereins „Liederzweig“. Ganze 33 Jahre stand sie an der Spitze des Vereins und hat immer für Lebensfreude in den Reihen der Sängerinnen gesorgt. Aber auch als Närrin bei den Veranstaltungen des „Liederzweig“ aber auch bei anderen Vereinen hat sich Liesel Dörr einen Namen gemacht. Auch heute noch steigt sie in die Bütt und trägt Gedichte vor – ganz frei aus dem Gedächtnis.

Ihr zur Ehren hat der Verein für Heimatpflege, Geschichte und Kultur ein Bändchen von gesammelten Werken herausgebracht. Vorgestellt wird der Band an ihrem 100. Geburtstag, am 24. Dezember beim Empfang zu Ehren von Liesel Dörr im Haus der Vereine. „Mit 100 Jahren ist es ihr immer noch gegeben, frei und aus dem Gedächtnis aufzusagen, wie wir es immer mal wieder miterleben dürfen. Allein um unserer Liesel eine Freude zu bereiten und ihr so ein kleines Denkmal zu setzen, lohnt sich die Herausgabe dieses Büchleins“, schreibt Pfarrer Matthias Loesch in seinem Geleit.

Der Empfang zu Ehren und mit der „Deerrn“, wie Liesel Dörr unter den Isenburgern nur genannt wird, findet am Sonntag ab 11 Uhr im Haus der Vereine statt. Dann wird auch der „Liederzweig“ ein letztes Mal singen.

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