„Life-Action Role Play“ im Stadtmuseum mit rund 20 Teilnehmern
Gemeinsam im Spiel ein Stück rund um die Flucht zu entwickeln, das war das Anliegen des „Life-Action Role Play“-Mittags im Stadtmuseum. Neu-Isenburg war der erste Ort mit einem Live-Rollenspiel in einem deutschen Museum.
Partystimmung im „Wandaland“. Die Gäste feiern den Geburtstag von Happy – bis die Soldaten kommen und das Geburtstagskind abführen. Es fällt ein Schuss. Eine Frau schreit auf. Die Situation ist beklemmend, es herrscht Stille in der Gruppe. Was ist passiert? Eben herrschte noch gute Laune, jetzt haben Soldaten die Gäste abgeführt.
Ausnahmesituation
Das war die Auftaktszene des „Life-Action Role Play“ am Samstagmittag im Stadtmuseum „Haus zum Löwen“. Rund 20 Teilnehmer entwickelten gemeinsam im Spiel ein Stück rund um die Flucht. „Dabei geht es um die Gefahren der Flucht, die unterschiedlichsten Fluchtgründe, und was sie mit Menschen in solch einer Ausnahmesituation macht“, erläutert Museumsleiter Christian Kunz, der die Veranstaltung gemeinsam mit Bettina Stuckard, Leiterin des Kulturbüros, organisierte. Dabei versetzen die Organisatoren die Spieler in ein fiktives Land, Wandaland, idyllisch, weiße Strände und Palmen, ähnlich wie in der Karibik. Doch die politische Situation ist angespannt, zwei rivalisierende Parteien versuchen, die Bevölkerung mit Einschüchterung und Gewalt zu manipulieren. Die Menschen geraten zwischen die Fronten, und bald wird klar: Das Leben scheint in Wandaland nicht mehr sicher zu sein.
Die Mitspieler, die vorher eine neue Persönlichkeit, eben ihre Rolle, bekommen hatten, erleben hautnah, wie aus der Bedrohung der Entschluss reift zu flüchten. Schnell bilden die Flüchtlinge ein Team, beraten gemeinsam, was sie einpacken, wem sie vertrauen. Dann geht das – allerdings nur gespielte – Abenteuer los, kreuz und quer durchs Museum. Es gilt, sich langsam zu bewegen, hinter jeder Ecke lauert Gefahr in Form von Soldaten, schwer bewaffnet. Da haben die Mitspieler schon mal plötzlich eine Pistole vor der Nase.
Sich chancenlos fühlen
„Die Mitspieler in der Rolle der Soldaten, der Bootsfahrer oder Bedienstete in den Ämtern sind alle gecastet“, erläutert Christian Kunz. So greift Bettina Stuckard im Haus zum Löwen zum bedrohlichen Maschinengewehr und Kunz soll als Schlepper die Flüchtlinge über das gefährliche Meer bringen – nicht ohne sie vorher um Geld und Schmuck beraubt zu haben.
Im zweiten Teil sind die Geflüchteten im neuen Land, in „Hopeland“, angekommen. Dort erleben sie ihre Sprachlosigkeit und wie es ist, so ein Mitspieler, „sich chancenlos zu fühlen“. In Hopeland gibt es ein Bundesamt für Migration. Den Verwaltungsbeamten, bei dem die Geflüchteten ihre Anträge und Formulare in der Landessprache Farsi ausfüllen sollten, spielte ein junger Iraner. Ali sprach mit seinen Kunden, erntet allerdings nur Unverständnis. Kein Wunder, das Farsi der Mitspieler ist, nur kurz nach der Ankunft, noch nicht so gut. Am Ende wurden die Asylanträge beschieden. Unbeantwortet blieben die Fragen: Warum dürfen die einen bleiben und warum werden die anderen abgeschoben?
Spielleiter Larson Kasper und Kristina Leipold versammeln die Gruppe am Ende des Spiels. Die Mitspieler sprechen ausführlich über die Erfahrungen und die Rollen. „Das Gefühl der Angst kam über mich“, resümierte eine Teilnehmerin. „Ein großartiger Perspektivenwechsel“, befand ein anderer Teilnehmer. Am Ende des Rollenspielprojekts kamen Schauspieler und Mitspieler bei einem gemeinsamen Essen zusammen. Es gab Köstlichkeiten aus dem Nahen Osten, Afghanistan und Afrika. Der Bezug zur Neu-Isenburger Geschichte als von Flüchtlingen gegründetes Hugenottendorf floss an vielen Stellen ein. Dass Vergangenheit und Gegenwart zusammenfallen, war zentrales Anliegen des Museumsprojekts. „Wir haben das erste Live-Rollen-Spiel in einem deutschen Museum umgesetzt“, so Christian Kunz. Eine weitere Auflage des Rollenspiels im Museum wird es am 12. November geben.