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„Wenn ich mal umziehe, dann nach Neu-Isenburg“

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Von: Leo Postl

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Herbert Hunkel (v. l.), Alexander Böhme, Volkmar Meyer, Ulrich Meier und  Sigrid Laird informierten die Bürger im Hugenottensaal in Neu-Isenburg.
Herbert Hunkel (v. l.), Alexander Böhme, Volkmar Meyer, Ulrich Meier und Sigrid Laird informierten die Bürger im Hugenottensaal in Neu-Isenburg. © Leo F. Postl

Viele Bürger informierten sich abermals über die aktuelle Situation von Flüchtlingen in Neu-Isenburg. Mit Spannung wurde der Polizeibericht von den Gästen erwartet.

Nachdem im September eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen im ehemaligen Druckereigebäude der Frankfurter Rundschau eingerichtet wurde, hatte die Stadt Neu-Isenburg – zusammen mit dem Regierungspräsidium Darmstadt – zu einer ersten Infoveranstaltung in die Sporthalle im Sportpark eingeladen.

Beim ersten Treffen ging es mehr um Erklärungen, diesmal stand das bereits gemeinsam Erreichte wie auch Erfahrungen mit Flüchtlingen im Vordergrund des Zusammenkommens. Rund 150 engagierte oder auch lediglich interessierte Bürger fanden sich am Freitagabend im großen Hugenottensaal der Hugenottenhalle ein.

Isenburgs Bürgermeister Herbert Hunkel (parteilos) freute sich, dass so viele Menschen trotz des schlechten Wetters gekommen waren. Zunächst informierte Regierungsvizepräsident Alexander Böhmer über die grundsätzliche Situation des Zustroms von Flüchtlingen mit einer rapiden und unerwarteten Steigerung auf über 1,1 Millionen im vergangenen Jahr. „Davon wurden rund 80 000 unserem Land zugeteilt, die wir irgendwie unterbringen mussten“, verwies Böhmer auf die Suche nach Ersatzaufnahmeeinrichtungen, da die einzige Erstaufnahmestelle in Gießen aus allen Nähten platzte.

Einrichtung Rathenaustraße

Mit Stand vom 16. Januar gibt es laut Böhmer im Bereich der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen 15 188 Flüchtlinge an 37 Standorten, davon 7757 in Notunterkünften in 18 Städten und Landkreisen. In der Erstaufnahmeeinrichtung in der Rathenaustraße in Neu-Isenburg waren es rund 530 Flüchtlinge. „Jetzt verspüren wir eine leichte Entspannung, da derzeit weniger Flüchtige nach Deutschland kommen. Aber unsere vorrangige Aufgabe ist es nun, die Flüchtlinge den Kreisen zuzuweisen, damit diese auf die Kommunen verteilt werden“, erläuterte Alexander Böhmer weiter.

Wie Bürgermeister Herbert Hunkel bestätigte, leben in der Hugenottenstadt derzeit 193 Flüchtlinge in ordentlichen Wohnungen. „Seit der Inbetriebnahme der Erstaufnahmeeinrichtung in der Rathenaustraße haben wir keine mehr zugewiesen bekommen, das wird aber nicht so bleiben“, stimmte Hunkel die Isenburger schon mal auf weitere Flüchtlinge ein. „Aber wenn sie schon hier sind, dann wollen wir sie auch wie Neubürger behandeln und das klappt, dank vieler engagierter freiwilliger Helfer, bisher wunderbar“, lobte Hunkel die Kirchen, Vereine, Institutionen aber auch viele Einzelpersonen.

Ulrich Meier vom Arbeiter-Samariter-Bund, der die Erstaufnahmeeinrichtung in der Rathenaustraße leitet, schilderte den Alltag in der Einrichtung. „Es ist eine große ehemalige Druckereihalle, die kaum Möglichkeiten einer individuellen Aufenthaltsgestaltung bietet. Aber wir haben mittlerweile ein Hotel mit einem halben Stern daraus gemacht“, versuchte Meier die aktuelle Lage zu beschreiben. Mit „Abschattern“ sei versucht worden, Kleingruppen von acht Personen eine Privatsphäre zu vermitteln, so Meier. „Wir haben jede Woche rund 200 Abgänge und Neuzugänge, da ist immer eine Neufindung vonnöten“, betonte der Einrichtungsleiter. Ganz wichtig seien die gesundheitlichen Eingangskontrollen, da die hygienischen Verhältnisse auf dem Fluchtweg nicht akzeptabel waren.

Ein ganz großes Lob für das Engagement der Stadt Neu-Isenburg und ihren freiwilligen Helfern gab es von Astrid Laird, der Koordinatorin der Freiwilligenarbeit des Arbeiter-Samariter-Bund. Sie hob dabei die Betreuung der Wöchnerinnen und Schwangeren hervor. Inzwischen wurden mittlerweile 16 Kinder geboren. „Wir versuchen, den Geflüchteten einen Ort der Geborgenheit und Sicherheit zu bieten“, nannte sie den wohl wichtigsten Aspekt. „Wenn ich mal umziehe, dann nach Neu-Isenburg“, machte Laird der Hugenottenstadt das wohl schönste Kompliment des Abends.

Bericht der Polizei

Mit etwas Spannung wurde der Bericht von Volkmar Meyer, Leiter der Polizeistation Neu-Isenburg, erwartet. „Wir hatten in den vergangenen vier Monaten vier Delikte wegen Körperverletzungen, drei Diebstähle in der Einrichtung in der Rathenaustraße selbst und zwei Ladendiebstähle. Das ist für mich einen positive Bilanz“, so Meyer. Erfreulich sei für ihn, dass keine salafistischen Tendenzen zu beobachten seien. Insgesamt gab 2014 rund 2200 Straftaten und er geht davon aus, dass es in 2015 nicht mehr werden.

Aus der Fragerunde wollte ein Isenburger wissen, wie viele Flüchtlinge seit Bestehen der Einrichtung „spurlos“ verschwunden seien. Hier bestätigte Ulrich Meyer, dass 70 nicht mehr in die Einrichtung in der Rathenaustraße zurückgekehrt seien. Ein anderer wollte wissen, wie viele Abschiebungen es gab. Böhmer sprach von rund 200 für Hessen.

Wie es um die Situation von behinderten Flüchtlingen stehe und ob eine Traumatabewältigung angeboten werde, waren weitere Fragen. Hannelore Kaus-Schwörer, Mitglied der Isenburger Grünen, berichtet von einem Auseinanderreißen jugendlicher Freunde, die sich in der Einrichtung gefunden hatten. „Wenn wir mit einem Vorlauf von einer Woche wissen, wer mit wem zusammen in einen Landkreis kommen möchte, können wir dies organisiere, danach muss der Kreis für eine Zuweisung in der Kommune sorgen“, so Alexander Böhmer.

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