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Axtmord von Limburg: So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft

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Im Oktober 2019 hat die Bluttat des „Axtmörders“ die Region Limburg erschüttert. Jetzt ist ihm die Anklage zugestellt worden. Die Limburger Staatsanwaltschaft wirft Imad A. heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor.

Limburg - Imad A. hat alles seit Tagen akribisch geplant. Er weiß, dass seine Frau mit den beiden gemeinsamen Kindern im Limburger Frauenhaus lebt. Er kennt den Weg, den Sana mit den Kleinen morgens von dort zur Kindertagesstätte geht. Imad bestellt sich einen Bart und eine Perücke. Kauft eine Axt und eine Schreckschusspistole. Mietet sich als Mordwaffe einen Audi A6 Avant, neuestes Modell, mit 125 bis 150 KW.

Damit fährt der 34-Jährige am 25. Oktober 2019 von seinem Haus in Nickenich (bei Mendig in Rheinland-Pfalz) 70 Kilometer nach Limburg. Im Auto eine Axt, zwei Küchenbeile, drei Messer, Pfefferspray mit Patronen, eine geladene Schreckschusswaffe, Klebeband, Einweghandschuhe, Bart und Perücke.

Mord mit Auto und Axt in Limburg: Täter wollte Frau bestrafen

Der Deutsche mit tunesischen Wurzeln ist gegen acht Uhr in Limburg - seine 31-jährige Frau um 8.22 Uhr tot. Bestialisch hingerichtet.

„Das ist ein heimtückischer Mord aus niedrigen Beweggründen“, sagt der Limburger Leitende Oberstaatsanwalt Michael Sagebiel dieser Zeitung. „Durch sein Handeln wollte er seine Frau dafür bestrafen, dass sie ihn mit den Kindern verlassen und sich seinen Wünschen widersetzt hatte.“

In der Anklageschrift, die dem Angeschuldigten am Dienstag (24.03.2020) in der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Limburg zugestellt worden ist, nennt Staatsanwältin Sabine Hönnscheidt nach Mord drei weitere tateinheitlich begangene Delikte.

Mord mit Auto und Axt in Limburg: Frau flog 22,5 Meter weit und 3,60 Meter hoch

Um die Gefährdung des Straßenverkehrs durch den absichtlich herbeigeführten Unfall, die Bedrohung von Menschen mit einer Schusswaffe und den fehlenden Waffenschein geht es freilich nur am Rande.

Entscheidend ist, was die Limburger Kriminalpolizisten und die weiteren Ermittler in wochenlanger Kleinarbeit zusammengetragen haben. Bei der Rekonstruktion des Tathergangs konnten sie sich auf Videoaufnahmen der Schutzanlagen am Bahnhof und auf dem Parkplatz der Kreishandwerkerschaft sowie von Zeugen stützen. 

Danach steht folgender Ablauf fest: Imad parkt um 8.06 Uhr auf dem Platz zwischen Bahnhof und Schiede. Beobachtet, dass Sana um 8.07 Uhr mit dem Doppelkinderwagen in die Hospitalstraße geht. Dreht eine halbe Runde im Kreisel, parkt wieder und sieht seine Frau zurückkommen. 

Mord in Limburg: Das Opfer bekommt nichts mit

Um 8.22 Uhr umrundet Imad mehrfach langsam den Kreisel - biegt in die Weiersteinstraße ein und gibt Vollgas. Innerhalb von fünf Sekunden beschleunigt er den am Vortag gemieteten Audi A6 von circa 44 auf 89 Stundenkilometer und rast auf seine Frau auf dem Bürgersteig zu.

Sie bekommt nichts mit. Sana wird von hinten erfasst und 22,5 Meter weit nach vorn geschleudert. Ihr Körper berührt und verdreht Verkehrsschilder an einer Straßenlaterne in 3,60 Meter Höhe. Der Pkw durchbricht den Metallzaun auf dem Parkplatz der Kreishandwerkerschaft und kracht mit hohem Tempo in das alte Bruchsteingebäude in der Weiersteinstraße 6 in Limburg.

Mord mit Auto und Axt in Limburg: Mann zielte mit Waffe auf Helfer

Die Frau fliegt gegen die Heckklappe und bleibt leblos hinter dem Auto liegen. Zwei Zeugen ziehen den eingeklemmten Fahrer durch die Beifahrertür aus dem Wrack. Imad sammelt sich kurz und zielt mit einer Waffe auf die Helfer. Die Männer rennen davon. 

Der Täter tritt ein paar Mal gegen den Körper am Boden. Holt von der Rückbank ein 30 Zentimeter langes Küchenbeil mit einer 18 Zentimeter langen Klinge. Schlägt mehrfach auf Kopf und Hals.

Limburg: 18 Hiebe mit Axt und Beil, Opfer fast enthauptet

Damit nicht genug. Imad greift sich im Kofferraum des nun qualmenden Fahrzeugs eine 45 Zentimeter lange Axt mit einer acht Zentimeter langen Klinge. Die folgenden Horrorszenen haben Hunderttausende gesehen; auf dem Video eines Zeugen, das Empfänger weltweit weitergeleitet haben. 

Der kräftige Mann im schwarzen Trainingsanzug mit weißen Seitenstreifen packt das Werkzeug mit beiden Händen und schlägt mit voller Kraft mindestens fünfmal auf Kopf und Hals. Sana wird beinahe enthauptet. Dabei beschimpft er seine Frau wiederholt als "blöde Schlampe". "Du hast es ja so gewollt", schreit er.

Imad geht auf dem Parkplatz in Limburg ruhig hin und her, wartet auf die Polizei und lässt sich widerstandslos festnehmen.

Bluttat mit Axt: Imad A. schweigt zur Tat von Limburg

Die Rechtsmediziner stellen zahlreiche Frakturen und schwerste innere Verletzungen sowie insgesamt 18 Hiebwunden fest. Der Unfall hat zum Tod geführt, Sana hat ihr Abschlachten nicht erlebt. „Die Schläge geschahen bei einem ersterbenden beziehungsweise komplett niedergelegten Kreislauf“, heißt es im Obduktionsbericht.

Imad macht keine Angaben zur Tat* in Limburg. Die Anklage fasst die Aussagen von 19 Tatzeugen und 34 Personen zur Vorgeschichte sowie von 34 Ermittlungs- und Vernehmungbeamten zusammen. Hinzu kommen die Berichte von zwei Rechtsmedizinern und des Kfz-Sachverständigen. Das Gutachten des Psychiaters steht noch aus. Die Strafverfolger haben außerdem eine Fülle von Dokumenten ausgewertet, darunter Briefe, E-Mails, Fotos und Chatverkehre.

Täter von Limburg wollte das Sorgerecht für die Kinder

Daraus ergibt sich für den Hintergrund der Bluttat ein klares Gesamtbild; in Details bleiben Widersprüche. So wird der nicht vorbestrafte brutale Mörder von manchen als freundlich und besonnen, von anderen als unbeherrscht und aggressiv geschildert. 

Die meisten berichten, dass er seine Kinder geliebt hat und dass es ihm nach der Trennung vor allem um das Wohl des dreijährigen Sohnes und des zweijährigen Mädchens ging. Er habe das Sorgerecht für die beiden haben wollen. 

Bluttat mit Axt in Limburg: Verdächtiger soll eifersüchtig gewesen sein

Andererseits soll er nicht nur Sana wiederholt geschlagen, mit Wasser überschüttet und einmal mit dem Messer bedroht, sondern auch dem Buben ein blaues Auge geschlagen haben.

In seiner Wohnung finden Beamte auch nationalsozialistische Schriften, im Pkw den kleinen Koran.

Das Paar hat 2012 in Tunesien geheiratet, wo Sana als Lehrerin arbeitete. Ihre Eltern und die Eltern von Imad, der in Deutschland geboren wurde und aufwuchs, stammen aus dem gleichen Dorf. Angeblich soll die Ehe arrangiert gewesen sein. 2013 zogen sie nach Andernach.

Danach mehr Streitereien als Familienglück. Bis zuletzt. Imad soll sehr eifersüchtig gewesen sein und geglaubt haben, seine Frau würde ihn betrügen. Dafür finden sich keine Anhaltspunkte. Aber umgekehrt: Der Mann hatte mehrere Verhältnisse.

Bluttat mit Auto und Axt in Limburg: Imad heuert Detektiv an, Sana bekommt Angst

Sana packt Ende Juli die Koffer, kommt mit den Kindern kurz bei einer Freundin unter und zieht am 31. Juli ins Frauenhaus. Ihr Mann macht ihr Versteck schnell ausfindig, heuert auch einen Detektiv an, und taucht regelmäßig in Limburg auf. 

Anfangs dem Vernehmen nach in guter Absicht. Als der zuletzt krankgeschriebene Maschinenführer Mitte Oktober von den Anzeigen wegen Körperverletzung erfährt und deshalb für den 29. Oktober vorgeladen wird - an diesem Tag sollte auch das Sorgerechtsverfahren sein - dreht er durch und fasst seinen mörderischen Plan.

Sana fühlt sich plötzlich verfolgt und in Limburg nicht mehr sicher. Sie bekommt Angst, sucht verzweifelt eine neue Wohnung. Im Rheinland findet sie eine. Zu spät.

Von Joachim Heidersdorf

Nach der Tat in Limburg beginnt der Prozess um den sogenannten „Axtmord“. Zwölf Fragen und Antworten zum Verfahren.

Überraschung zum Prozessauftakt gegen den sogenannten „Axtmörder“: Imad A. wollte nicht nur seine Frau töten, sondern auch sich selbst. Das sagte sein Verteidiger Wolfgang Stahl.

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