Bad Camberg: Das Fachwerk verrät die Baugeschichte

Der Stadthistoriker Manfred Kunz hat sich intensiv mit dem Amthof beschäftigt - In einer Serie in drei Folgen stellen wir seine Forschungsergebnisse vor
Bad Camberg -Im vergangenen Jahr haben Thomas Frömming und Alfred Hönscher Hand an den Bad Camberger Amthof gelegt. Sie arbeiten im städtischen Bauamt. Das Besondere: Sie haben einen Teil des Fachwerks neu gestrichen. Dabei gab es einige Herausforderungen zu meistern. So wurden sie zu Stadtmalern - das haben viele gesehen.
Es gibt aber auch Stadthistoriker. Zu denen gehört Manfred Kunz. Der Bad Camberger hat sich intensiv mit dem Amhof beschäftigt. Die Malerarbeiten haben ihn inspiriert, für diese Zeitung etwas näher auf die Besonderheiten des Fachwerks einzugehen. Auch auf die Stellen, die nicht frisch gestrichen wurden. Wir stellen die Ergebnisse seiner Forschungen vor und beginnen heute mit Lubert von Heiden.
Manfred Kunz berichtet: "Der Kurtrierer Amtmann Lubert von Heiden hat in seiner Amtszeit (1594 - 1624) die drei ältesten Teile des heutigen Amthofs errichten lassen. Es sind dies der Heiden-Bau, um 1900 Wohnung des Rentmeisters der Familie von Schütz (deswegen auch Rentmeisterhaus genannt), heute die Amthof-Galerie, der Torbau und der sich anschließende erste Gebäudeteil an der Amthofstraße.
Sein Vater Gerhard von Heiden war von 1583 bis 1593 trierischer Amtmann in Camberg. Sein Sohn Lubert von Heiden, Herr zu Maubach und Hagenbeck, folgte ihm von 1594 bis zu seinem Tod 1624 als Amtmann des Kurfürstentums Trier für Camberg und gleichzeitig auch für Limburg und Villmar nach.
Die beiden Stockwerke, ein typisches Fachwerk des 17. Jahrhunderts mit dem hohen Dach, stehen auf dem massiven Erdgeschoss, das bedeutend älter ist. Die Wappen der Erbauer Lubert von Heiden (auf der linken Seite) und seiner Ehefrau Anna Ursula von Schöneberg (auf der rechten Seite) sind am Heiden-Bau zu sehen.
Die Südseite hat neben den Wappen unter dem Fenster im ersten Obergeschoss ein einfaches Radkreuz mit Nasen. Es ist ein seltenes Schmuckelement am Fachwerk, vielleicht wegen der schwierigen Herstellung und des mangelnden Könnens der Zimmerleute. Im zweiten Geschoss befinden sich zwei Rautenkreuze. Sie bestehen aus einem Andreaskreuz, kombiniert mit einer Raute. Meist sind sie in den Brüstungsfeldern vorhanden, werden auch Türkenkreuze genannt. Sie stehen für Mehrung, Fruchtbarkeit und die Beständigkeit des Besitzes."
Noch ein wenig Bad Camberger Geschichte: Lubert von Heiden war mit Anna Ursula von Schönberg verheiratet. Ihre Tochter Magdalena Ursula Cordula von Heiden und Ehemann Lothar von Metternich hatten eine Tochter, Anna Ursula Metternich - Winneburg, welche 1646 Achatius von Hohenfeld heiratete. Deren Sohn, Lothar von Hohenfeld (1710 - 1716 Amtmann) hatte als Erster 1696 den gesamten Amthofkomplex in seinem Besitz.
Vom Sitz der Amtmänner zum Rathaus
Der ehemalige Sitz der Kurtrierer Amtmänner des Amtes Camberg ist eine ausgedehnte Mehrflügelanlage mit einer reichen Geschichte. Heute bietet das einmalige Fachwerkensemble mit seinen 145 Metern Sichtfachwerk eine Augenweide für die Fachwerkliebhaber. Es zählt zu den größten Fachwerkkomplexen in Deutschland.
Ursprünglich standen hier drei adlige Höfe, die ab Anfang des 17. Jahrhunderts unter der Verwendung alter Bausubstanz zu der heutigen Form um-, an- und ausgebaut wurden. Amtmann Lubert von Heiden errichtete 1609 den heutigen ältesten Bau, dem weitere folgten.
Die Stadt hatte seit 1420 verschiedene Landesherren, meist waren es zwei. Von 1557 bis 1802 wurde das Amt Camberg gemeinsam von Kurtrier und Nassau-Dillenburg verwaltet. Seit 1651 war der Amthof Hauptsitz der kurtrierischen Amtmänner, die von hier aus auch die Ämter Limburg und Villmar mitverwalteten. Die nassau-dillenburger Amtmänner verwalteten ihre Ämter Camberg und Kirberg von Kirberg aus und kamen wöchentlich einmal nach Camberg. Mit dem Herzogtum Nassau gab es ab 1806 nur noch einen Amtmann im Amthof, bis 1816 das Amt Camberg aufgelöst wurde.
Der Hof mit seinen Gebäuden wurde anderen Funktionen zugeführt. 1942 erwarb die Stadt Camberg den Komplex von der Familie Freyberg-Schütz. Wohnungen wurden eingerichtet, doch zunehmend zerfiel die Substanz. 1975 kamen Gedanken auf, alles abzureißen und ein neues Rathaus an dieser Stelle zu errichten. Schon vorher, 1965, begann Apotheker Ludwig Allwohn am Heiden-Bau mit der Sanierung der Fassade auf eigene Kosten. Am Obertorturm und der Hohenfeld-Kapelle wurde 1979 der große Anfang mit der Sanierung gemacht und 1981 das Stadt- und Turmmuseum eröffnet. Die Totalsanierung des Amthofs begann 1989 in der Obertorstraße. Am 13. Februar 1993 wurde das neu eingerichtete Rathaus eingeweiht. Nach 177 Jahren wird hier wieder verwaltet und "regiert", fast für die gleichen Orte wie früher, nur sind sie heute Stadtteile von Bad Camberg.
Bei der Sanierung, die zwölf Millionen D-Mark kostete, musste vieles repariert und erneuert werden. Das setzte hohe handwerkliche Qualifikation voraus. Das Sichtfachwerk, an dem die gesamte Baugeschichte ablesbar ist, wurde instandgesetzt. Die Wände und Decken der Innenräume wurden wie zur Bauzeit mit einem Lehm-Stroh-Gemisch verputzt.
Es entstanden moderne Arbeitsplätze für die Verwaltung. Der Innenhof wird für viele kulturelle Veranstaltungen genutzt und ist ein neuer Erlebnisraum in der Stadtmitte.