Brechen: Sakralkünstler mit filmreifer Biografie

Egino Weinert entkam knapp der Todesstrafe - In diesem Jahr wäre er 100 geworden
Niederbrechen -Egino Weinert gilt als einer der bedeutendsten modernen Sakralkünstler aus Deutschland. Er hat auf der ganzen Welt seine Werke hinterlassen, die auch in der Sammlung moderner religiöser Kunst in den Vatikanischen Museen zu sehen sind - und er hat den Altarraum der Pfarrkirche der Pfarrei Heilig Geist Goldener Grund/Lahn St. Maximin in Niederbrechen gestaltet.
Die Lebensgeschichte des 1920 in Berlin als Franz Przybilski Geborenen ist Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts und könnte als Vorlage für einen spannenden Film dienen. Mit 14 Jahren wird er Klosterschüler in der Abtei Münsterschwarzach - einem Zentrum religiöser Kunst und Wissenschaft - und nimmt beim Eintritt ins Kloster seinen neuen Namen Egino Weinert an. An die abgeschlossene kaufmännische Lehre schließt sich ab 1937 eine als Restaurator, Kirchenmaler und Bildhauer an. Seine Gesellenprüfung als Gold- und Silberschmied legt Weinert 1941, mitten im Krieg, mit Auszeichnung ab.
Den Hitlergruß verweigert
Im selben Jahr wird er zunächst verhaftet, weil er den Hitlergruß verweigerte und dann zur Kriegsmarine eingezogen. Bis 1945 wird Weinert im Kriegseinsatz in der Marine bleiben, legt während eines Fronturlaubs seine Meisterprüfung ab und wird wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt. Er entkommt aber der Vollstreckung des Urteils und kann sich mit Hilfe der Fürsten von Thurn und Taxis vor den Nationalsozialisten verstecken. Er kehrt nach dem Krieg ins Kloster zurück.
Aber im Jahr 1945 warten auf den jungen Mann noch weitere einschneidende Erlebnisse: Beim Entschärfen einer Sprengfalle der roten Armee in seinem Berliner Elternhaus verliert er seine rechte Hand.
Danach erlernt er alle Techniken mit seiner linken Hand neu und die Auseinandersetzung mit dieser Behinderung soll ihn zeitlebens antreiben, immer wieder neue Techniken zu erlernen.
1947 wird Egino Weinert von seinem Abt in die Kölner Werkschule geschickt. Während dieser Zeit war er auch an der Wiederzusammensetzung des wegen des Krieges evakuierten und zerlegten Kölner Dreikönigsschreins beteiligt. Wenige Wochen vor seinen ewigen Gelübden wird er durch einen Konventsbeschluss 1949 aus dem Kloster ausgeschlossen - er hatte aus der Kunstschule weibliche Aktzeichnungen mitgebracht und seine Heiligendarstellungen waren zu abstrakt.
Sein weiteres künstlerisches Schaffen setzt Egino Weinert in eigenen Ateliers in Bonn, der Schweiz, im spanischen Dénia und schließlich in Köln fort. Überwiegend für katholische Kirchen hat er auf der ganzen Welt verschiedenste Sakralgegenstände geschaffen, unter anderem für mehrere Päpste. Gewürdigt wurde sein Schaffen auch durch drei Briefmarken des Vatikanstaates im Jahr 2001, die Werke von Egino Weinert zeigen. 2012 ist der Künstler verstorben.
In Niederbrechen wurde 1987 der Altarraum neu gestaltet. In die homogene neugotische Kirche passte sich der moderne Stil Weinerts durchaus perfekt ein. Die für die Neugotik durchaus üblichen Laubranken finden sich hier als verbindendes Gestaltungselement. Und was dort als Bildwerk auf Altar, Ambo, Sedilien (Sitzgelegenheiten für Pfarrer und Ministranten) und Kredenztisch in Bronze gegossen zu sehen ist, ist durchaus bemerkenswert: Sage und schreibe 49 Motive sind als bildgewordene Verkündigung von altem und neuen Testament zu sehen.
Symbole der vier Evangelisten
Die Leseplatte des Ambo ist geziert mit den Symbolen der vier Evangelisten: Lukas mit dem Stier, Markus mit dem Löwen, Matthäus mit dem Engel, Johannes mit dem Adler. Am Ambo ist auch ein adventliches Motiv, der Besuch des Engels bei Josef, zu sehen. Unter der massigen Verona-Marmorplatte des Altars, die zum Bodenbelag der Kirche passt, sind die Heiligen Dreikönige zu sehen, wie sie Maria mit dem Jesuskind auf ihrem Schoß Gaben bringen. Zu diesem Motiv hat der Künstler dank seiner Lebensgeschichte eine besondere Beziehung gehabt.
Auf dem Kredenztisch werden die Gaben für die Eucharistie abgestellt. An seinen Füßen zu sehen sind die Werke der Barmherzigkeit: Hungrige speisen und Durstigen zu trinken geben, Fremde beherbergen, Gefangene besuchen, Nackte bekleiden, Kranke besuchen, Tote begraben.
Um die zumeist in Medaillenform gestalteten Motive zu erkennen, sollten die Betrachter durchaus einmal genau hinsehen, es lohnt sich - nicht nur im Jahr des 100. Geburtstags des Künstlers. oho