Marmorarbeiten aus Diezer Zuchthaus
Gefangene des Diezer Zuchthauses haben zu Beginn des 19. Jahrhunderts eindrucksvolle Arbeiten aus Lahnmarmor geschaffen. Bezahlt wurde diese Arbeit aber mit großem Leid.
Von Lydia Aumüller
Bevor der 55-jährige Villmarer Marmormeister Simon Leonhard im Jahr 1817 die Stelle als Werkmeister des Marmorbetriebs im Zuchthaus Diez übernahm, übergab er seine über die Grenzen Nassaus bekannte Marmorwerkstätte seinem Sohn Engelbert zur Weiterführung des Familienbetriebes. Auch nach seiner Pensionierung 1831 blieb er bis zu seinem Tode als Berater seines Nachfolgers Franz Schneiders im Grafenschloss Diez tätig.
Leonhard war ein hervorragender Kenner aller Marmorgruben im Lahngebiet. Als Werkmeister wusste der Villmarer die ungelernten Zuchthäusler bei den Steinbearbeitungen zu Höchstleistungen zu bringen, damit die herzogliche Landesregierung in Wiesbaden auch zufriedengestellt wurde. Dass ihm dies gelang, davon zeugen unter anderem noch heute das Gutenbergdenkmal in Mainz, mehrere erhaltene Nassauische Grenzsäulen, der Mauritiusbrunnen in Wiesbaden sowie der Laufbrunnen in Idstein, aber auch die Säulen des Marmorsaals in Bad Ems.
Den Werkstoff für diese Arbeiten entnahm er überwiegend aus diesen Marmorbrüchen. Ein Grundstück am östlichen Ausgang Villmars hatten die Verantwortlichen des Zuchthauses im Jahr 1783 von Adam Rossbach in Villmar erworben, das zur Ausbeutung des polierfähigen Kalksteins (grau/violett) nützlich war und Wieshohl-Steinbruch genannt wurde.
Kugel ist nicht gleich Kugel. Der eine hält sie zum Spielen oder Schießen, der andere zur Strafe in der Hand. Gemeint sind die schweren Eisenkugeln, die im 19. Jahrhundert unzähligen Straffälligen im Zuchthaus Diez mit Fesseln angelegt wurden und von denen ein Relikt noch heute im Diezer Stadtmuseum zu sehen ist.
Neue Eisenkugeln
Am 22. Juli 1811 berichtet der Herzogliche Zuchthauskommissar aus Diez der Landesregierung in Wiesbaden vom Ankauf neuer Eisenkugeln, Fesseln und Ketten, die dringend notwendig seien: „Durch die Lage der Zeit und durch den starken Gebrauch sind die großen Kugeln und Ketten fast ganz abgebraucht, so dass eine starke und dauerhafte Schließung der Züchtlinge nicht wohl mehr möglich ist. Auch sind wiederum zwey Arrestanten angekommen, die eine 6-jährige Zuchthausstrafe auszuhalten haben und also gut geschlossen werden müssen.“
Weiter wird berichtet, dass er ein neues Modell angefertigt hatte, wonach die große Kugel ungefähr 20 Pfund schwer ist und einen Gulden 35 Kreuzer kostet, und eine Kette, fünfeinhalb Schuh (1,65 m) lang mit einem Eisen und Mutter, welches durch die Kugel geht, ein Gulden zwölf Kreuzer kostet. Für 30 Stück dieser Güte dürften insgesamt 83 Gulden und 30 Kreuzer zur Verfügung gestellt werden. Heute ist kaum vorstellbar, wie diese Gefesselten schufteten, bis sie ihre Freiheit erlangten, oder schon im Gefängnis verstarben. Ein Gefängnis-Friedhof ist bisher nicht bekannt, obwohl nach Eintragungen in den Sterbebüchern von Diez die Beerdigungen benannter Sträflinge der Haftanstalt ein oder zwei Tage nach dem Tode stattfand.
Simon Leonhard verstarb am 3. April 1837 als Witwer und pensionierter Werkmeister an seiner Arbeitsstätte in Diez. Trotz seines Fleißes blieb er arm wie eine „Kirchenmaus“, ein Schicksal, das viele Experten seiner Art ereilte.