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Polizeiaktion will mit Schock-Momenten Schüler vor tödlichen Unfällen warnen

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Von: Burkhard Westerweg

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Stumme Mahnung: Den Schülern wurde das Motorrad gezeigt, das in einen tödlichen Unfall verwickelt war. © Westerweg

Wohl selten ist es so still unter Schülern. Gebannt schauen die jungen Leute auf die Großleinwand, sehen zerstörte Autos, zerstückelte Motorräder, Rettungskräfte im Einsatz – alles unterlegt von einer unter die Haut gehenden Musik. Die Gymnasiasten der Jahrgangsstufen 12 und 13 erleben am SHG den „Crash Kurs“ der Polizei zur Unfallprävention.

Der Schock, der den Schülern an diesem Vormittag in die Glieder fährt, hat gleich zwei reale Bezüge: einen tödlichen Zweiradunfall am 17. Oktober 2015 bei Rettert und die Konfrontation mit der beteiligten Maschine draußen auf dem Schulhof. Nebenan steht ein Leichenwagen aus dem ein Kunststoffsarg ragt. „Warum, könnt Ihr Euch denken“, sagt jemand vom Lehrpersonal.

Was die Schüler an diesem Morgen in der Aula zu sehen bekommen, ist so hart, dass für Notfälle ein Aufenthaltsraum vorbereitet wurde. Wer nicht mehr zusehen kann, der darf sich zurückziehen. In den Videos starten und landen nicht nur Rettungshubschrauber, stehen nicht nur Fahrzeuge mit Blaulicht auf Straßen, die von Fahrzeugteilen übersät sind – der Blick fällt auch auf verstorbene Personen, die von Planen abgedeckt werden. Die Polizei geizt nicht mit Nahaufnahmen: vollkommen zerstörte Autos, ein ausgerissener Drehzahlmesser mit dem Zeiger auf 9000 Umdrehungen pro Minute… Verfolgen dürfen die mucksmäuschenstillen Jugendlichen die Korrespondenz zweier junger Leute hinter der zersplitterten Scheibe eines Handys. Kurz vor ihrem Tod bei Rettert hatten sie sich zum Motorradfahren verabredet. Unvorsichtig überholt, wird die Polizei später feststellen. „Imponiergehabe“, sagt ein Beamter vor den Schülern.

Die Risiko-Fahrer

Seit nunmehr sechseinhalb Jahren betreibt die Polizeidirektion Montabaur mit dem „Projekt 25“ eine Verkehrsprävention, die sich vordergründig an die Risikogruppe der sogenannten „Jungen Fahrer“ zwischen 17 und 25 richtet. Nicht ohne Grund: Während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bundes- wie landesweit bei etwa 7,5 Prozent liegt, waren die 18- bis 24-Jährigen überdurchschnittlich oft an schweren, nicht selten sogar tödlichen Verkehrsunfällen beteiligt. In den vergangenen vier Jahren lag der Anteil an Kollisionen im Bereich der Polizeiinspektion Diez bei etwa einem Viertel.

nde weg vom Handy

Wie ein roter Faden zieht sich der Appell durch den Vormittag, umsichtig zu fahren und die Hände vom Handy zu lassen. „Niemand würde vier, fünf Sekunden lang am Steuer die Augen schließen“, beschreibt einer der Beamten den Zeitraum, der zum Lesen einer Nachricht nötig ist und vom Verkehr ablenkt.

Im Crash-Kurs tritt die Polizei gemeinsam mit Partnern auf, die einen schweren Verkehrsunfall mitsamt der Ursachen und Folgen aus verschiedenen Blickwinkeln darstellen. Unachtsamkeit und Tempo werden als häufigste Ursachen genannt, Anhaltewege und Auswirkungen eines Aufpralls von einem Sachverständigen für Unfallrekonstruktionen erläutert. „Die Veranstaltungen haben gezeigt, dass die Wahl eines Verkehrsunfalls aus der Region, einhergehend mit den zum Teil erschütternden Darstellungen einen nachhaltigen Effekt bei den Zuhörern erzeugt und auch entsprechende Reaktionen hervorgerufen haben“, heißt es von der Polizei.

Am Sophie-Hedwig-Gymnasium ist das nicht anders. Vor allem die Schilderungen einer 34 Jahre alten Zeugin zum Unfallhergang zeigt die ganze Dramatik der Ereignisse. Die OP-Schwester erlebt, wie das Motorrad ausschert, frontal auf ein entgegenkommendes Fahrzeug prallt, Fahrer und Sozia durch die Luft geschleudert werden, sie selbst voll abbremst, auf den leblosen Körper des jungen Fahrers trifft, die Suche nach der Beifahrerin in der Böschung beginnt… Ihr ergeht es nicht anders als jenen Polizisten, die den Unfall aufnehmen und Spuren sichern. „Sehr belastend“, verschweigt ein Beamter nicht die Gefühle der Einsatzkräfte, die das Geschehen an der Unfallstelle erleben oder – wie in diesem Fall – die Todesnachricht der Familie pünktlich zum 70. Geburtstag der Oma überbringen.

Ziel des Projekts ist es, den jungen Fahrern Ursachen und Folgen schwerer Verkehrsunfälle aufzuzeigen. Zudem soll das Bewusstsein dafür erweckt werden, dass ein Großteil dieser Unfälle bzw. die schweren Folgen auf für den Fahrzeugführer vermeidbare Ursachen, wie zum Beispiel die überhöhte Geschwindigkeit, berauschende Mittel oder Unachtsamkeit zurückzuführen sind. Neben den Moderatoren Polizeikommissar Marco Barthel und Hauptkommissarin Sabine Siefert ist ein schlichtes weißes Kreuz stumme Mahnung.

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