Hadamar: Bier, Wein und eine neue Perspektive

Ehepaar muss eigene Läden herunterfahren und übernimmt Getränkemarkt
Hadamar -Wenn die Not erdrückend wird, wächst auch der Mut. So ungefähr lässt sich das Geschäftsmodell des Unternehmer-Ehepaars Annita und Ralf Herrmann zusammenfassen. Als sich im Frühjahr abzeichnete, dass die Corona-Pandemie die Umsätze sowohl ihres Feinkostgeschäfts als auch des Event-Services pulverisieren würde, beschlossen sie umzusatteln und in den Getränkehandel einzusteigen. Der Markt an der Mainzer Landstraße in Hadamar war von seinem Betreiber kurzfristig aufgegeben worden. Die Herrmanns griffen zu.
Eine andere Möglichkeit hätten sie nicht gesehen, sagt Annita Herrmann. Denn für sie war am Rosenmontag alles vorbei. Die Anfragen und Bestellungen, die bis dahin aus den Auftragsbüchern ihrer zwei Unternehmen in Niederhadamar gequollen waren, mussten in wenigen Tagen zusammengestrichen und schließlich vollständig gelöscht werden. Dann kam der gesetzlich verordneten Lockdown. Die Geschäfte mussten geschlossen werden. "Das war ein Schock."
Situation wurde
immer schlimmer
Besonders dramatisch war die Entwicklung für den Event-Service, den das Unternehmer-Ehepaar vor acht Jahren gegründet hatte. Schließlich wurden kleine Familienfeiern ebenso geplant und ausgerichtet wie Hochzeiten oder große Firmenveranstaltungen. Einzelne Leistungen konnten gebucht oder ein Gesamtpaket bestellt werden, sagt Annita Herrmann. Und jetzt: Alles weg. Von Woche zu Woche habe man gehofft, dass "sich etwas tut", dass die Situation doch nicht so schlimm werde wie angekündigt. Es wurde schlimmer.
So schlimm, dass Annita und Ralf Herrmann ihre zwei fest angestellten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und die Aushilfen entlassen mussten. Zum Jahreswechsel hatte man noch erwogen, vier neue Mitarbeiter einzustellen. Und dann das. "Schweren Herzens mussten wir uns so entscheiden", sagt die Geschäftsfrau. Aber was hätte man tun sollen? Die staatliche Soforthilfe in Höhe von 10 000 Euro reichte nicht. Immerhin musste auch Miete für die Ladenlokale gezahlt werden. Und unter keinen Umständen hätten die Herrmanns den Event-Service oder das Feinkostlädchen in Niederhadamar aufgeben wollen.
Dann erfuhren sie von dem Getränkemarkt, der kurzfristig aufgegeben worden war, setzten sich mit dem Vermieter in Verbindung und übernahmen zum 1. Juli den Betrieb als freie Handelsvertreter. "Wir arbeiten auf Provisionsbasis", sagt Annita Herrmann. In den Betrieb zu investieren, sei nicht in Betracht gekommen. "Das wollten wir nicht", und das hätten sie finanziell auch nicht stemmen können. Denn zunächst seien grundlegende Sanierungsarbeiten auf der 550 Quadratmeter großen Verkaufsfläche mit angrenzendem Lagerraum fällig gewesen.
Dann kam ein Mitarbeiter des Getränkelieferanten, um den neuen Betreibern die Orientierung inmitten von rund 120 Sorten Bier und Biermischgetränken, Dutzenden Weinen und anderem Hochprozentigen zu erleichtern. Ihr Mann und sie hätten sich schnell zurechtgefunden - "obwohl ich gar kein Bier mag", sagt Annita Herrmann und lacht.
Die Entscheidung für den Getränkemarkt war richtig, betonen die Eheleute. Zudem bieten sich möglicherweise Synergieeffekte, wenn nämlich die Geschäfte des Getränkemarkts mit dem des Event-Service und des Feinkostlädchens verknüpft werden können. Ideen dazu gibt es. Und das begrüßen auch Bianca Woidich vom Gewerbeverein Hadamar Aktiv und Bürgermeister Michael Ruoff (CDU). Er sagte bei der Geschäftseröffnung: "In Zeiten, in denen viele Betriebe schließen müssen, freuen wir uns umso mehr, dass wir Ihnen heute zur Neueröffnung gratulieren dürfen." anken bohnhorst