Hadamar: Das Klima am Brunnen ist vergiftet

Wegen der Haushaltssperre verzögern sich die Sanierungsarbeiten
Hadamar -Was wird aus dem Steinbrunnen am Neumarkt? Das ist die Frage, die einige Anwohner aus der Kernstadt umtreibt. Fest steht, die Anlage ist derzeit nicht in Betrieb. Weder sprudelt Wasser, noch plätschert es im Becken. Der Blumenschmuck, der früher den Beckenrand zierte, ist abhanden gekommen. Die Gesamterscheinung des Brunnens ist bescheiden. Dabei könnte das ganz anders sein, sagt Ortsvorsteher Andreas Egenolf. Er kennt die lange und wechselvolle Geschichte des Bauwerks mitten in der Stadt. Und er sagt, wenn die Anwohner nicht nur Fragen stellen, sondern auch an Antworten mitarbeiten würden, "dann würden wir weiter kommen". Ein wenig Kooperation wäre hilfreich.
Ortsbeirat übernahm die Arbeiten
Tatsächlich war man in der Stadt schon einmal bedeutend weiter mit dem Brunnen am Neumarkt. Vor vielen Jahren nämlich, als die städtischen Kassen leer waren, entschied der Ortsbeirat, sich um das Projekt zu kümmern, berichtet Ortsvorsteher Egenolf. Man informierte sich beim Denkmalamt und erfuhr, dass der Brunnen als nicht erhaltenswert galt. "Sie können damit machen, was sie wollen, solange Sie die Stele pflegen", habe es damals aus der Behörde geheißen.
Andreas Egenolf und seine Kollegen aus dem Ortsbeirat entschieden, den Brunnen in Eigenregie instand zu setzen. Sie reinigten die Stele, auf der ein mehreckiges Steinrelief die Passion Christi zeigt. Sie schlemmten die Innenseite des Bruchsteinbeckens aus, um es abzudichten, und verputzten die Außenmauer, um den Zerfall des Mauerwerks zu verhindern. Nur an manchen Teilen ragen Steine aus dem verputzen Rund - so wie früher. Denn vor etwa 100 Jahren sei der Brunnen ebenfalls verputzt gewesen, sagt Egenolf. Das belegten Postkarten und historische Aufnahmen. Um die Technik und die Wasserleitung kümmerte sich der Ortsvorsteher persönlich. "Reichlich" Geld und Zeit habe er in die Sanierung investiert.
Um das Ensemble weiter zu verschönern, stellte er Blumenkübel auf. Einige Anwohner hätten sich sofort angeboten, die Pflege der Pflanzen regelmäßig zu übernehmen, sagt Egenolf. Doch das Engagement sei schnell aufgebraucht gewesen. Die Blumen blieben unversorgt und vergingen. Die Kübel verschwanden. Übrig blieben Ärger und Enttäuschung auf beiden Seiten. Jahrelang habe sich der Ortsbeirat für den Brunnen eingesetzt, sagt Andreas Egenolf. Aber Anerkennung habe man dafür nie bekommen. Im Gegenteil: Es werde Stimmung gegen jene gemacht, die sich für das Allgemeinwohl einsetzen.
Ein Mann, der in der Nähe des Brunnens wohnt, hält dagegen. Er erklärte gegenüber dieser Zeitung, die Stadt lasse die Anlage verkommen. Im letzten Haushalt seien 15 000 Euro für die Sanierung des Bauwerks eingeplant worden. Geschehen sei mit dem Brunnen am Neumarkt nichts. Was sei aus dem Geld geworden? Das beantwortet Bürgermeister Michael Ruoff (CDU) mit dem Hinweis auf die Haushaltssperre über 425 000 Euro, die der Magistrat im April dieses Jahres verhängt hat, um Einnahmeausfälle abzufedern, die die Corona-Pandemie verursache. In einer finanzpolitisch unsicheren Zeit habe man beschlossen, Verschönerungsmaßnahmen und nicht dringend notwendige Arbeiten vorübergehend zurückzustellen. "Sie sind dadurch aber nicht gestrichen", betont der Bürgermeister.
Auch Ortsvorsteher Andreas Egenolf will den Brunnen wieder in Betrieb setzen. Er kann sich sogar vorstellen, dass der Ortsbeirat sich erneut engagiert. Aber dann müssten auch die Anwohner mitmachen, findet er.
Anken Bohnhorst