Hadamar: Vom Anstaltsfriedhof zur Gedenkstätte

Ausstellung macht die Geschichte vom Außengelände auf dem Mönchberg sichtbar
Hadamar -Eine lange Treppe führt den terrassierten Hang hinter dem Gedenkstättengebäude den Mönchberg hinauf. Auf der obersten Ebene befand sich einst der Friedhof der Tötungsanstalt. In Massengräbern wurden dort mehr als 4000 Patienten beerdigt, die unter ärztlicher Aufsicht verhungerten oder durch überdosierte Medikamente ermordet wurden. Entlang des Treppenwegs erläutern nun sieben Text- und Bildtafeln die Geschichte des weitläufigen Geländes.
Mitte des 17. Jahrhunderts wurde auf dem heutigen Mönchberg ein Franziskanerkloster gegründet. An den im Klostergarten angebauten Wein erinnern die in den 1990er Jahren neu gesetzten Weinstöcke. 1883 wurde neben dem ehemaligen Kloster eine Besserungsanstalt errichtet, die 1906 zur Landespflegeanstalt umgewandelt wurde. Auf dem Gartengelände gedieh Obst und Gemüse für die Selbstversorgung. Garten- und Feldarbeit war auch Teil der medizinischen Therapie.
Rund 10 000 Menschen wurden vergast
Ende 1940 wurde die Landesheilanstalt Hadamar zu einer Tötungsanstalt. In der ersten Mordphase zwischen Januar und August 1941 wurden dort rund 10 000 Menschen vergast und ihre Leichen eingeäschert, was sich durch den ständig aufsteigenden schwarzen Rauch nicht geheim halten ließ.
Nachdem das Töten für ein Jahr lang eingestellt worden war, begann im August 1942 die zweite Mordphase. Bis 1945 wurden etwa 4500 Menschen durch überdosierte Medikamente, gezielte Mangelernährung und medizinische Vernachlässigung getötet. Die Leichname wurden nun auf dem neuen eingerichteten Anstaltsfriedhof weniger auffällig beseitigt.
Patienten mussten die Gräber ausheben und trugen die Toten in einem wiederverwendbaren Klappsarg den Hang zum Friedhof hinauf. Um die große Zahl der Ermordeten zu verschleiern, wurden Massengräber mit dem Anschein von Einzelgräbern angelegt. Eine Skizze von 1942, die in der Ausstellung zu sehen ist, zeigt die offizielle Planung des Friedhofs mit 455 Einzelgräbern. Entgegen der geltenden Vorschriften wurde der Friedhof jedoch zur Grabstelle für circa 4000 Menschen.
Nicht alle Ermordeten wurden auf dem Anstaltsfriedhof begraben. Angehörige konnten die Leichen auch überführen lassen. "Einmal beschwerte sich die Gesundheitspolizei beim Landratsamt Limburg, weil dem Wiesbadener Krematorium der erbärmliche Zustand einer überführten Leiche aufgefallen war", berichtet Laura Miete, die Kuratorin der Außenausstellung. Zwar habe die Anstalt sich dazu äußern müssen, auf den Mordablauf habe dies jedoch keine Konsequenzen gehabt.
Am 26. März 1945 beendete der Einmarsch amerikanischer Truppen das Töten auf dem Mönchberg. Die US-Soldaten erfuhren von den Gräueltaten in der Landesheilanstalt und begannen mit den Ermittlungen. Auch Exhumierungen gehörten dazu. Mehrere Leichen wurden zum Beweis für die Verbrechen in der Tötungsanstalt obduziert, und bereits im Oktober 1945 fand vor einem Militärgericht in Wiesbaden ein Prozess gegen Angehörige des Anstaltspersonals statt.
In der Nachkriegszeit diente das Gelände weiterhin als Friedhof der Landesheilanstalt. 1949 war die oberste Ebene vollständig belegt, so dass der Friedhof auf eine darunter liegende Ebene ausgeweitet wurde. Eine Friedhofskapelle entstand in den frühen 1950er Jahren. Etwa zur gleichen Zeit wurde das Gräberfeld der zwischen 1942 und 1945 Ermordeten eingeebnet. Die neuen Gräber aus der Nachkriegszeit erhielten einheitliche Grabplatten.
Im Jahr 1960 erweiterte man den Friedhof um eine dritte Ebene. Die letzte Beerdigung fand 1966 statt. Noch vor Gründung der heutigen Gedenkstätte wurde 1964 ein Teil des Anstaltsfriedhofs zu einer Gedenklandschaft umgestaltet. Vom Eingang führt ein Weg entlang einiger symbolischer Grabsteine, die für die Religionen der Ermordeten stehen, zur Gedenkstele mit der Aufschrift "Mensch achte den Menschen".
14 Beerdigungen an der Liebfrauenkirche
Die sieben Ausstellungstafeln entlang des Treppenwegs sind so platziert, dass sie möglichst wenig in das Gelände eingreifen. Auch außerhalb der Öffnungszeiten der Gedenkstätte ist die neue Ausstellung frei zugänglich.
"Für mich war die Forschung für die Ausstellung sehr spannend", sagt die 28-jährige Kuratorin. So war ihr beispielsweise vorher nicht klar, dass fast jeder Zehnte der in der zweiten Mordphase Getöteten gar nicht auf dem Anstaltsfriedhof beigesetzt, sondern überführt worden ist. Auch konnte sie nachweisen, dass zu Beginn der zweiten Mordphase im August 1942 14 Opfer auf dem Friedhof an der Liebfrauenkirche beerdigt worden sind.