Große Gefühle, schöne Stimmen
Die Italienische Opern-Nacht auf dem Domplatz Limburg war dank hervorragender Sänger und eines großartigen Orchesters ein Vergnügen. Fast wäre die Veranstaltung zum Schluss verkürzt worden, weil es heftig regnete. Aber das Publikum wollte alle Lieder hören – und setzte sich gekonnt durch.
Von Helmut Zimmermann
Große Gefühle, Leidenschaft und schöne Stimmen – das erwartet man von der Oper, vor allem der italienischen. Und wenn es sich um eine Operngala unter dem Titel „Italienische Opern-Nacht“ handelt, noch dazu unter freiem Himmel an einem der schönsten Plätze in Deutschland, nämlich vor dem bunten Limburger Dom, dann sind die Erwartungen an ein besonders schönes musikalisches Ereignis aufs Höchste gespannt.
Die hohen Erwartungen, die die zahlreichen Zuschauer vor dem Dom am Freitagabend mitgebracht hatten, wurden mit einer bunten Zusammenstellung von einigen der schönsten Arien, Duette und Quartette aus Opern von Gioachimo Rossini (1792–1868), Amilcare Ponchielli (1834–1886), Gaetano Donizetti (1797–1848) und Giuseppe Verdi (1813–1901) erfüllt. Zudem lag der Reiz dieses Abends auch darin, dass man internationale Sängerinnen und Sänger kennenlernen und erleben konnte, die hierzulande noch keinen großen Namen im Konzertleben haben, da am Anfang ihrer Karriere stehend, oder die, trotz bestem Können, nicht so im Rampenlicht stehen wie öffentlichkeitsbewusstere Kollegen.
Ihre stimmlich-musikalische Visitenkarte präsentierten vor romantischer Kulisse die argentinische Mezzosopranistin Nidia Palacios; die in England geborene und seit langem in Deutschland lebende Sopranistin Julia Thornton; Elena Daniela Mazilu, Sopranistin aus Rumänien, und die koreanische Sopranistin Young Shin Choi, die erstmals in Deutschland auftrat. Bei den Männerstimmen gaben sich Tenor Joseph Cheon, Korea, die amerikanischen Baritone William Wilson und Stephen K. Foster sowie der russische Bass Juri Batukov, der sein erstes Engagement am Staatstheater Wiesbaden hatte und seither als freischaffender Sänger Gastspiele an den großen Häusern in aller Welt gibt, die Ehre.
Das Orchester der Opera Classica eröffnete die beiden Teile jeweils mit einer Ouvertüre. Zu Beginn erklang als Auftakt die Ouvertüre zu Rossinis „Barbier von Sevilla“, ein klassischer Ohrwurm, den zweiten Teil leitetet die nicht minder bekannte Ouvertüre zu Donizettis „Don Pasquale“ ein. Das in kleiner Besetzung spielende Orchester musizierte unter dem energischen Dirigat von Hans Härle, der an diesem Abend allein den Taktstock schwang und nicht, wie angekündigt, vier Dirigenten. Er leitete die jungen Orchestermusiker präzise und mit Umsicht, gab schwungvolle Impulse für schönes, transparentes Spiel, wobei die Akustik unter dem Zelt leider nicht immer optimal war. Besonders schön die sehr singend vorgetragene Cellokantilene in der Pasquale-Ouvertüre. Auch als Begleiter der Solisten bewährte sich das Orchester mit einfühlsamem, nicht vordringlichem Spiel, das manchmal aber etwas zupackender hätte sein können, insgesamt aber eine schöne, runde Darbietung bot.
Mit der Arie der Rosina „Una voce poco fa“ (Frag ich mein beklommenes Herz) aus dem „Barbier“ glänzte Nidia Palacios mit voller, klarer Stimme, fein nuanciertem virtuosem Vortrag, sprühenden Koloraturen, und schauspielerischem Witz. Ihre schönen Sangeskunst demonstrierte sie auch im anschließenden Duett mit „Figaro“, gesungen von William Wilson. Später glänzte sie mit ihrem Mezzosopran als Marketenderin in einer Chorszene aus Verdis „Macht des Schicksals“, dem elegant und leicht vorgetragenen „Rataplan“, belohnt mit sehr starkem Beifall.
Julia Thornton gestaltete die Arie der Leonora „Tacea la notte placida“ (Die Nacht ist still und schön) mit vollem, rundem Sopran in schönem Belcanto und gab der zu Herzen gehenden Melodie auch die nötige emotionale Tiefe. Später gab sie das Gebet aus der Klosterszene aus Verdis „Macht des Schicksals“ sehr innig.
Schlichtweg großartig war die Wahnsinns-Arie der „Lucia“ aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“ – Ardon gli incensi (Der süße Klang seiner Stimme betört mich) – der jungen Sopranistin Elena Daniela Mazilu. Sehr fein und emotional interpretiert, mühelos die Koloraturen meisternd, in sehr raschem Tempo, immer verständlich, sodass die begleitende Flöte, statt der ursprünglichen Glasharfe, Mühe hatte zu folgen, aber doch eine gute Begleitung war. Rauschender Beifall für diese aufs Schönste gegebene Arie. Von dieser Sängerin wird man sicher noch hören.
Ein sehr dunkler Bass war Juri Batukov, der mit William Wilson das Duett „Malatesta“/„Don Pasquale“ „Cheti, cheti“ aus Donizettis „Don Pasquale“ mit großem Volumen und expressivem Ausdruck sehr souverän gab. Beeindruckend auch sein Part im Duett „Gilda“/ „Rigoletto“ mit Young Shin Choi, die mit rundem, schön timbrierten Sopran überzeugte.
mit Tenor des Abends war Joseph Cheon, der sich von Auftritt zu Auftritt steigerte. Schön, aber noch nicht mitreißend die Arie „Cielo e mar“ (Himmel und Meer) aus „La Giconda“ von Amilcare Ponchielli, dann eine sehr gute, insgesamt überzeugende Stretta „Di quella pira“ (Das schreckliche Feuer des Scheiterhaufens brennt auch in mir) des Manrico aus Verdis „Troubadour“, vom auswendig singenden Männerchor sehr präsent begleitet, und dann großartig kraftvoll und frei aussingend im Quartett für Sopran, Alt, Tenor und Bass „Un di se ben rammentomi“ aus Verdis „Rigoletto“.
Dass aber dieses von allen Solisten sehr schön gesungene, berühmte Quartett, das die Italienische Opern-Nacht beschließen sollte, überhaupt zu hören war, verdankt es einem beherzten Zuschauer. Denn beim Duett „Gilda“/„Rigoletto“ setzte ein heftiger Regen ein, den Rainer Zagovec, der als Moderator durch den Abend führte, zum Anlass nahm, die Absage des weiteren Programms zu verkünden. Doch das ließ sich das Publikum nicht gefallen: Es wollte alle noch ausstehenden Stücke hören.
Ein beherzter Zuhörers erzählte ein Erlebnis aus Frankreich in ähnlicher Situation, wobei der Bürgermeister fragte: Aufhören oder Spielen? Das unter Regencapes und Schirmen geschützte Publikum vor dem Dom nahm die Forderung des französischen Publikums „Jouer, jouer“ (Spielen, spielen) so lautstark, heftig und lange auf, bis der Dirigent mit seinem Taktstock erschien und Orchester, Solisten und Chor weitersingen ließ. So kam es mit dem „Libiamo“ (Auf, schlürfet aus durstigen Zügen den Kelch) aus Verdis „La Traviata“ zum Beifall umrauschten Regenfinale.