Limburg: Corona macht Kommunen ärmer

Weniger Einnahmen durch Gewerbesteuer und Gebührenverzicht, höhere Ausgaben. Städte und Gemeinden im Nassauer Land rechnen mit finanziellen Problemen.
Die Corona-Krise wird auch die heimischen Kommunen teuer zu stehen kommen. Sie werden weniger Gewerbesteuereinnahmen haben, verzichten zum Teil freiwillig auf Sondergebühren, um Unternehmen zu entlasten, und haben gleichzeitig höhere Ausgaben zu schultern. Das ergab eine Umfrage dieser Zeitung unter Städten und Gemeinden.
Limburg: Millionen gehen verloren
Die Stadt Limburg kalkuliert als Folge der Corona-Krise schon jetzt mit rund 3,3 Millionen Euro weniger Einnahmen durch die Gewerbesteuer als für dieses Jahr insgesamt veranschlagt; der Ansatz für 2020 lag ursprünglich bei 30 Millionen Euro. "Zurzeit ist völlig offen, welche Dimension die Gewerbesteuerausfälle erreichen könnten", sagt Stadtsprecherin Anna-Sophie Schindler.
Für die Stadt sind die zu erwartenden Ausfälle schwer zu kalkulieren, weil sich die steuerpflichtigen Betriebe nur an das Finanzamt zu wenden haben und für die Stadt nicht immer klar sei, ob eine Reduzierung der Vorauszahlungen an Gewerbesteuern auf der Corona-Krise oder anderen Gründen beruht. Der Stadt sei jedoch bekannt, dass mit Stand 15. April bereits 20 steuerpflichtige Unternehmen einen Antrag auf Stundung der Gewerbesteuer gestellt hätten, was ein Gesamtvolumen von rund 300 000 Euro ausmacht. "Hierbei ist jedoch davon auszugehen, dass die Antragswelle gerade erst in Gang kommt", sagt Schindler.
Dazu kommen nach ihren Angaben weitere Einnahmeausfälle. So sei die Stadt Limburg bereit, in diesem Jahr auf 130 000 Euro an Einnahmen zu verzichten, die sie sonst als Sondernutzungsgebühr erhoben hätte - und zwar bei Gastronomiebetrieben für deren Außenbewirtschaftung, für Warenauslagen von Geschäften auf der Straße und für Werbeaufsteller vor Geschäften. Dies müsse allerdings noch vom Magistrat genehmigt werden.
Trotzdem betont der Limburger Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD), die Stadt habe eine gute finanzielle Grundlage. Beigetragen habe dazu der positive Jahresabschluss 2019, der zu einem höheren Liquiditätsbestand geführt habe. "Ich hoffe, daher dass wir die Durststrecke bis zu einem hoffentlich zeitnahen wirtschaftlichen Wiederhochfahren auch ohne dramatische und unsere Bürger zusätzlich belastende Maßnahmen durchstehen können", sagt Hahn.
Hadamar: Magistrat erlässt Haushaltssperre
"Die finanziellen Belastungen werden erheblich sein." Das sagt Michael Ruoff (CDU), Bürgermeister der Stadt Hadamar. Erwartet werden "Mehrausgaben durch die notwendige Einrichtung von Heimarbeitsplätzen, Ertüchtigung unserer EDV, um Online-Sitzungen der Gremien zu ermöglichen, für Infektionsschutzausrüstungen für Feuerwehren und Bauhof sowie für höhere Reinigungskosten bei den Desinfektionen unserer Arbeitsplätze." Zwar lasse sich die finanzielle Belastung im Augenblick nicht konkret beziffern, sagt Ruoff. Gerüstet sein müsse die Stadt dennoch. Deshalb habe der Magistrat eine Haushaltssperre über insgesamt 424 400 Euro erlassen. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme für den Ernstfall, der der Verwaltung einen "finanziellen Spielraum" verschaffe, betont Ruoff. Grund zur Panik bestehe nicht. Renovierungsarbeiten oder nicht zwingend notwendige Baumaßnahmen seien verschoben, nicht aufgehoben. Und: "Maßnahmen im Investitionshaushalt sind von der Haushaltssperre nicht betroffen."
Elz: Die Wirtschaft unterstützen
"An unseren Investitionsvorhaben wie beispielsweise der Erweiterung der Kita "Unterm Regenbogen" halten wir zunächst einmal fest", sagt der Elzer Bürgermeister Horst Kaiser (CDU). Er setzt auf die solide Haushaltsführung der Gemeinde: "Wir haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und sind zuversichtlich, dass wir diese Krise einigermaßen gut überstehen werden. Gleichzeitig versuchen wir mit gezielten Maßnahmen, die lokale Wirtschaft und vor allem den Einzelhandel zu unterstützen." Dazu müssten die Bürger beitragen, sagt Kaiser. "Ich kann alle Mitbürgerinnen und Mitbürger nur bitten, unsere Geschäfte und die Gastronomie in dieser schwierigen Zeit nach Kräften zu unterstützen. Nehmen Sie die angebotenen Abhol- und Lieferdienste der Geschäfte und der Gastronomie in Anspruch."
Dornburg: Gemeinde "in Grenzen gerüstet"
Dass die Gemeinde langfristig zu Normalität zurückfindet und finanziell wieder Fahrt aufnehmen wird, glaubt Andreas Höfner (CDU), Bürgermeister in Dornburg. "Natürlich werden wir Mindereinnahmen insbesondere aus Gewerbesteuerreduzierungen und -ausfällen und Mehrausgaben für Aufwendungen haben, die auf die Situation zurückzuführen sind." Hier eine Prognose abzugeben, sei nicht möglich. "Ich kann weder hellsehen noch kann ich zaubern." Allerdings sei die Verwaltung in der Vergangenheit besonnen mit ihren Haushaltsmitteln umgegangen, weshalb man jetzt "in Grenzen gerüstet" sei. "Da können wir schon etwas kompensieren", sagt Bürgermeister Höfner. "Und natürlich baue ich auch darauf, dass auch die Kommunen Unterstützung seitens des Bundes und des Landes erhalten."
Selters: Eventuell Projekte zurückstellen
"Wir können derzeit noch nicht einschätzen wie stark sich die Corona-Krise auf die finanzielle Situation der Gemeinde auswirkt", sagt der Selterser Bürgermeister Bernd Hartmann (parteilos). Man denke aber intensiv darüber nach, Projekte, die im aktuellen Haushalt festgehalten sind, zunächst zurückzustellen. Konkrete Beschlüsse darüber gebe es aber bisher nicht. Der Kommune seien aufgrund der Ausgangsbeschränkungen viele Einnahmen durch die Vermietung von gemeindeeigenen Räumlichkeiten weggebrochen. "Momentan finden keine Veranstaltungen in der Niederselterser Schulturnhalle und im Mineralbrunnen statt."
Brechen: Zu früh, um zu spekulieren
"Es ist noch nicht absehbar wie lange uns die Corona-Krise noch beschäftigen wird", sagt Brechens Bürgermeister Frank Groos (parteilos),. Deshalb könne man über die finanziellen Auswirkungen nur spekulieren. "Aus meiner Sicht wird momentan aber schon viel zu viel spekuliert und ich möchte mich lieber auf die Fakten beschränken." Deshalb sei es aktuell noch zu früh, um über die finanziellen Auswirkungen der Pandemie auf die Gemeinde zu sprechen.
Villmar: Erwartung Nachtragshaushalt
Für Spekulationen über die Kosten der Corona-Krise für den Marktflecken Villmar ist es laut Bürgermeister Matthias Rubröder (CDU) derzeit noch zu früh. Dass Einnahmen wegbrechen werden, sei wohl klar. Auch, dass es einen Nachtragshaushalt für 2020 geben wird. Wie tief das Loch ist, das Corona in die Gemeindekasse reißen wird, sei derzeit nicht absehbar. Lediglich eine Zahl sei schon jetzt sicher: Da die Gemeinde im April auf Kindergartengebühren der Eltern verzichtet habe, gibt es hier ein Minus von rund 13 000 Euro.
Runkel: Genehmigter Haushalt fehlt sowieso
Runkels Bürgermeister Michel Kremer (parteilos) kann derzeit noch "überhaupt keine Zahl nennen", mit der es die Stadt infolge der Corona-Krise zu tun bekommt. Runkel hat auf Kitagebühren verzichtet, so dass der Stadt allein im April ein fünfstelliger Betrag im Haushalt fehlen dürfte. Frühestens im Juni oder Juli werden sich laut Kremer die Folge der Pandemie auch auf kommunaler Ebene deutlicher zeigen. "Wir gehen davon aus, dass die Krise bis zu uns durchschlägt", sagt der Verwaltungschef. Wobei dieses "Durchschlagen insbesondere für Runkel zum Problem werden dürfte. Denn mangels eines genehmigten Haushalts kann die Stadt ohnehin nur die allernotwendigsten Ausgaben tätigen.
Diez: Große beantragen Steuerstundungen
Mit welchen Verlusten zu rechnen ist und wie eventuelle Haushaltslöcher zu stopfen sein werden - "darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht", räumt Annette Wick (SPD), Bürgermeisterin der Stadt Diez, ein. Tatsächlich seien bereits einige Anträge auf Steuerstundungen im Rathaus eingegangen, allerdings bislang nur von "den Großen". Heimische Betriebe und Händler hielten sich derzeit noch zurück. "Wir werden die einzelnen Fälle prüfen", sagt Wick. Und dann werde man die Auswirkungen auf den städtischen Gesamthaushalt analysieren. Dass ein Nachtragshaushalt notwendig sein wird, sei klar. Das ursprünglich vorgelegte Zahlenwerk ist "jedenfalls null und nichtig".
Wallmerod: Wesentliche Investitionen umsetzen
Dass die Einnahmerückgänge auf die gesamte "kommunale Familie", also auch auf die Ortsgemeinden durchschlagen werden, steht für Klaus Lütkefedder (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wallmerod, fest. Der Chef von 21 Ortsgemeinden rechnet "mit deutlichen Rückgängen" bei der Gewerbe- ebenso wie bei der Einkommensteuer. Tatsächlich seien in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Anträge auf Stundung oder Reduzierung bei der Gewerbesteuer gestellt worden, Unternehmen hätten Kurzarbeit angemeldet oder ihren Betrieb vorübergehend einstellen müssen. Somit sei auch im Bereich der Einkommensteuer ein Rückgang vorhersehbar, sagt Lütkefedder. "In welche Größenordnung sich dies bewegt, lässt sich aktuell nicht seriös beantworten." In der ursprünglichen Planung vor Corona "sind wir hier von insgesamt rund 12,7 Millionen Euro ausgegangen." Das sei jetzt unrealistisch.
Konkret bedeutet der finanzielle Ausfall für die Verbandsgemeinde: "Wir setzen die wesentlichen Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Schulen, Feuerwehr, Dorferneuerung oder Klimaschutz planmäßig um, legen dabei ein besonderes Augenmerk auf möglichen Folgekosten." Dies gelte auch für die Verbandsgemeindewerke. Für das Haushaltsjahr 2020 sind Investitionen im VG-Haushalt von 1 961 000 Euro und in den Wirtschaftsplänen der VG-Werke in Höhe von 8 374 000 Euro eingeplant. Ob das Freibad in Hundsangen in dieser Saison eröffnet werden kann, ist Lütkefedder zufolge noch nicht absehbar. "Hier ist ein kompletter Ausfall der Einnahmen nicht auszuschließen." abv/dick/goe/tob
In Limburg zeigt eine Kita mit einem innovativen Konzept, wie mit der Corona-Pandemie umgegangen werden kann.