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Limburg: Der Heimathistoriker von Hollesse

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Von: Stefan Dickmann

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Seine "Beiträge zur Geschichte von Lindenholzhausen" hat Josef Jung in bislang drei gebundenen Werken festgehalten.
Seine "Beiträge zur Geschichte von Lindenholzhausen" hat Josef Jung in bislang drei gebundenen Werken festgehalten. © Stefan Dickmann

Josef Jung aus der Bahnhofstraße ist ein geschätzter Heimathistoriker und profunder Dorfchronist

Lindenholzhausen -Der Nachname Jung ist in Lindenholzhausen ein sehr alter Name. Bis zum Jahr 1485 konnte der 78 Jahre alte Heimathistoriker Josef Jung die lange Liste seiner Ahnen zurückverfolgen. Es ist das Jahr, in dem er auf seinen bislang ältesten Vorfahren stößt: Johann Jung aus Lindenholzhausen. Dieser arbeitet als Gerichtsschöffe am Diezer Grafschaftgericht und ist Pächter des Arnsteiner Hofs, das der gleichnamigen Abtei gehört und sich in Erbpacht der Familie Johann Jung befindet. Er war Verwalter des Hofguts und hatte mindestens einen Sohn. Josef Jung hat alle Ahnen mit einem Stift auf einer Ahnentafel akribisch festgehalten, die im Flur direkt neben dem Familienwappen der Jungs hängt.

Wer sich vor der Ahnentafel umdreht, steht schon in der Tür seines Arbeitszimmers, angefüllt mit gedrucktem Wissen über die Region, mit Bücherregal, Schrank, Schreibtisch.

Vor 50 Jahren fing es an

Josef Jung hat entscheidenden Anteil daran, dass über den Werdegang seines Heimatorts seit dessen Gründung vor 1250 Jahren so viel bekannt ist. Beim Jubiläum vor 50 Jahren legte er dafür den Grundstein: Für die Jubiläumsschrift verfasste er 30 Seiten über "bevölkerungspolitische und wirtschaftsgeschichtliche Streiflichter aus dem 19. und 20. Jahrhundert". Es ist 1972 seine erste ortsgeschichtliche Abhandlung, der noch zahlreiche weitere folgen sollten.

Was er im Laufe der folgenden Jahre über Hollesse zusammengetragen hat, kann heute jeder im Internet unter der Adresse www.lindenholzhausen.de nachlesen. Auch über die Geschichte der "Harmonie", der Feuerwehr und des Kirchenchors hat er Schriften verfasst. Seit 1991 ist er Autor des Kreisjahrbuchs. Passend zum Jubiläum hat er für die diesjährige Ausgabe einen Streifzug durch die Ortsgeschichte von Hollesse geschrieben.

Josef Jung interessierte sich schon als Jugendlicher für die Geschichte seiner Familie. Deshalb blätterte er 1958 mit seinem besten Freund Bernhard Heun im Pfarrhaus in alten Kirchenbüchern auf der Suche nach seinen Vorfahren. Da ging er schon seit einem Jahr in die Lehre bei der Krankenkasse AOK in Limburg, wo er bis zu seiner Pensionierung als Diplom-Verwaltungswirt arbeitete.

Jung ist nicht nur Heimathistoriker, er ist ein historischer Detektiv, den die Neugier antreibt, was und warum einst in seiner Heimat passiert ist. Er zeigt Ausgabe 38 des Briefs der Pfarrei St. Jakobus aus Lindenholzhausen. Er schlägt Seite 18 auf, in der die "Kunstwerke in unserer Pfarrkirche" präsentiert werden und deutet auf ein fotografiertes Kruzifix, von dem der frühere Direktor der Staatlichen Museen preußischer Kulturbesitz überzeugt ist, das davon nur ungefähr drei Exemplare existieren.

So schön wie das Bronze-Kruzifix seit der Umgestaltung durch einen Künstler vor fünf Jahren aussieht, wirkte es aber noch nicht, als ein Nachbar von Josef Jung es ihm vor mehr als 40 Jahren in die Hand drückte. Durch einen befreundeten Historiker erhielt Josef Jung den ersten Hinweis, dass dieses Kruzifix etwas Besonderes ist. Er forschte akribisch nach, schickte den Staatlichen Museen preußischer Kulturbesitz schließlich ein Foto und erhielt die entscheidende Auskunft.

Anekdote über den Schinderhannes

Als eine "angenehme Überraschung" seiner wertvollen Forschungsarbeit schildert er auch, wie es ihm gelang herauszufinden, aus welchem bislang unbekannten Jahr ein Seitenaltar aus der alten Pfarrkirche stammt, der sich inzwischen in der neuen Kirche befindet. Als die Restaurierung durch einen polnischen Experten anstand, war Josef Jung dabei, wie hinter dem Altar Nischen auftauchten mit Kerzenleuchtern und Blumenvasen, aber auch einer Wappen-Kartusche. Dass die zum Seitenaltar exakt passte, offenbarten vorne zwei Dübel-Löcher. Das Wappen gab Auskunft über das Jahr der Stiftung des Altars durch einen reichen Lindenholzhäuser. "So konnten wir feststellen, dass der Seitenaltar aus dem Jahr 1740 stammt."

Aber er weiß auch von zahlreichen Anekdoten aus Lindenholzhausen zu berichten. Und so erzählt Josef Jung vom Schinderhannes, dem legendären Räuber Johannes Bückler, der im Jahr 1803 im Alter von vermutlich 24 Jahren hingerichtet wurde. Mit seiner Bande trieb er nachweislich auch im heutigen Landkreis Limburg-Weilburg sein Unwesen und dürfte deshalb nicht selten an Lindenholzhausen vorbei geritten sein. Dort, wo heute die B 8 entlang läuft, befand sich schon zu Schinderhannes Zeiten ein alter Handelsweg, damals noch am Ortsrand, mit einer besonderen Gaststätte. Denn dessen Wirt war als Sanitäter ausgebildet. Er soll die Blessuren des Räubers immer wieder behandelt haben. Zum Dank soll der das Hab und Gut des Wirts und der Hollesser verschont haben. "Das ist natürlich nur eine Vermutung", sagt der Heimathistoriker. "Aber wer weiß: Ein Körnchen Wahrheit ist vielleicht dabei."

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